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Veröffentlicht am 11.06.2024

Eine wirtschaftspolitisch gerechte(re) Perspektive

Das Ende der Erschöpfung
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In “Das Ende der Erschöpfung” setzt sich Katharina Mau kritisch mit der globalen wirtschaftlichen Lage auseinander, welche grundlegend auf stetiges Wachstum ausgelegt ist, und beleuchtet dabei ausführlich ...

In “Das Ende der Erschöpfung” setzt sich Katharina Mau kritisch mit der globalen wirtschaftlichen Lage auseinander, welche grundlegend auf stetiges Wachstum ausgelegt ist, und beleuchtet dabei ausführlich die daraus resultierenden Probleme Klimakrise sowie soziale Ungerechtigkeit. Dabei differenziert sie die Einflüsse auf den Klimawandel durch den Globalen Norden und Süden, da hier ein starkes Ungleichgewicht herrscht und auch in der Konsequenz immer größere Ungerechtigkeiten abzusehen sind. Während der Globale Norden durch Überkonsum überproportional stark für den Klimawandel verantwortlich ist, ist der Globale Süden überproportional stark von den Folgen des Klimawandels betroffen.

Dass die Menschheit global betrachtet in der Form und dem Ausmaß nicht weiter wirtschaften kann, belegt die Autorin in ihrem Buch und macht deutlich, wie wichtig eine grundlegende wirtschaftspolitische Veränderung ist. Lösungsvorschläge macht Mau mit dem Degrowth-Konzept, welches die menschlichen Bedürfnisse, statt einem kontinuierlichen Wirtschaftswachstum, in den Mittelpunkt stellt und dabei auch Themen wie Umwelt und Klima mitberücksichtigt. Denn Klimakrise und soziale Ungerechtigkeit bedingen sich gegenseitig und sind längst keine Frage mehr nach moralischen Maßstäben, sondern eine Notwendigkeit, die global betrachtet möglichst schnell umgesetzt werden muss.

Da ich zu Wirtschaftswissenschaften oder -theorien bisher keinen tieferen Bezug hatte, hatte ich zunächst großen Respekt davor, das Buch zu lesen. Katharina Mau konnte mich aber durch ihren zugänglichen Stil und kleinere Exkurse in die Thematik Wirtschaft von Beginn an abholen. Sie erklärt den Ist-Zustand, der an vielen Stellen berechtigterweise kritisiert wird und zeigt dann Lösungsvorschläge für eine gerechtere Welt auf, die, wie sie selber auch eingesteht, nicht immer bis ins kleinste Detail ausgearbeitet und genau so umsetzbar sein müssen. Das wäre im Rahmen des Buches auch nicht möglich gewesen und ist Aufgabe der Politik. Dabei führt sie Vorschläge an, die in ähnlicher Weise bereits erfolgreich umgesetzt worden sind. Bei anderen bemerkt sie, dass diese Vorschläge durchaus als “radikal” wahrgenommen werden könnten, da sie das uns Bekannte übersteigen. Ich persönlich habe das beim Lesen gar nicht so empfunden. Vielleicht weil Katharina Mau ihre Argumentation so schlüssig mit Fakten und Modellen untermauert hat, vielleicht, weil ich selber gerne auf der Suche nach unkonventionellen Methoden bin, wenn ich vor scheinbar unlösbaren Aufgaben stehe. Auch bezogen auf unsere Gesellschaft habe ich schon über ähnliche Maßnahmen philosophiert, ohne das Wort Degrowth gekannt zu haben. Für mich haben sich diese möglichen Perspektiven wie eine Erlösung oder Befreiung von all der vorherrschenden Ungerechtigkeit angefühlt.

Somit möchte ich das Buch aus tiefstem Herzen weiterempfehlen. Es ist ein wichtiges und inspirierendes Werk, das eine Perspektive aufzeigt, die mir Hoffnung für unsere Zukunft gibt. Durch den Klimawandel ist es dringend notwendig, sich über alternative Wirtschaftsformen Gedanken zu machen, die Klima- und soziale Gerechtigkeit einbeziehen, und diese schnellstens umzusetzen. Mau zeigt, dass Degrowth durchaus umsetzbar wäre, auch wenn Details noch geklärt und an einigen Stellen mehr Forschung passieren muss. Weshalb es wichtig ist, mehr Aufmerksamkeit und Sensibilität für die Thematik zu bekommen. Denn je mehr Zeit wir weiterhin verstreichen lassen, desto mehr Kipppunkte überschreiten wir, wodurch ein gutes Leben nicht mehr möglich wäre.

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Veröffentlicht am 04.06.2024

Fesselnde Liebesgeschichte in brutalem Setting

Die Kinder der Gaia
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“Die Kinder der Gaia” von Anahit Ernst ist eine queere Enemies-to-Lovers Romance, die im Setting des Zweiten Weltkriegs spielt. Dabei ist die Geschichte rund um die Protagonisten Friedrich und Rick fiktiv. ...

“Die Kinder der Gaia” von Anahit Ernst ist eine queere Enemies-to-Lovers Romance, die im Setting des Zweiten Weltkriegs spielt. Dabei ist die Geschichte rund um die Protagonisten Friedrich und Rick fiktiv. Die beiden sind Soldaten verfeindeter Nationen und bringen ihre eigenen Werte und Geschichten mit. Es entwickelt sich eine spannende, packende, zum Teil auch harte Story, an der ich ein wenig zu knabbern hatte.

Der Schreibstil der Autorin ist trotz der Zeit, in der das Buch spielt, modern, flüssig und ich konnte die Bandbreite an Emotionen gut nachfühlen. Einzig bei der Nutzung der Kraftausdrücke musste ich zum Teil echt schlucken, auch wenn ich sie als passend zu der Geschichte empfunden habe, da es die Brutalität der Zeit symbolisiert. Dies zeigt sich natürlich auch in den vielen Kriegsszenen und zum Teil in dem Umgang innerhalb der Kompanie. Der Aspekt Krieg ist die ganze Zeit über sehr präsent - zerstörerisch, grausam und brutal - und ermöglicht durch die Emotionalität tiefe, zum Teil schwer verdauliche Einblicke. Besonders angesichts aktueller Konflikte hat mich das Buch doch nachdenklich gemacht.

Die Liebesgeschichte ist dazu ein schöner Ausgleich gewesen und wurde authentisch in das Setting eingearbeitet, da sich die Ereignisse um Friedrich und Rick herum, wie auch veraltete Ansichten bezüglich Queerness, auch auf das Zwischenmenschliche auswirken. Trotzdem erlebt man mit den beiden eine Charakterentwicklung, die ich gerne verfolgt habe. Insgesamt konnte ich beide Protagonisten schnell in mein Herz schließen.

“Die Kinder der Gaia” hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen und auch immer noch nicht wieder losgelassen. Besonders der Spagat zwischen der Liebesgeschichte und der harten Realität des Krieges ist in meinen Augen gut gelungen. Trotzdem zeigt die Geschichte dadurch auch eine sehr menschliche Seite des Krieges und dass Liebe Hass und Feindschaft überwinden kann. Mit dieser hoffnungsvollen Erkenntnis möchte ich das Buch nochmal ausdrücklich empfehlen, wenn die emotionalen Kapazitäten es zulassen, die schwere Thematik zu verarbeiten.

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Veröffentlicht am 20.05.2024

Anders als erwartet

Das Gegenteil von Erfolg
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“Das Gegenteil von Erfolg” von Eleanor Elliott Thomas erzählt die Geschichte von Lorrie und wie ihr Leben innerhalb eines Tages komplett aus dem Ruder zu geraten droht. Lorrie ist glücklich verheiratet, ...

“Das Gegenteil von Erfolg” von Eleanor Elliott Thomas erzählt die Geschichte von Lorrie und wie ihr Leben innerhalb eines Tages komplett aus dem Ruder zu geraten droht. Lorrie ist glücklich verheiratet, zweifache Mutter, arbeitet bei der Stadtverwaltung und soll nun das Projekt vorstellen, an dem sie monatelang gearbeitet hat. Nachdem sie eine Beförderung nicht erhält, erleidet sie einen Nervenzusammenbruch, der im Laufe der Geschichte und in Kombination mit Alkohol in einer Katastrophe endet, die ich nicht kommen gesehen habe.

Der Schreibstil der Autorin hat mir grundsätzlich gut gefallen, auch wenn die Erzählweise recht langsam und beschreibend ist. Dies muss man definitiv mögen. Außerdem lesen wir abwechselnd aus Lorries und Alex’ Perspektive, Lorries bester Freundin. Dadurch habe ich beim Lesen sehr lange auf den eigentlichen Hauptteil der Geschichte warten müssen.

Was mir sehr gut gefallen hat, sind Themen wie Feminismus, Klimakrise und Umwelt- und Naturschutz, Aktivismus, Freundschaft und die Frage, wie viel ein Mensch, insbesondere eine Frau, in unserer Gesellschaft leisten muss, um wertgeschätzt und anerkannt zu werden.

Das Buch hatte für mich durch die Grundthematik ein großes Highlight-Potenzial, welches es für meinen Geschmack durch die Umsetzung leider nicht voll ausschöpfen konnte. Zum Ende hin steigert sich die Geschichte in eine Folge absurdester Ereignisse, die ich leider weder unterhaltsam noch glaubwürdig fand. Auch die Handlungen der Protagonistin waren für mich zunehmend unauthentisch und unangenehm zu lesen, auch wenn ich Teile ihrer Gedanken sehr gut nachvollziehen konnte. Für mich ist das Buch letzten Endes wohl am meisten Bestätigung dafür, dass Alkohol, besonders in Krisensituationen, kein Mittel der Wahl sein sollte.

Trotzdem kann ich “Das Gegenteil von Erfolg” grundsätzlich empfehlen, da ich mir auch einige schöne Zitate und Gedanken markiert habe und gut unterhalten wurde.

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Veröffentlicht am 15.05.2024

Das Paradox der Schönheit

Die Schönheit der Rosalind Bone
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“Die Schönheit der Rosalind Bone” von Alex McCarthy erzählt die tragische Geschichte eines Mädchens und jungen Frau und dem kollektiven Versagen einer Dorfgemeinschaft in Wales, wie es aber auch stellvertretend ...

“Die Schönheit der Rosalind Bone” von Alex McCarthy erzählt die tragische Geschichte eines Mädchens und jungen Frau und dem kollektiven Versagen einer Dorfgemeinschaft in Wales, wie es aber auch stellvertretend überall anders passieren könnte. Es geht um das Wegsehen, um Missverständnisse, um Neid und Missgunst, um trügerischen Schein, das Paradox der Schönheit und das ein oder andere weitere kleine Geheimnis, das nahezu jeder zu verstecken versucht.

Der Schreibstil Alex McCarthys hat mich beinahe unmittelbar in seinen Bann gezogen. Die Sprache ist trotz ihrer inhaltlichen Abgründe sehr fein und leise, zum Teil poetisch, kann aber auch durch ihre Direktheit sehr plötzlich eine große Stärke und Schlagkraft entwickeln. Ich war an vielen Stellen des ziemlich kurzen Romans (160 Seiten) gerührt, betroffen, angeekelt, unfassbar wütend oder einfach nur fassungslos.

Wir begleiten die verschiedenen Dorfbewohner in ihrem Alltag und können somit selber relativ schnell hinter ihre Fassaden blicken. Man ist den Geschehnissen deshalb immer einen Schritt voraus, was diese aber nicht weniger spannend oder bedrückend macht.

Als namensgebende Hauptfigur dreht sich der Roman um die Schönheit der Rosalind Bone, welche vor Jahren ohne jegliche Mitteilung aus dem Dorf verschwand und nie wieder gesehen wurde. Trotzdem nimmt sie selber neben all den anderen Figuren nur eine Nebenrolle ein, um die sich ihr Mythos dreht.

Ich würde an dieser Stelle wirklich gerne tiefer in den Inhalt und die ganze Tragik um die Figur Rosalind einsteigen, kann dies aus Spoilergründen allerdings nicht machen. Trotz Leserunde habe ich noch immer so viel Redebedarf zu diesem Buch, was für mich der Indikator ist, wie gut mir die Geschichte gefallen hat.

Lediglich eine Triggerwarnung hat mir gefehlt, die ich deswegen ausdrücklich für dieses Buch ausspreche. Es werden einige schwierige Themen behandelt, wer da spezielle Punkte hat, kann sich gerne bei mir erkundigen, ich werde nach bestem Wissen Auskunft geben.

Das Ende hat die Geschichte für mich gut abgerundet und mich nach diesen vielen erdrückenden Momenten etwas erleichtern können. Nachdenklich bin ich jetzt noch einige Tage nach Beenden des Buches und das wird auch noch einige Zeit anhalten. Somit gibt es von mir eine eindeutige Leseempfehlung, wenn sich über die schweren Thematiken bewusst gemacht wurde.

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Veröffentlicht am 15.05.2024

Eindrücke einer anderen Welt

Die Tage des Wals
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“Die Tage des Wals” von Elizabeth O’Connor spielt 1938 auf einer walisischen Insel und wir erleben den harten Alltag, den Gezeiten ausgesetzt und geprägt von einer rauen Abhängigkeit zum Meer, der achtzehnjährigen ...

“Die Tage des Wals” von Elizabeth O’Connor spielt 1938 auf einer walisischen Insel und wir erleben den harten Alltag, den Gezeiten ausgesetzt und geprägt von einer rauen Abhängigkeit zum Meer, der achtzehnjährigen Manod, die von einem Leben und Studium auf dem Festland träumt. Dann wird im Herbst ein Wal an den Strand gespült und zeitgleich tauchen zwei Ethnographen Oxfords auf der Insel auf, die mit Manod als Übersetzerin die kulturellen Eigenheiten der Insel untersuchen. Inspiriert ist die Geschichte mitunter auch deutlich durch “Die Männer von Aran” von Robert J. Flaherty und die Kritik an der Dokumentation.


Manod als Protagonistin fand ich sehr spannend, auch wenn sie immer über allen anderen Inselbewohnern zu stehen scheint. Sie ist zwischen ihrem Traum und ihrer (Mit-) Verantwortung gegenüber ihrer Familie gefangen. Ihre Art, die Welt um sich herum wahrzunehmen und zu beschreiben fand ich schön, wenn auch der Schreibstil mir mal sehr, mal gar nicht zusagte. Ich denke, es soll zum Teil ungeschönt realistisch geschrieben sein, was auf mich aber nicht authentisch und aufgesetzt klingt. Dies könnte aber auch mit der Übersetzung zusammenhängen. Trotzdem konnte die Geschichte trotz ihrer eher nüchternen Erzählweise am Ende doch einige Emotionen in mir auslösen.


Der Titel "Die Tage des Wals” charakterisiert dabei den Zeitraum, in dem wir Manod begleiten. Eigentlich als Kernelement der Geschichte nimmt er doch eigentlich nur eine kleine, dazu durch seinen (Wesens-) Zustand ebenfalls eine passive Rolle ein. Für mich symbolisiert er den Verlauf der Geschichte, wie auch die Umstände der Insel und des Weltgeschehens um die Insel herum.


Das Buch spielt in einer Zeit, die uns Deutschen bestens vertraut sein sollte und es werden auch immer wieder Verweise auf den nahenden Kriegsbeginn gemacht. Spannend ist hierbei die Perspektive, da auf der abgelegenen Insel das Leben seinen gewöhnlichen Gang nimmt und sie nur vereinzelt Nachrichten vom Festland erhalten. Trotzdem ist dies auch auf der Insel mit fortschreitender Handlung immer deutlicher spürbar.


Ein Aspekt, der ebenfalls eine große Rolle spielt, ist die (Aber-) Gläubigkeit der Inselbevölkerung. Nicht zuletzt durch die Ethnologen spielen Sagen, Volksmärchen und Erzählungen eine große Rolle in der Geschichte und die Inselbewohner deuten in jede kleinste Ungewöhnlichkeit Fluch oder Segen. So bekommt auch der Wal eine eigene, wenn auch nicht ganz eindeutige, Bedeutung.


Das Ende ist eher offen, hat aber gut in die Geschichte gepasst und konnte mich nachdenklich machen. Trotzdem hätte ich mir durchaus vorstellen können, Manod noch weiter zu verfolgen, da sie doch eine gewisse Faszination in mir ausgelöst hat.

Von mir definitiv eine Empfehlung.

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