Anne Cathrine Bomann veröffentlichte "Agathe" erstmals 2017 auf dänisch. Im Februar 2019 erscheint er nun beim Hanserverlag auf deutsch.
Er ist 72 Jahre alt und zählt die Stunden bis zu seinem Ruhestand. ...
Anne Cathrine Bomann veröffentlichte "Agathe" erstmals 2017 auf dänisch. Im Februar 2019 erscheint er nun beim Hanserverlag auf deutsch.
Er ist 72 Jahre alt und zählt die Stunden bis zu seinem Ruhestand. Der Protagonist ist Psychiater und führt schon seit Jahrzehnten seine eigene Praxis. Er rechnet die verbleibenden Therapiesitzungen in Stunden und versucht jede einzelne von ihnen zu ertragen. Bis zu dem Moment, als ihn eine letzte Patientin um einen Termin bittet: Agathe wird durch die gemeinsamen Gespräche das Leben ihres Psychiaters auf den Kopf stellen und ihn über das seine nachdenken lassen.
„Agathe“ ist mit 156 Seiten ein sehr kurzes Buch, dass sich in zahlreiche, und damit sehr kurze, Kapitel unterteilt. Der Ich-Erzähler, der Psychiater, beschreibt abwechselnd über die erlebten Tage als fast Pensionierter und seine Therapiesitzungen mit Agathe.
Beide Figuren charakterisieren sich im Laufe des Buches selbst, lediglich Agathes Krankengeschichte wird in Form von Arztbriefen dargestellt.
Bedenkt man wie kurz dieser Roman doch ist, ist es erstaunlich wie tiefgründig die Hauptcharaktere doch sind. Es braucht keinerlei Lebensgeschichte oder lange Beschreibung, um sich gut in die Figuren hinein zu versetzen.
Agathe ist hier viel mehr als nur eine Patientin, eine Frau, eine psychisch Kranke oder eine potenzielle Liebelei. Sie ist vielmehr auch der Spiegel, der dem Psychiater vorgesetzt wird und ihm die Augen öffnet und somit auch dem Leser.
„Agathe“ ist ein das perfekte Buch für einen gemütlichen Abend. Man beendet das Buch nicht nur mit dem Gefühl unterhalten worden zu sein, sondern bekommt selbst einen Denkanstoß: Wie zufrieden bin ich eigentlich mit meinem Leben?
Nachdem ich "Das Paket" gelesen habe, hielt ich dieses Exemplar in meinen Händen und las es an einem Abend durch. Ich hatte keinerlei Erwartungen, doch die Zusammensetzung dieser Story hat mich durchweg ...
Nachdem ich "Das Paket" gelesen habe, hielt ich dieses Exemplar in meinen Händen und las es an einem Abend durch. Ich hatte keinerlei Erwartungen, doch die Zusammensetzung dieser Story hat mich durchweg enttäuscht:
Gegen Fitzeks Schreibstil gibt es nicht einzuwenden. Er versteht es Spannung aufzubauen und den Leser zu fesseln, keine Frage.
Der komplette Aufbau der Geschichte hat den kompletten Abend allerdings für Kopfschütteln bei mir gesorgt. Eine Psychiatrie für gehobeneres Klientel, dass sich auf dem einsamen und verlassenen Teufelsberg in Berlin befindet. Das Wetter macht es einem unmöglich zu fliehen, der Strom und die Telefone funktionieren nicht aus Gründen, die Fan-Fiktion-Verdächtig sind. Gegen eine Entgrenzung von Fiktion und Realität habe ich sicherlich nichts einzuwenden, doch hier hat sich Fitzek für meinen Geschmack viel zu viel an Hollywood-Klischees bedient.
Das Ende, ganz in der Fitzek-Manier, unerwartet und daher auch die zwei Sterne. Das kann er und das hat mich auch zu weiterlesen bewegt. Ansonsten für mich leider ein Reinfall.
Im Januar 1942 tritt der junge Schweizer Friedrich seine Reise nach Berlin an. Während auf den Straßen Berlins der Nationalsozialismus herrscht und Krieg geführt wird, trifft er in einer Zeichenschule ...
Im Januar 1942 tritt der junge Schweizer Friedrich seine Reise nach Berlin an. Während auf den Straßen Berlins der Nationalsozialismus herrscht und Krieg geführt wird, trifft er in einer Zeichenschule die mysteriöse Kristin. Die Beiden kommen sich schnell näher und werden zu einem Liebespaar. Mit dem Vertrauen zueinander und dem Glauben, dass Kristin eine gewöhnliche Deutsche mit vielen Gelegenheitsjobs und dem Drang nach Verbotenem, streifen sie leichtfüßig durch die Stadt Berlin und lassen die Folgen des Krieges und den Judenhass nicht an sich heran, bis Kristin verschwindet und sich als Jüdin Stella offenbart. Sie muss unter dem Druck der Gestapo eine Entscheidung treffen, die das Schicksal ihrer Familie bestimmt...
Takis Würger strukturiert seinen Roman chronologisch und unterteilt diesen in einzelne Kapitel, die mit Monat und Jahreszahl des Handlungszeitpunktes angeführt werden. Jedes dieser Kapitel beginnt mit einer Vielzahl von politischen, aber auch gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ereignissen, die parallel zu dem Handlungsstrang verlaufen. Das Aufzeigen von zahlreichen „Schlagzeilen“ erinnert an Döblins „Alexanderplatz“ und zeigt zum einen die Vielfalt an Geschehnissen, die sich zu diesem Zeitpunkt ereigneten, stellt aber zum anderen die politischen Begebenheiten des Nationalsozialismus und dem Krieg besonders in der Vordergrund. Verordnungen und Geschehnisse die so unvorstellbar sind, verschwimmen fast in den Banalitäten wie genannte Filmpremieren, stehen aber durch ihre Grausamkeiten hervor. Zwischen jedem Kapitel befinden sich außerdem „Auszüge aus den Feststellungen eines sowjetischen Militärtribunals“ und führen zu einer Entgrenzung zwischen Fiktionalität und Faktionalität.
Würger arbeitet mit drei Hauptfiguren, die in ihrer Charakterisierung viele Gegensätze aufzeigen. Er zeigt uns die Jüdin Stella, wohl die geheimnisvollste Figur im Roman: leidenschaftlich, kühl, emotional, mit mehr Nationalstolz als jeder Andere, naiv? Oder eher verträumt uns voller Hoffnung? Friedrich, der aus der scheinbar sorglosen Familie in der neutralen Schweiz „flieht“ um das wahre Leben zu sehen und sich trotz seiner schwierigen Kindheit, in erster Linie durch seine Mutter verschuldet, auf die Liebe mit Stella einlassen kann und sein ganzes Herzblut hineingibt. Und zu guter Letzt dem Freund Von Appen, der Obersturmbandführer mit der Leidenschaft zum Jazz und ausländischen Essen.
Der Roman „Stella“ ist wahrhaftig ein Werk, dass berührt. Der Leser wird mit dem ersten Wort gefesselt, denn von stumpfen Klischees oder vorhersehbaren Geschehnissen kann hier nicht die Reden sein. Mit ausführlicher, bildlicher Beschreibung führt Würger die Leser durch eine romantisch, komplizierte Beziehung im Schatten der deutschen Geschichte. Die Figuren überzeugen mit ihrer Außergewöhnlichkeit und ihren Gegensätzen zu sich selbst. Die detaillierten Beschreibungen erschrecken, fesseln, bringen Emotionen hervor. Emotionen, die auch nach dem Zuklappen dieses Buches noch präsent sind und zum Nachdenken anregen: Was hätte ich getan?
Im Oktober 2016 veröffentlichte der Rowohlt-Verlag Daniel Kehlmanns Erzählung „Du hättest gehen sollen.“ Eine Gruselgeschichte, die den Leser in typischer Kehlmann-Manier zwischen Realität und Illusion ...
Im Oktober 2016 veröffentlichte der Rowohlt-Verlag Daniel Kehlmanns Erzählung „Du hättest gehen sollen.“ Eine Gruselgeschichte, die den Leser in typischer Kehlmann-Manier zwischen Realität und Illusion umherirren lässt.
Ein namenloser Drehbuchautor verbringt mit seiner Frau und der kleinen Tochter den Winterurlaub in einem einsamen Ferienhaus in den Bergen. Der imposante Neubau birgt ein Geheimnis, das nach und nach durch den Protagonisten selbst gelüftet wird. Während sich dieser sowohl mit einer Schaffenskrise, als auch mit Eheproblemen auseinandersetzen muss, geschehen während dem gemeinsamen Urlaub unerklärliche Dinge, die den Protagonisten an seinem eigenen Verstand zweifeln lassen.
„Du hättest gehen sollen.“ lässt sich nahtlos an einem Abend durchlesen. Das liegt nicht nur an der geringen Länge von 95 Seiten, sondern auch an dem gewohnt angenehmen Schreibstil Kehlmanns, der es dem Leser unmöglich macht dieses kurze Buch aus den Händen zu legen. Nach einer anfänglichen Flut an Fragen, die einem trifft sobald die letzte Seite gelesen wurde, birgt dieses kleine Werk letztendlich umso mehr Überraschungen.
Noch während Kehlmann die Charaktere einführt, beginnt die Handlung bereits und baut zügig einen Spannungsbogen auf. In gewohnter Kehlmann-Manier spielt der Autor wieder mit Realität und dem Schaffen von Illusionen. Sowohl der Ich-Erzähler, als auch der Leser selbst kann Zeitweise nicht mehr zwischen Einbildung und Realität unterscheiden. Optische Täuschungen und paranormale Geschehnisse sorgen für Nervenkitzel und Spannung.
Der Ich-Erzähler ist gleichzeitig Protagonist dieser Geschichte. Er beschreibt seine Erlebnisse, die zu Beginn mit Ausschnitten seines neuen Drehbuchs unterbrochen werden. Anfangs kommt man als Leser ins Stocken und wundert sich über begonnene, unvollendete, kontextlose Sätze und letztendlich über die letzten drei Seiten des Buches, die nach einem unvollendeten Satz leer sind. Doch schnell wird klar, dass soeben das Notizbuch des Erzählers gelesen wurde. Auch das jeweilige Datum als Kapitelüberschriften lassen schnell darauf schließen.
Und somit erschafft Kehlmann wieder einmal eine Verbindung zwischen Handlung und Aufbau bzw. Struktur des Buches (ähnlich wie in „Ruhm“). Immer wieder versucht der Protagonist das Haus zu verlassen, kommt aber immer wieder zum Ausgangspunkt zurück. Ein unendlicher Kreislauf entsteht. Dieses Motiv findet sich auch im Aufbau des Buches wieder. Der Ich-Erzähler erzählt und während er dies durch seine Notizen tut, teilt er dem Leser mit, dass das Erlebte aufschreiben muss. Auch hier findet sich also der unendliche Kreislauf des Erzählens wieder, spiegelt sich letztendlich im ganzen Alltag wieder: Immer wiederkehrender Streit mit seiner Ehefrau, der lieblose und eintönige Umgang mit der Tochter, indem immer alles bejaht wird, aber nie direkt auf ihre Bedürfnisse und Äußerungen eingegangen wird.
Die Charaktere werden in dieser Erzählung sehr oberflächlich dargestellt. Genaue Beschreibungen, Einführungen oder Situationen, die einen Einblick in die jeweilige Figur geben, sind hier nur sehr zaghaft vertreten. Diese Tatsache sorgt anfangs für Enttäuschung, lässt die Geschichte allerdings nicht darunter leiden. Eine ausgeprägtere Tiefe der Figuren wären lediglich ein ästhetischer Zusatz gewesen.
Zum Schluss stellt man sich die Frage, ob es sich tatsächlich um eine paranormale Erzählung oder um eine Erzählung handelt, die ein Spiegelbild der Seele des Protagonisten darstellt. Gefangen in sich selbst.
Daniel Kehlmann hat eine wirklich spannende Erzählung erschaffen, die noch viel mehr durch ihre clevere Inszenierung überzeugt. So mancher Leser realisiert wahrscheinlich erst zum Schluss, dass das reale Buch das in der Erzählung im Fokus stehende Notizbuch darstellt. Das Verschwimmen von Illusion und Realität findet sich damit in der Handlung und im Aufbau wieder. Dieser überaus raffinierte Zug macht aus diesem feinen, kleinen Buch ein wirkliches Werk.
Im Jahre 2008 veröffentlicht Uwe Tellkamp seinen dritten Roman „Der Turm. Geschichte aus einem versunkenen Land.“ und befasst sich darin mit einer Familiengeschichte in den letzten sieben Jahren der DDR, ...
Im Jahre 2008 veröffentlicht Uwe Tellkamp seinen dritten Roman „Der Turm. Geschichte aus einem versunkenen Land.“ und befasst sich darin mit einer Familiengeschichte in den letzten sieben Jahren der DDR, vor dem Mauerfall. Die Handlung spielt in dem Villenviertel am östlichen Elbgang in Dresden, in dem Tellkamp selbst ab 1977 aufwuchs. Der Roman verfolgt den 17-Jährigen Protagonisten Christian Hoffmann über sein Aufwachsen im bildungsbürgerlichen Milieu der DDR, seine Erfahrungen bei der Nationalen Volksarmee (kurz: NVA) und seinem Wunsch Arzt zu werden um den Erwartungen seines Vaters gerecht zu werden. Neben dem Untergang der DDR, skizziert Tellkamp eine Großfamilie und deren verschiedene Generationen, mit den daraus resultierenden Generationskonflikten.
Tellkamp gelingt es einen glaubhaften Einblick in die letzten Jahre der deutschen demokratischen Republik zu geben. Seine kritischen Äußerungen gegenüber dem damaligen System und die Veranschaulichung der Notwendigkeit von Anpassung, weckt bei vielen Gleichaltrigen und Generationsvorgängern Erinnerungen an die damalige Zeit und persönliche Schicksale. Doch der Roman beinhaltet noch viel mehr als lediglich die kritische Auseinandersetzung mit dem Sozialismus: Das zahlreiche Auftreten verschiedener Generationen und deren unterschiedliche Werteauffassungen, führen zu einem fast endgültigen Bruch der Familie. Die Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Generationskonflikts wird bei der Behandlung dieses Romans leider zu häufig außer Acht gelassen, verdient aber auf Grund seiner Plausibilität und Zeitlosigkeit mehr Aufmerksamkeit. Denn Generationskonflikte werden zwar erst auf den zweiten Blick richtig wahrgenommen, geschehen aber jeden Tag innerhalb Familie, Beruf oder auf offener Straße.
Tellkamp hat mit „Der Turm“ ein unglaublich umfangreiches Werk erschaffen, dass eine Vielzahl von Kritikäußerungen und Konflikten innerhalb einer Familie aufzeigt. Die realitätsnahe Schilderung und das Identifikationspotenzial, das dieser Roman aufzeigt, macht es zu einem ganz besonderen und außergewöhnlichen Werk.