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Veröffentlicht am 16.02.2025

Banalität des Bösen

Ginsterburg
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Hannah Arendt schrieb von der "Banalität des Bösen" und in diesem Buch wird sie vollkommen und erschreckend deutlich.
Im fiktiven Ort Ginsterburg, einer mittelgroßen Stadt, sickert das Böse ganz langsam ...

Hannah Arendt schrieb von der "Banalität des Bösen" und in diesem Buch wird sie vollkommen und erschreckend deutlich.
Im fiktiven Ort Ginsterburg, einer mittelgroßen Stadt, sickert das Böse ganz langsam ein. Zuerst darf die Buchhändlerin nicht mehr alle Bücher im Schaufenster präsentieren, die ihr wichtig sind, dann möchte ihr Sohn Lothar unbedingt zur HJ, weil man da so spannende Dinge unternimmt. Er ist begeistert vom Fliegen und wird später ein erstklassiger Pilot, was ihm Ruhm und Ehre einbringt, aber sein Ende ist schrecklich.
Einige Menschen in der Stadt nutzen die Gunst der Stunde und machen Karriere, andere bleiben auf der Strecke. Ganz langsam sickert das Böse in die Beziehungen und in den Alltag.
Das alles schildert Arno Frank eher kühl, aber nicht ohne Empathie. In Fünfjahresschritten zeigt er die Entwicklung auf und vermeidet dabei jede Dramatik.
Dabei ist das Buch hoch aktuell, denn alles könnte sich wiederholen, wenn die Demokratie nicht wachsam bleibt.
Unbedingt lesenswert, das ist ein Buch, das man in einem Rutsch durchliest!

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Veröffentlicht am 14.02.2025

Kriegswirren

Nacht der Ruinen
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Cay Rademacher führt uns in diesem Buch zurück in das Jahr 1945. Bei einem der letzten Luftangriffe auf Köln stürzt ein englisches Flugzeug ab, der Pilot kann sich mit dem Fallschirm retten, wird aber ...

Cay Rademacher führt uns in diesem Buch zurück in das Jahr 1945. Bei einem der letzten Luftangriffe auf Köln stürzt ein englisches Flugzeug ab, der Pilot kann sich mit dem Fallschirm retten, wird aber von Unbekannten nach seiner Landung ermordet.

Die Alliierten haben das linke Rheinufer kurz darauf schon besetzt und der US-Soldat Joe Salmon, der als Joseph Salomon in Köln aufwuchs, soll den Fall aufklären. Zusammen mit seinem Fahrer Gonzales folgt er ersten Spuren in der vollkommen zerstörten Stadt. Das ist nicht ungefährlich, denn neben Blindgängern, einstürzenden Mauern und Fleckfieber bedrohen ihn auch die noch immer überzeugten Nazis, die sich schon wieder ein warmes Plätzchen in der Friedensgesellschaft gesichert haben. Sie werden gebraucht, in den Verwaltungen, bei der Polizei und in den Krankenhäusern. Joe muss sich aber auch mit seiner eigenen Vergangenheit auseinandersetzen, denn er ließ seine beste Freundin und seinen besten Freund bei seiner Flucht zurück.

Rademacher muss für dieses Buch eine Menge Recherchearbeit geleistet haben, denn er schildert sehr plastisch den Zustand der Großstadt, die Zerstörungen und die überlebenden, traumatisierten Menschen. Eine Leseliste am Ende des Buches weist dann auch auf weiterführende Lektüre hin.

Immer wieder tauchen historische Personen wie Konrad Adenauer, George Orwell oder Irmgard Keun auf, sie verleihen dem Buch noch mehr Authentizität.

Das Buch ist sehr spannend und gut lesbar geschrieben. Ich konnte kaum aufhören zu lesen und bin tief in diese - zum Glück - vergangene Welt eingetaucht. Die Ambivalenz der Situation wird sehr gut sichtbar: einerseits ist man froh über den Frieden, andererseits muss man irgendwie das Überleben sichern, und sei es mit Plünderungen oder Schwarzmarktgeschäften. Auch Joe schwankt zwischen den Erinnerungen an die Vergangenheit und der Notwendigkeit seinen Auftrag auszuführen. Da bleibt keine Hand wirklich sauber und manche moralische Überlegung muss der Realität zum Opfer fallen. Das alles macht Rademacher sehr deutlich.

Ich finde das Buch unbedingt lesenswert.

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Veröffentlicht am 10.02.2025

Viel gelernt

Bis unsre Seelen Sterne sind. Rilke und Lou Andreas-Salomé
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Zuerst fiel mir bei diesem Buch das Cover auf. Man sieht eine junge Frau und einen mittelalten Mann im Profil. Die Frau blickt den Mann direkt und bewundernd an, der Mann aber schaut seitlich an der Frau ...

Zuerst fiel mir bei diesem Buch das Cover auf. Man sieht eine junge Frau und einen mittelalten Mann im Profil. Die Frau blickt den Mann direkt und bewundernd an, der Mann aber schaut seitlich an der Frau vorbei in die Ferne. Dadurch wird schon rein äußerlich bei diesem Buch klar, dass Rainer Maria Rilke sich nie auf eine Frau richtig einlassen konnte, seine Dichtung war immer wichtiger.

Trotzdem war die 15 Jahre ältere Lou Andreas-Salomon die einzige Frau, für die Rilke eine lebenslängliche, wenn auch lange Zeit platonische, Liebe empfand. Allerdings täuscht das Titelbild mit dem Alter der Protagonisten, denn Rilke war erst 22, als er Lou kennenlernte. Schon da schreibt er wunderbare Gedichte, mit denen er seine Gefühle für Lou ausdrückt.

Rilke war ein unsteter Geist. Immer wieder Krankheiten, dann Phasen von unbezähmbarem Schaffensdrang, eine kurze Ehe mit der Bildhauerin Clara Westhoff, ständige Ortwechsel, häufige Geldnot - das alles ist fast schon zu viel für ein Leben von nur 51 Jahren.

Maxine Wildner hat sich in diesem Buch nicht nur der Beziehung zwischen Rainer und Lou angenähert. Sie hat auch ein Zeitgemälde vom Beginn des 20. Jahrhunderts geschaffen, von den Künstlerinnen und Künstlern in dieser Umbruchzeit auf dem Weg in die Moderne. Das ist weitestgehend gut zu lesen, bleibt dabei aber auch manchmal oberflächlich.

Interessant ist auch, dass dieses Buch ausgerechnet im Insel-Verlag erschienen ist, der auch im Buch eine - wenn auch nicht glückliche - Rolle spielt.

Ich habe mich von dem Buch gut unterhalten gefühlt, dazu kam ein Zugewinn an Wissen und ein neues Interesse an Rilkes Gedichten was will man mehr?

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Veröffentlicht am 05.02.2025

Enttäuschend

Sing mir vom Tod
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Das Buch erzählt die Geschichte zweier Gefängnisinsassinnen. Florence, genannt Florida, stammt aus reichem Haus und hat zusammen mit ihrem Freund einen Trailer angezündet. Ihre Zellengenossin Diosmary, ...

Das Buch erzählt die Geschichte zweier Gefängnisinsassinnen. Florence, genannt Florida, stammt aus reichem Haus und hat zusammen mit ihrem Freund einen Trailer angezündet. Ihre Zellengenossin Diosmary, genannt Dios, war in einige brutale Schlägereien verwickelt und hat wohl auch Menschen umgebracht. Sie ist auch im Gefängnis immer wieder brutal, setzt andere unter Druck und kommt deshalb mit allen Schweinereien durch. Als beide wegen der Pandemie vorzeitig entlassen werden, will Florida nach Los Angeles zu ihrer Mutter fahren. Dios hängt sich an sie dran und will Floridas "wahres Gesicht" zum Vorschein bringen.
Am Anfang fand ich das Buch noch recht spannend, aber irgendwann wurde es nur noch verwirrend und gewalttätig. Die Sprache ist brutal und auch die Taten sind nicht besser. Los Angeles gleicht einer Dystopie, dreckig und unerträglich.
Irgendwann konnte ich die Grausamkeit nicht mehr ertragen und habe die letzten hundert Seiten nur noch quer gelesen.
Nur ein Buch für sehr hartgesottene Leserinnen und Leser!

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Veröffentlicht am 05.02.2025

Mutmacher

Die Politik von morgen
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Carolin Weimann und Philip Husemann arbeiten für die Organisation JoinPolitics, die junge Talente auf ihre Arbeit in der Politik vorbereitet. Leider sind unsere Parlamente überaltert, egal ob in der Kommune ...

Carolin Weimann und Philip Husemann arbeiten für die Organisation JoinPolitics, die junge Talente auf ihre Arbeit in der Politik vorbereitet. Leider sind unsere Parlamente überaltert, egal ob in der Kommune oder Im Bundestag. Es wird immer schwieriger junge Menschen für den Einstieg in die Politik zu gewinnen und oft genug geben sie schon nach kurzer Zeit auf. Sozialer Druck, mangelnde Unterstützung in den Parteien und die sozialen Medien machen die Arbeit nicht einfach.

Mit Coaching, Mentorenprogrammen und Alumniprogrammen wird bei JoinPolitics eine langfristige Unterstützung aufgebaut und viele der Teilnehmenden sind erfolgreich in eine politische Karriere gestartet oder haben gelungene Aktionen angestoßen und durchgeführt. An sieben Beispielen aus verschiedenen Parteien und Gruppierungen zeigen die beiden Autoren auf, was ihre Unterstützung bewirkt und welchen Weg die Menschen gegangen sind. Im dritten Teil des Buches wagen die Autoren einen Ausblick in die Zukunft und entwerfen eine Utopie, die für uns noch weit entfernt scheint, aber vielleicht einmal wahr werden kann.

Das Buch ist ein echter Mutmacher. Junge Menschen in der Politik kämpfen oft genug mit Vorurteilen, einem Wust von Formalien und den Erbhöfen der älteren Generation. Auch fehlen oft genug Vorbilder und Mentoren. Dass es auch anders geht, das beweist dieses Buch sehr anschaulich. Auch wenn die ideale politische Gesellschaft in weiter Ferne liegt, so kann man doch den Thesen des Buches uneingeschränkt zustimmen.

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