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Veröffentlicht am 16.01.2017

Waschen, schneiden und verkuppeln ...

Das Schicksal wartet beim Friseur - Waschen schneiden lieben
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"Das Schicksal wartet beim Friseur" von Anna Jansson ist 2016 bei btb erschienen.

Zum Inhalt: Die Autorin Anna Jansson schreibt sonst eher Kriminalromane, die auch verfilmt worden sind. Hier erzählt sie ...

"Das Schicksal wartet beim Friseur" von Anna Jansson ist 2016 bei btb erschienen.

Zum Inhalt: Die Autorin Anna Jansson schreibt sonst eher Kriminalromane, die auch verfilmt worden sind. Hier erzählt sie über Angelika Lagermark, eine leidenschaftliche Friseurin Ende vierzig und seit sieben Jahre Witwe, die in ihrem eigenen Salon nicht nur Haare schneidet, sondern so ganz nebenbei auch noch ihre Kundinnen und Kunden verkuppelt. Das läuft auch ganz wunderbar, bis Angelika eines Tages Opfer eines Betrügers wird. Dieser verkauft sowohl ihr Haus, als auch teilweise die Häuser der anderen Bewohnern von Visby im Internet. Und auf einmal ist sie sich auch nicht mehr sicher, ob dieser Betrüger nicht sogar der Mann ist, in den sie sich Hals über Kopf verliebt hat…..

„In den sieben Jahren, die ich den Salon d`Amour nun schon betreibe, habe ich nicht weniger als sechsundzwanzig Brautpaare zusammengebracht. Ich habe zu Hause auf dem Klavier ein Album liegen.“

Angelika und ihr Mitarbeiter Ricky lieben es, ihre Kundinnen und Kunden zu verkuppeln. Dafür haben sie sich ein eigenes System ausgedacht, nach dem sie Männlein und Weiblein einteilen und ihnen dann möglichst zeitgleich Termine zum Waschen, schneiden, föhnen geben. Und durch dieses System werden hier alle Protagonisten zu Hauptpersonen. Nicht nur die Besitzerin und ihr Mitarbeiter werden überaus plastisch geschildert, sondern eben auch die zu verkuppelnden Personen stehen vor meinem inneren Auge Spalier. Jeder strahlt eine gewisse Persönlichkeit aus, ob verschroben, skurill, liebenswert oder abstoßend.

Dadurch wird das Buch lebendig und faszinierend mit einem großen Hauch von augenzwinkerndem Humor. Und dann kommt noch die Spannung hinzu, die aber auch eher leicht daher kommt. Trotzdem fragt man sich: Wer ist wohl Sindbad, der unbekannte E-Mail-Schreiber? Und wer ist der Betrüger, der die Menschen um ihr Hab und Gut bringt? Ist es tatsächlich der Unbekannte, in den sich Angelika verliebt?

„In vielerlei Hinsicht tut es weniger weh, das Leben der anderen zu leben, statt sich über das eigene den Kopf zu zerbrechen, wenn ohnehin alles Schiffbruch erlitten hat. Es ist kein einziger Tag vergangen, an dem ich nicht an Joakim gedacht hätte, die Liebe meines Lebens, meinen Mann.“

Jansson ist hier ein ganz wundervoller Schmöker gelungen, voller Humor und Leichtigkeit geschrieben. Ein perfektes Buch zum Abschalten, wenn die Tage – so wie jetzt – nass und grau sind und man ein wenig Helligkeit und ein Lächeln braucht ….

Veröffentlicht am 16.01.2017

Ein Highlight ...

Libellen im Kopf
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"Libellen in meinem Kopf" von Gavin Extence ist 2016 im Limes Verlag erschienen.

Zum Inhalt: Eigentlich wollte sich Abby bei ihrem Nachbarn bloß eine Dose Tomaten für ihr Abendessen ausleihen. Statt dessen ...

"Libellen in meinem Kopf" von Gavin Extence ist 2016 im Limes Verlag erschienen.

Zum Inhalt: Eigentlich wollte sich Abby bei ihrem Nachbarn bloß eine Dose Tomaten für ihr Abendessen ausleihen. Statt dessen findet sie diesen tot in seiner Wohnung. Eigentlich schockiernd, doch Abby bleibt zunächst seltsam ungerührt. Letztendlich löst dieses Ereignis jedoch einen Schub ihrer manisch-depressiven, bipolaren Erkrankung aus.

Der Autor leidet selbst an einer leichten bipolaren Störung und verarbeitet in seinem Roman seine eigenen Erlebnisse. Und so schafft er es, uns Lesern Abbys Höhenflüge und Abstürze ungemein nahe zu bringen.

Aus einem Brief von Abbys Freund Brett, der an sie gerichtet ist: „Du hast mir einmal gesagt, dass eine Depression ein durch und durch selbstsüchtiger Zustand ist, der dir die Fähigkeit raubt, dich auf irgendetwas jenseits des Nebels in deinem Kopf einzulassen. Du kannst nichts nach außen weitergeben, alle Energie und jegliches Gefühl sind nach innen gerichtet. Es gibt nur diesen Abgrund. Und diese leere Hülle, mit der man nicht reden, die man nicht trösten kann. ….. Die Energie wandelt sich in Hyperaktivität, in Risikobereitschaft, Genusssucht, den Drang zur Selbstzerstörung.“

In eindringlichen Sätzen schreibt Extence über Abby und einen Ausschnitt in ihrem Leben, beginnend mit dem Tod des Nachbarn. Man lebt mit ihr auf, freut sich über ihre Kreativität und Aktivität und weiß doch genau, dass sie sich hyperaktiv auf ihren Absturz zu bewegt – und leidet mit ihr. Nach einem schockierenden Erlebnis in einem Hotel lässt Abby sich einweisen und hier beginnt zögernd ihre Auseinandersetzung mit ihrer Krankheit.

Auch sprachlich vermittelt der Autor dem Leser ein Gefühl dafür, in welcher Phase Abby sich gerade befindet. Und man erahnt ein leises Gefühl, was Menschen mit einer bipolaren Störung erfühlen.

„Es ist, als ob man in einer vollkommenen kleinen Blase existieren würde. Alles kommt einem leicht vor, nichts kann einem schaden.“

Und auf die Frage, was dann kommt, antwortet sie: „Als wäre ich beraubt worden.“ „Stellen sie sich vor, sie erleben einen herrlichen, sonnigen Tag. Sie sind irgendwo, wo es schön ist. An einem Strand vielleicht. Sie fühlen die Sonne auf ihrem Gesicht und ihren Armen und den warmen Sand unter ihren Füßen……Aber dann schieben sich ganz langsam dunkle Wolken vor die Sonne. Das Licht und die Wärme verblassen, die Farben sickern aus der Welt heraus, und allmählich verändert sich die Landschaft. Jetzt ist nichts mehr klar. …. Die Wolke erstreckt sich bis in die Unendlichkeit, bis zum Horizont und darüber hinaus.“

Als Leser ist man ganz dicht bei den Hauptpersonen. Natürlich vor allem bei Abby, aber auch die Verzweiflung und Hilflosigkeit ihres Freundes Brett wird deutlich spürbar.

Was für ein Buch! Definitv ein Highlight! Es packt und schüttelt mich und lässt mich nicht mehr los. Ich denke darüber nach, blättere in meinen Notizen und lese die von mir markierten Textstellen. Ich werde dieses Buch ganz bestimmt noch mal lesen.

Ein berührendes und authentisches Buch, das ein schweres Thema behandelt, dabei aber überhaupt nicht schwer ist ….

Veröffentlicht am 16.01.2017

Ein wunderbarer Schmachtfetzen ...

Morgen kommt ein neuer Himmel
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"Morgen kommt ein neuer Himmel" von Lori Nelson Spielman ist 2014 bei Fischer Krüger erschienen.

Zum Inhalt: Brett ist zutiefst traurig, als ihre Mutter nach kurzer und schwerer Krankheit stirbt. Und ...

"Morgen kommt ein neuer Himmel" von Lori Nelson Spielman ist 2014 bei Fischer Krüger erschienen.

Zum Inhalt: Brett ist zutiefst traurig, als ihre Mutter nach kurzer und schwerer Krankheit stirbt. Und dann auch zunehmend verwirrt, als sie bei der Testamentseröffnung erfährt, dass nicht sie, sondern ihre Schwägerin die Leitung der großen Firma für Naturkosmetik übernimmt. Und schließlich soll sie auch noch innerhalb von einem Jahr Lebensziele erfüllen, die sie mit 14 Jahren mal aufgeschrieben hat. Dabei hat sie doch eigentlich mit Freund, Job und schicker Wohnung schon viel erreicht. Zumindest sieht sie es bis dahin so. Andererseits würde ansonsten ihr Erbe flöten gehen und so manche Ziele von damals klingen ja doch recht interessant …..

„Werde ich je damit leben können, den Menschen in meinem Leben zu vermissen, der mich bedingungslos geliebt hat?“

Hier ist nichts neues zu erwarten – es geht um die klassische Geschichte von „Wer bin ich und was will ich eigentlich wirklich vom Leben?“ Diesmal eben mit Hilfe einer Liste von früheren Lebenszielen, die Brett innerhalb eines Jahres erfüllen muss, um ihr Erbe antreten zu können. Da wäre dann so etwas leichteres, wie Anschaffung eines Hundes oder eine alte Freundschaft wieder aufleben lassen. Aber die Beziehung zu ihrem Vater kitten, der schon seit einigen Jahren tot ist oder ein Baby bekommen – das klingt schon etwas schwieriger. Aber weil Brett das klassische nette Mädchen von nebenan ist, stellt sie sich den Herausforderungen. Ob sie es schaffen wird, mit Hilfe alter und neuer Freunde, ihre eigentlichen Ziele und sich selbst wieder zu finden? (Ich glaube, diese Frage kann sich jeder selber beantworten….)

Sprachlich und inhaltlich ist dieses Buch bestimmt kein Überflieger, strotzt teilweise nur so vor Klischees und ist m. M. nach absolut vorhersehbar.

Aber entgegen all meinem „Gemecker“ fand ich das Buch nicht schlecht.
Manchmal brauche ich sowas: Kitschig, weichgespült, vorhersehbar – kurz, ein Schmachtfetzen. Wenn um mich herum alles grau ist, nicht nur äußerlich, sondern vor allem auch innerlich. Dann will ich nichts schweres oder nachdenkliches. Dann lese ich, ohne großartig darüber nachdenken zu müssen. Und genieße es….

Veröffentlicht am 16.01.2017

Wenn dein Kind verschwindet ....

Anders
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"Anders" von Anita Terpstra ist 2016 bei Blanvalet erschienen.

Zum Inhalt: Eine ganz normale, glückliche Familie – bestehend aus Alma, ihrem Mann Linc und den Kindern Iris und Sander. Doch eines Tages ...

"Anders" von Anita Terpstra ist 2016 bei Blanvalet erschienen.

Zum Inhalt: Eine ganz normale, glückliche Familie – bestehend aus Alma, ihrem Mann Linc und den Kindern Iris und Sander. Doch eines Tages verschwindet der elfjährige Sander aus einem Ferienlager und sein Freund wird tot aufgefunden. Sechs Jahre später taucht ein junger Mann auf, der behauptet, er sei der verschwundene Sander. Zunächst scheinen alle überglücklich, doch dann tauchen Zweifel und Fragen auf …..

„Alma kam es vor, als befänden sie und Iris sich im Auge eines Orkans, und alles um sie herum würde sich drehen. Ohne Richtung, ohne Ziel. … Aber auch sie waren der zerstörerischen Kraft ausgeliefert, die Leben ohne Vorwarnung von einer Minute zur anderen zugrunde richtete.“

Das ist der Albtraum einer jeden Familie – dein Kind verschwindet. Die Autorin schafft es meisterhaft zu verdeutlichen, wie sich die einzelnen Familienmitglieder damit fühlen und zurecht finden. Dabei kommt dieser Thriller recht leise daher. Er ist weder blutrünstig noch actionreich. Tatsächlich nimmt er in meinen Augen erst kurz vor Schluß Tempo auf und endet sehr abrupt.

Was mir gut gefallen hat, ist die Zeichnung der einzelnen Charaktere mit all ihren Facetten und Abgründen und wie unterschiedlich jeder der Familie mit dem Verschwinden von Sander umgeht. Dabei ist mir Alma, die Mutter, tatsächlich unsympathisch. Bei ihr dreht sich alles um Sander: Als er noch da ist, als er weg ist und auch als er wieder auftaucht. Ihre erstgeborene Tochter läuft eher am Rande mit und wird mit ihren Ängsten überhaupt nicht ernst genommen. Das dritte Kind wird erst nach Sanders Verschwinden gezeugt und geboren – hier drängt sich mir der Verdacht des „Ersatzkindes“ auf.

Auch die Beziehungen der Familie untereinander wird sehr deutlich und fast schon psychologisch gezeichnet. Und auch die Situationen, als Sander zurück ist und bei allen Familienmitgliedern Zweifel an ihm wach werden, werden durch Rückblenden hervorragend geschildert. Die Fragen, die sich alle stellen oder wenn sie anfangen, den Sander von früher und den von jetzt gegenüberzustellen, Bilder nebeneinander legen und Charakterzüge vergleichen. Da erst wird deutlich, wie tief die Abgründe bei Sander selbst sind.

Gerade dieses psychologische und genau gezeichnete macht für mich dieses Buch aus. Ansonsten war es mir in einigen Dingen zu sehr vorhersehbar und auch die Stimmung des Buches konnte mich nicht vollkommen überzeugen. Vielleicht habe ich auch schon zu viele Thriller mit ähnlicher Thematik gelesen, die einfach besser und packender waren.

Wer allerdings einen ruhigen Thriller sucht, der das Hauptaugenmerk auf die psychologische Darstellung der einzelnen Figuren legt, der ist bei diesem Buch genau richtig und wird bestimmt gefesselt sein.

Veröffentlicht am 16.01.2017

Ein absolutes Highlight ...

Vom Ende der Einsamkeit
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"Vom Ende der Einsamkeit" von Benedict Wells ist 2016 im Diogenes Verlag erschienen.

Zum Inhalt: Jules und seine beiden älteren Geschwister Marty und Liz verlieren im Kindesalter ihre Eltern durch einen ...

"Vom Ende der Einsamkeit" von Benedict Wells ist 2016 im Diogenes Verlag erschienen.

Zum Inhalt: Jules und seine beiden älteren Geschwister Marty und Liz verlieren im Kindesalter ihre Eltern durch einen Autounfall. Jeder der drei versucht bis ins Erwachsenenalter hinein, auf seine ganz eigene, unterschiedliche Weise mit dem Verlust, der Einsamkeit und den sich daraus ergebenen Veränderungen zurecht zu kommen.

„Doch noch immer sprach ich nie über meine Eltern. Mein sehnlichster Wunsch war es, keine verdammte Waise mehr zu sein, sondern einfach nur normal. Ich ließ die Erinnerungen an meine Eltern gut verschnürt in einer Ecke meines Bewusstseins verstauben …“

Ich habe erst im Nachhinein gelesen, dass Wells großes Vorbild John Irving ist. Hätte ich das gewußt, hätte ich dieses Buch vielleicht nie gelesen (weil ich Banause Irving nicht mag) und wer weiß, was mir dann entgangen wäre….

Dieses Buch ist wie eine Reise und nimmt uns mit auf den Lebensweg von Jules – dem Ich-Erzähler – und seinen Geschwistern, die so ganz unterschiedlich mit dem Tod ihrer Eltern umgehen. Und es macht deutlich, dass – obwohl jeder der drei den gleichen Verlust erlitten hat – jeder einen anderen Weg geht, um dies zu verarbeiten. Erzählt wird in Rückblenden von der Kindheit der drei bis hin zur Gegenwart. Dabei gibt es keinen roten Faden oder eine wirklich chronologische Reihenfolge der Ereignisse. Statt dessen sind es eher Momentaufnahmen, die Wells beschreibt – Momentaufnahmen, die besonders für Jules in seinem Leben wichtig waren.

Gleichzeitig wird die Liebesgeschichte zwischen Jules und Alva erzählt, die so voller Liebe und Traurigkeit ist, ohne dass sie sentimental oder kitschig wird.

„Vom Ende der Einsamkeit“ ist ein leises Buch, das trotz der großen Dramatik, die die Kinder erleben müssen, ohne Dramatik rüber kommt, sondern das Leid und die Entwicklung mit einfühlsamen, stillen Worten beschreibt. Wells schreibt melancholisch, voller Poesie und erfasst so die Tiefe seiner Protagonisten.

Und das hat mich mitgerissen, und zum Lachen und zum Weinen gebracht. Es ist emotional und bewegend. Dies ist ein Roman über den Tod und auch über eine wundervolle Liebe. Vor allem ist es aber ein Buch über das Leben, über das Überwinden von Schmerz und die Versöhnung mit der Vergangenheit und mit sich selbst.

„Noch stärker als meine Geschwister habe ich mich gefragt, wie sehr mich Ereignisse aus meiner Kindheit und Jugend bestimmt haben, und erst spät habe ich verstanden, dass in Wahrheit nur ich selbst der Architekt meiner Existenz bin. Ich bin es, wenn ich zulasse, dass meine Vergangenheit mich beeinflusst, und ich bin es umgekehrt genauso, wenn ich mich ihr widersetze. Und ich muss nur an die Momente mit Alva und meinen Kindern denken, um zu begreifen: Dieses andere Leben, in dem ich nun schon so deutliche Spuren hinterlassen habe, kann gar nicht mehr falsch sein. Denn es ist meins.“

Benedict Wells habe ich ab sofort ganz oben auf meiner Liste grandioser Wortvirtuosen und ich kann dieses Buch wirklich nur von ganzem Herzen empfehlen.