Profilbild von westeraccum

westeraccum

Lesejury Star
offline

westeraccum ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit westeraccum über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.07.2022

Nicht ganz überzeugend

Der Fremde
0

Julia und Tony führen mit ihren beiden Kindern ein fast perfektes Leben, würde nicht Tony sich immer noch als der Beschützer seines jüngeren Halbbruders Nick fühlen, der bei Eltern aufwuchs, die mit der ...

Julia und Tony führen mit ihren beiden Kindern ein fast perfektes Leben, würde nicht Tony sich immer noch als der Beschützer seines jüngeren Halbbruders Nick fühlen, der bei Eltern aufwuchs, die mit der Erziehung eines Kindes vollkommen überfordert waren. Als der homosexuelle Nick von einem unbekannten Mann brutal vergewaltigt wird, hinterlässt der Vorfall Spuren in der Familie. Julia, die Anwältin ist, macht ihre Familie und auch die Leser mit dem amerikanischen Rechtssystem vertraut, bei dem es vor allem darauf ankomt, wer überzeugender ist. Als ein Verdächtiger verhaftet wird, ist das noch lange nicht das Ende der Geschichte, denn eine Schlammschlacht beginnt, die alle bis an die Grenzen des Erträglichen führt.

Das Buch greift eine für die oftmals prüde amerikanische Gesellschaft ungewöhnliche Konstellation auf. Ich habe zumindest bisher noch kein amerikanisches Buch über eine Vergewaltigung unter Männern gelesen. Die Autorin geht mit dem Thema sensibel um, Gewaltszenen bleiben den Lesern weitgehend erspart. Trotzdem ist das Thema natürlich immer präsent.

Ich fand das Buch etwas langatmig, das amerikanische Rechtssystem wird sehr ausführlich behandelt und oft geht es über lange Strecken nicht voran. Statt dessen gibt es viel Selbstbespiegelung auf Kosten der Spannung. Auch schienen mit die Charaktere nicht wirklich stimmig, besonders mit Tony hatte ich einige Probleme.

Insgesamt war das Buch aber gut zu lesen und das Thema interessant. Ein besonderes Lesehighlight war es aber nicht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.07.2022

Typischer Schwedenkrimi

Sturmrot
0

Das Buch mit dem blutroten Cover sticht gleich ins Auge. Ich mag dieses schlichte, aber auch zugleich raffinierte Cover.
Olof Hagström findet seinen Vater ermordet in dessen Dusche. Olof war seit vielen ...

Das Buch mit dem blutroten Cover sticht gleich ins Auge. Ich mag dieses schlichte, aber auch zugleich raffinierte Cover.
Olof Hagström findet seinen Vater ermordet in dessen Dusche. Olof war seit vielen Jahren nicht mehr in dem Dorf im Norden Schwedens, in dem er aufgewachsen war, denn er soll als Vierzehnjähriger ein Mädchen ermordet haben und wurde danach von seinen Eltern ins Heim geschickt.
Die junge Polizistin Eira Sjödin hilft bei den Ermittlungen zu dem Mord und findet Spuren in die Vergangenheit, denn sie kennt die Menschen hier gut und und ist sensibel genug, um die Menschen einschätzen zu können. Dann wird eine alte Leiche gefunden und das gibt den Ermittlungen eine ganz neue Richtung.
Das Buch ist gut und lesbar geschrieben und vor allem am Schluss sehr spannend. Tove Alsterdal kennt die Menschen und die Gegend, in der sie leben, sehr gut und das merkt man. Dadurch wird das Buch sehr authentisch. Manchmal geht das allerdings auch auf Kosten der Spannung.
Das Buch ist der Auftakt zu einer neuen Reihe um Eira Sjödin und ich habe es gern gelesen. Spannungsmäßig ist allerdings noch Luft nach oben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.07.2022

Melancholische Familiengeschichte

Beifang
0

Frank Zimmermann ist auf der Suche nach seinen Wurzeln. Dafür fährt er in seine alte Heimat Selm-Beifang am Nordrand des Ruhrgebiets, wo seine Eltern gerade ihr Haus verkauft haben und in eine Seniorenwohnung ...

Frank Zimmermann ist auf der Suche nach seinen Wurzeln. Dafür fährt er in seine alte Heimat Selm-Beifang am Nordrand des Ruhrgebiets, wo seine Eltern gerade ihr Haus verkauft haben und in eine Seniorenwohnung gezogen sind. Da Franks Vater wenig zu erzählen weiß über die Kindheit mit seinen 10 Geschwistern, der Enge einer 60-qm-Zechenwohnung und die gewalttätigen Eltern, sucht Frank nach und nach die Geschwister des Vaters auf, um von ihnen mehr zu erfahren. Dabei entfaltet sich ein Kaleidoskop von Lebensentwürfen. Alkoholkrank und bitter arm oder wohlhabend mit einem Porsche in der Garage - dazwischen gibt es in der Reihe der Geschwister alles. Aber alle haben unterschiedliche Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend, die von Schlägen und Hunger geprägt war.
Martin Simons entwickelt in seinem Buch ganz langsam die Geschichte einer Familie, wie es sie nach dem 2. Weltkrieg häufig gab. Es gab Familien, die durch das Raster des Wirtschaftswunders fielen und als "asozial" galten, man hielt sich besser von ihnen fern. Die Hintergründe wollte man nicht wissen.
Mich hat das Buch sehr berührt, denn diese Jahre waren auch meine Kindheit. Die Väter, die beschädigt aus dem Krieg heimkehrten und sich orientieren mussten, die Frauen, die ihre Fähigkeiten nicht ausleben konnten, sondern zum Hausfrauendasein zwischen Küche, Kirche und Kindern verdammt waren, Lehrer, die schlugen, aber auch die schönen Familienzusammenkünfte, bei denen es hoch herging, das alles gehörte dazu.
Simons bringt das alles wunderbar sensibel auf den Punkt. Besonders hat mich der Schluss berührt, ein Mann mit elf Kindern stirbt ganz allein im Krankenhaus.
Ein sehr gutes Buch über die Realität in den 1950er Jahren.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.07.2022

Ungewöhnlicher Krimi aus Israel

Drei
0

Gil ist Rechtsanwalt in Tel Aviv und er ist auf der Suche nach Frauen. Obwohl er verheiratet ist und zwei Töchter hat, sucht er immer wieder den Kontakt zu Frauen, aber dabei geht es nicht in erster Linie ...

Gil ist Rechtsanwalt in Tel Aviv und er ist auf der Suche nach Frauen. Obwohl er verheiratet ist und zwei Töchter hat, sucht er immer wieder den Kontakt zu Frauen, aber dabei geht es nicht in erster Linie um Sex, sondern er braucht die Bestätigung und Bewunderung. Orna ist frisch geschieden, ihr Mann hat eine neue Frau und lebt in Nepal und Orna sucht Kontakt über ein Dating-Portal. Emilia ist Altenpflegerin aus Lettland, sie ist einsam und sucht jemanden, der ihr zuhört. Beide Frauen begehen angeblich Selbstmord. Ella studiert und trifft Gil in einem Café, wird sie das gleiche Schicksal ereilen?

Obwohl man weiß, dass Gil die beiden Frauen ermordet hat, ist das Buch doch bis zum letzten Moment spannend und sehr gut geschrieben. Mishanis Stil ist eher nüchtern und reportagehaft, aber das passt zu dem Buch. Im dritten Teil wechselt er in den Konjunktiv, auch dadurch merkt man, dass in diesem Fall etwas anders ist. Mishani taucht tief in die Welt der beiden Frauen ein, ihre Gedanken und Sorgen werden ernst genommen und intensiv geschildert. Man ist den beiden Frauen sehr nah. Bei Ella gelingt das nicht ganz so gut, weil sie Gil eher auf Distanz hält. Das Buch ist insgesamt sehr raffiniert aufgebaut.

Ich hatte bisher noch kein Buch von Mishani gelesen, aber dieses hat mir sehr gut gefallen und ich werde sicher noch mehr von ihm lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.06.2022

Ein Mann vom Planeten Anthea

Der Mann, der vom Himmel fiel
0

Nach "Damengambit" wollte ich unbedingt ein weiteres Buch von Walter Tevis lesen und so kam ich zu dieser Leserunde. Das Buch wurde schon 1963 geschrieben und es endet 1990, also in einer damals fernen ...

Nach "Damengambit" wollte ich unbedingt ein weiteres Buch von Walter Tevis lesen und so kam ich zu dieser Leserunde. Das Buch wurde schon 1963 geschrieben und es endet 1990, also in einer damals fernen Zukunft.
Ein Mann, der sich Thomas Jerome Newton nennt, streift durch Kentucky und sucht nach einem neuen Leben. Er entpuppt sich als Wesen vom Stern Anthea und er hat eine Mission, nämlich die Reste seines Volkes auf die Erde zu bringen. Dafür bracht er ein Raumschiff und natürlich viel Geld. Da er aber einige Erfindungen von seinem Planeten mitgebracht hat, wird er bald ein reicher Mann und kann es sich leisten dieses Raumschiff zu bauen. Dabei sind ihm der Chemiker Nathan Bryce und die junge Betty Joe behilflich.
Der Leser weiß recht schnell, dass Newton ein Außerirdischer ist, die Welt ringsum hält ihn aber für einen Exzentriker, denn er schläft fast nie und hat auch sonst einige Besonderheiten. Besonders gravierend ist seine Einsamkeit, die er in Alkohol zu ertränken versucht, er sehnt sich nach seinem Volk und betrachtet die Merkwürdigkeiten der Erdenmenschen aus der Distanz seines großen Wissens. Er will den Frieden bringen, aber die Menschen verstehen ihn nicht.
Das Buch ist zwar fast sechzig Jahre alt, aber es ist noch immer aktuell und heute vielleicht mehr denn je. Das vergebliche Streben Newtons nach Vernunft und Frieden ist deprimierend, aber genau dadurch bleibt das Buch unbedingt lesenswert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere