Ach, Babel.
BabelErstmal die für mich wichtigste Sache vorweg: Babel mit Harry Potter zu vergleichen erscheint mir nicht richtig, denn das wird keinem der beiden Bücher gerecht.
R.F. Kuang schafft es auf äußerst emotionale ...
Erstmal die für mich wichtigste Sache vorweg: Babel mit Harry Potter zu vergleichen erscheint mir nicht richtig, denn das wird keinem der beiden Bücher gerecht.
R.F. Kuang schafft es auf äußerst emotionale Weise gesellschaftliche und politische Themen anzusprechen und zu beschreiben. Sie schafft es sogar so gut, dass man in mancherlei Szene regelrecht vor ihren Worten zurückschreckt. Diese Kunst des Schreibens finde ich sehr bemerkenswert und außergewöhnlich. Vor allem aber die ausführlichen Beschreibungen und Tiefgänge in Bezug auf Sprache/n haben mich sehr fasziniert - und auch hier beweist Kuang einmal mehr ihr Talent des Schreibens. Gerade in Bezug auf die Etymologie wurde einiges an (Recherche-)Arbeit geleistet und das merkt man beim Lesen. Man bekommt dabei einfach richtig Lust eine neue Sprache zu lernen.
Die Geschichte rund um Robin, Ramy, Victoire und Letty nimmt einen auf eine emotionale Achterbahn der Gefühle mit. Vor allem das Thema Freundschaft und Loyalität unter Freunden haben mich unheimlich vereinnahmt und mitgenommen. Zudem gibt es im Buch mehr als nur einen Plottwist, wobei der eine schlimmer und schwerwiegender als der andere ist. So hält man zwischendurch mehr als nur einmal den Atem an.
Jedoch gibt es immer ein 'Aber' und so auch hier (leider).
Die ersten 200-300 Seiten konnte ich nur sehr schleppend lesen, da es gerade hier eher um eine sehr ausschweifende Einführung in die Geschichte ging - das fand ich unheimlich anstrengend. Auch die behandelten gesellschaftlichen und politischen Themen fand ich echt krass - einfach weil sie mir zu echt waren (wie gesagt: Kuang weiß einfach mit Wörter umzugehen). Außerdem hat für mich die "richtige" Action gefehlt. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl 'Jetzt gehet es gleich los', aber leider kam der für mich gewünschte Höhepunkt bis zum Ende des Buches kaum durch. Das heißt keinesfalls, dass es keinen gab, sondern nur, dass er nicht so kam, wie ich es mir vorgestellt/gewünscht hätte. Dafür setzte Kuang eher auf ein detailliertes und umfassendes Charakterbuilding. Im Gegensatz zu den fehlenden Spannungsbögen und Höhepunkten finde ich jedoch gerade die Charakterentwicklungen sehr gut gelungen. Des Weiteren habe ich bei Babel - aufgrund der Genre-Einordnung und des Klappentextes - ein (ich sag mal "klassisches") Fantasybuch erwartet. Leider haben mir jegliche fantastische Elemente gefehlt - einzig das Silberwerken empfand ich als magisch und unheimlich interessant; doch das wurde im Buch leider nur wenig behandelt. Und so komme ich zurück auf den Anfang: Anstatt das buch mit Harry Potter zu vergleichen und so eine hohe Erwartungshaltung bei den Lesenden zu schaffen, hätte man mit den ganze anderen positiven Dingen des Buches werben können. So zum Beispiel mit dem Tiefgang in Bezug auf Sprachen, auf den außergewöhnlichen und doch wunderschönen Schreibstil Kuangs und so vielem mehr.
Ich sag es so, wie es ist: Babel und ich haben eine Hassliebe und ich bin bis jetzt immer noch nicht ganz warm geworden mit dem Buch. Ich denke, dass ich in Zukunft Babel nochmal in die Hand nehmen werde und nochmals lesen werde. So kann ich mich wirklich auf das Wesentliche der Geschichte konzentrieren und ohne vorherige Erwartungshaltung in die Geschichte einsteigen - denn ich glaube, dass genau das mein Problem war. Ich habe ein "klassisches" Fantasybuch mit vielen magischen Elementen à la Harry Potter erwartet. Rückblickend finde ich es schade, dass mich diese Erwartung das ganze Buch über so geprägt hat.
Ich kann jedem zukünftigen Lesenden nur folgendes ans Herz legen: Lest das Buch bitte ohne die Erwartung ein "klassisches" Fantasybuch in der Hand zu halten, denn genau dann wird man sowas von vom Stuhl gerissen, dass man es gar nicht glauben kann. Babel hat unheimlich viel Potenzial und Kuang ist eine Meisterin des Schreibens.