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Veröffentlicht am 16.01.2017

Was für ein berührendes Buch

Tage mit Sam
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"Tage mit Sam" von Keith Stuart ist 2016 im Manhattan Verlag erschienen.

Zum Inhalt: Keith Stuart, selber Vater zweier Kinder, von denen eines Autist ist, verarbeitet in diesem Roman seine eigenen Erlebnisse.
Alex ...

"Tage mit Sam" von Keith Stuart ist 2016 im Manhattan Verlag erschienen.

Zum Inhalt: Keith Stuart, selber Vater zweier Kinder, von denen eines Autist ist, verarbeitet in diesem Roman seine eigenen Erlebnisse.
Alex liebt seine Frau Jody und seinen achtjährigen Sohn Sam, allerdings verkriecht er sich in Arbeit und Überstunden. Zum einen, um sich nicht mit dem Autismus seines Sohnes auseinander zu setzen, zum anderen fühlt er sich immer noch schuldig an dem Tod seines älteren Bruders, der als Kind durch einen Unfall ums Leben kam. Als Jody ihn allerdings vor die Tür setzt, ist Alex gezwungen, sich einigen Dingen zu stellen. Und als er mit Sam zusammen das Spiel Minecraft auskundschaftet, entdecken die zwei einen Ort, an dem sie zueinander finden können….

Zunächst muss ich sagen: Das, was in diesem Buch beschrieben ist – nämlich die Annäherung zu seinem autistischen Kind über ein Videospiel – funktioniert bestimmt nicht bei jedem Autisten. Und diese Aussage fehlt mir zumindest schon mal (Allerdings kenne ich auch keine autistischen Menschen – es mag also sein, dass ich mich auch irre).

Ansonsten habe ich dieses Buch verschlungen. Es ist ein berührender Roman über einen Mann, der verzweifelt versucht, mit sich selbst ins Reine zu kommen und seine Familie nicht zu verlieren. Es ist authentisch und gewährt einen Einblick in eine Familie, in der eben nicht alles rund läuft. Hier gibt es keine Bilderbuch-Vorzeige-Familie, sondern es wird schonungslos ehrlich über das kräftezehrende Miteinander erzählt, wobei Stuart seinen ganz eigenen Humor in die Geschichte webt.

Über das Spiel Minecraft findet Alex endlich Zugang zu seinem Sohn, den er zwar liebt, aber weder versteht noch mit ihm umzugehen weiß.

„Und während wir so voll und ganz in Minecraft versunken sind, wird mir auf einmal etwas klar. Wenn wir uns mit anderen Spielen beschäftigen, fühlt es sich in den kostbaren Momenten, wo er überhaupt bereit ist, sich zu konzentrieren, immer so an, als wären wir gemeinsam einsam: ich sehe ihm dann zu, sage ihm, was er tun soll, und mache mir dauernd Sorgen. …. Aber bei diesem Spiel fühlt es sich ein paar Stunden lang so an, als würden wir tatsächlich etwas zusammen machen …“

Auf einmal entsteht ein Miteinander, ein Verständnis auf gleicher Ebene.

„Plötzlich muss ich an The King´s Speech denken, diesen Kinofilm über George VI., der sein Stottern dadurch überwand, dass er beim Sprechen Musik hörte. Vielleicht lenkt dieses seltsame Blockspiel Sam auf ganz ähnliche Weise ab. Vielleicht ist Minecraft ja seine Musik.“

Und über diese Einsichten und das zögerliche Annähern von Vater und Sohn, nähert Alex sich selbst auch wieder an, akzeptiert vergangenes und vor allem das, was gerade ist. Das ist wie ein leiser Befreiungsschlag.

Und schließlich begreift Alex:

„Und auf einmal trifft mich die seltsame und auch schockierende Erkenntnis, dass Sam ein Mensch ist – ein selbstständiges Individuum, unabhängig von mir und auch von Jody. Er ist kein Problem, das gelöst werden muss, kein lästiger Punkt auf meiner täglichen To-Do-Liste, den ich abhaken muss. … Ich kann nicht fassen, wie leicht es mir gefallen ist, das so lange zu übersehen und stattdessen jeden Tag als Schlacht zu begreifen, als Kampf mit dem Autismus …. Sam ist nicht bloß etwas, das mir zugestoßen ist.“

Und über diese Erkenntnis beginnt die Heilung….

Ein wunderbares Buch und ein sehr intensives Leseerlebnis!

Veröffentlicht am 16.01.2017

Tränen und Lächeln garantiert

Die Geschenke meiner Mutter
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Das Buch "Die Geschenke meiner Mutter" ist 2016 im Penguin Verlag erschienen.

Zum Inhalt: Die Mutter der Autorin, die an Alzheimer erkrankt ist, muss ins Pflegeheim. Beim Ausräumen des Elternhauses findet ...

Das Buch "Die Geschenke meiner Mutter" ist 2016 im Penguin Verlag erschienen.

Zum Inhalt: Die Mutter der Autorin, die an Alzheimer erkrankt ist, muss ins Pflegeheim. Beim Ausräumen des Elternhauses findet Cecilie Zettel, auf denen die Mutter über viele Jahrzehnte alle Weihnachtsgeschenke aufgelistet hat, die gegeben und genommen wurden. Damit werden bei Cecilie teilweise lang vergessene Erinnerungen ausgelöst: Erinnerungen an geliebte Menschen, Schicksalsschläge, Glücksmomente.

Schon nach dem ersten Kapitel hat mich dieses autobiografisch angelegte Buch gepackt.

Zunächst muss ich ja sagen, dass das irgendwie mein Albtraum ist! Mal abgesehen von einer möglichen Alzheimer-Erkrankung denke ich nur mit Schrecken an den Zeitpunkt, wenn der Große, der Nachzügler und ich einmal die Häuser oder Wohnungen unserer Eltern leer räumen müssen. Und es ist so, wie Enger schreibt:

"Es ist, wie Seiten aus einem Tagebuch zu reißen. Es ist nicht nur ein Leben, das weggeworfen oder aufgeteilt wird, sondern mehrere."

Die Listen, die Cecilie findet, lassen sie in Erinnerungen eintauchen. Und die Geschenke, die auf den Listen aufgeführt sind, stehen quasi als Synonym dafür, wie reich man im Leben beschenkt wird. Und auch Cecilie bekommt durch diese Listen so viel geschenkt - nicht nur die Erinnerungen ihrer Mutter, sondern auch ihre eigenen kommen wieder hoch. Und dadurch schafft sie es, sich auch mit der Krankheit ihrer Mutter zu versöhnen.

"Als könnte sie ihre Sehnsucht berühren", beschreibt sie ihr Gefühl, wenn sie die Listen liest. Sehnsucht nach Wissen, Vergangenem, unwiderruflich verlorenem. Aber eben auch Aussöhnung. Wissen, was man hatte und hat.

Das lässt mich im positiven Sinne fassungslos mit durchnässten Taschentüchern zurück.

"Alle wissen, dass es eines Tages passieren wird. Es ist natürlich, den Tod unserer Eltern zu erleben. Aber wenn es so weit ist, ist es doch ganz anders als das, worauf man sich vorbereitet hat. Es ist eine leere Trauer, man fühlt sich wie ein verlassenes Kind und ist doch erwachsen. Es ist die Wehmut über eine verlorene Zeit, die Reue darüber, was gesagt und nicht gesagt wurde und die Dankbarkeit über alles, was schön war!"

Eine absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 16.01.2017

Frostiger Oberkitsch ...

Das Frostmädchen
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"Das Frostmädchen" von Stefanie Lasthaus ist 2016 im Heyne Verlag erschienen.

Zum Inhalt: Die zwanzigjährige Neve flieht nach einem Streit mit ihrem Freund Gideon, der handgreiflich endet, in die winterlichen ...

"Das Frostmädchen" von Stefanie Lasthaus ist 2016 im Heyne Verlag erschienen.

Zum Inhalt: Die zwanzigjährige Neve flieht nach einem Streit mit ihrem Freund Gideon, der handgreiflich endet, in die winterlichen Wälder von Kananda. Dort wird sie von dem Künstler Lauri gefunden. Schnell entwickelt sich zwischen den zweien eine Liebesgeschichte. Doch Neve ist nicht mehr sie selbst – irgendwas ist in der kalten Winternacht mit ihr passiert, das sie zu einem Spielball zwischen Magie und Liebe werden lässt.

Das wunderschönes Cover hat mich angesprochen und auch der Klappentext klang vielversprechend. Und nach einem sehr guten, starken Start verflacht das Buch leider ganz schnell ins Oberkitschige.

Zunächst finde ich es inhaltlich mehr als unrealistisch, dass Neve, nachdem sie sich von ihrem Freund hat schlagen lassen, keine 24 Stunden später total in love mit einem anderen Mann rum macht.Trotz der auf jeder zweiten Seite erwähnten magischen Anziehungskraft zwischen Neve und Lauri ist mir das einfach zu viel. Ebenso wie das Gesäusel und Geschmachte und die ewigen Wiederholungen, wie schwach Neve doch ist, aber dabei so anziehend… Überhaupt strotzt das Buch vor Wiederholungen, ob es die angesprochene Anziehungskraft ist oder die Charakterisierung der Protagonisten oder die Beschreibung der Natur. Immer wieder gleichen sich Wortwahl und Satzbau und macht das ganze in meinen Augen unendlich langweilig.

Auch der weitere Inhalt ist mir einfach viel zu weit hergeholt (Achtung Spoiler: Zum Mittel zum Zweck hüpft Neve doch fix noch mal mit ihrem Ex-Freund in die Kiste und keine Stunde später wieder mit dem anderen ….)

Die magischen Elemente sind mir zu sehr abgekupfert und erinnern mich an russische Wintermärchen, allerdings ohne deren Charme und Intensität. Alles wirkt irgendwie flach und unbelebt.
Schade – dieses Buch hat mich sehr enttäuscht.

Veröffentlicht am 16.01.2017

Für ein besseres Verständnis ...

Wenn Töchter erwachsen werden
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"Wenn Töchter erwachsen werden" von Lisa Damour ist 2016 im Kösel Verlag erschienen.

Die Autorin Lisa Damour, selber Mutter zweier Töchter, ist Doktor der klinischen Psychologie in Ohio, hat eine eigene ...

"Wenn Töchter erwachsen werden" von Lisa Damour ist 2016 im Kösel Verlag erschienen.

Die Autorin Lisa Damour, selber Mutter zweier Töchter, ist Doktor der klinischen Psychologie in Ohio, hat eine eigene Praxis, hält Vorträge zu Erziehung und kindliche Entwicklung und hat auch schon zahlreiche wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht.

In dem vorliegenden Buch schreibt sie über Mädchen im Teenageralter und deren, oft unvorhersehbares Verhalten. Basierend auf Forschungen von Anna Freud beschreibt sie sieben Stufen in der pubertären Entwicklung, die Mädchen notwendigerweise durchlaufen müssen, um selbstständig und unabhängig von ihren Eltern zu werden. Dabei bereitet sie Eltern darauf vor, was sie erwartet und gibt Anregungen, wie man mit seinen Töchtern im Gespräch bleiben kann und wo man eingreifen muss. Damour hilft, Mädchen in der Pubertät zu verstehen und zu stärken, ohne die Nerven zu verlieren.

Damour ist hier ein wirklich sehr gut geschriebenes, leicht verständliches Buch gelungen, das mit Fallbeispielen aus ihrer Praxis geschmückt ist, so dass hier jeder Verhaltensweisen seiner Töchter wiederfinden kann.

Gleich im ersten Kapitel fand ich meine Tochter wieder – beschrieben wird das Verhalten eines 14jährigen Mädchens, das bis vor kurzem noch viel mit den Eltern zusammen gemacht hat. Nun aber kommt sie von der Schule nach Hause, isst und verzieht sich dann mit ihrem Handy auf ihr Zimmer, Türe zu und bloß nicht reden. Das war auf eine so nette, liebenswerte Art dargestellt, dass ich lachen musste.

Auch im folgenden greift die Autorin auf sehr viele Fallbeispiele zurück. Das macht das ganze leicht zu lesen und bringt einem die Probleme und Verhaltensweisen der pubertierenden Mädels näher. Und so möchte Damour auch nicht vor-, sondern be-schreiben und wirbt um Verständnis. Sie bringt Licht in das manchmal verwirrende und komplizierte (und tatsächlich auch oftmals nervende) Auftreten unserer Töchter.

Dabei wirbt Damour aber auch für Respekt für die Mädchen, für die ganzen Übergänge und Hürden, die diese auf ihrem Übergang zum Erwachsenwerden leisten.

Besonders gut hat mir gefallen, dass die Autorin am Ende eines jeden Kapitels einen Abschnitt unter dem Titel „Wann sie sich Sorgen machen müssen“ bereit hält. Ob Thema Magersucht, Bulimie, Mobbing, Selbstverletzung, Internet etc. – Damour gibt Tipps, wo Eltern hellhörig werden und handeln müssen.

Ein ganz wunderbares Buch für alle Eltern mit pubertierenden Töchter – jetzt brauchen wir den Kontakt zu unseren Töchtern nicht zu verlieren, sondern haben die Chance, diese neu kennen zu lernen.

(Und im übrigen kann man auch so einiges auf Söhne übertragen …)

Veröffentlicht am 16.01.2017

Was für ein wunderschönes Buch!

Das Museum der Pflanzen
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"Das Museum der Pflanzen" von Katie Scott und Kathy Willis ist 2016 im Prestel Verlag erschiene.

Zum Inhalt: Katie Scott ist die Meisterin der Naturillustrationen. In diesem außergewöhnlichen Buch präsentiert ...

"Das Museum der Pflanzen" von Katie Scott und Kathy Willis ist 2016 im Prestel Verlag erschiene.

Zum Inhalt: Katie Scott ist die Meisterin der Naturillustrationen. In diesem außergewöhnlichen Buch präsentiert sie uns die prächtigsten Pflanzen unserer Erde, die sie fast fotografisch detailliert gezeichnet hat. Über Bäume und Sträucher, Algen, Pilze, Blumen und Gräser kann man hier alles mögliche entdecken. Die Biologin Kathy Willis liefert dazu passende Hintergrundinformationen.

„Tritt ein und erforsche das Königreich der Pflanzen mit all seiner Blütenpracht!“ (Klappentext)

Allein das große Format beeindruckt inklusive der beeindruckenden Illustrationen, die einem schon auf dem Buchdeckel entgegen springen.

Dies ist nicht nur ein Bildband, sondern gleichzeitig ein Buch über die Entstehungsgeschichte der Pflanzen. Wie in einem richtigen Museum betritt man „Säle“ (Kapitel), in denen man einer Zeitreise gleich, zunächst zu den Anfängen des pflanzlichen Lebens reist und erkundet, wie sich welche Pflanzen verändert haben.

„Dies ist kein gewöhnliches Museum. Stell dir vor, du könntest durch alle Felder, Wälder und Blumenwiesen dieser Welt streifen. Wie wäre es, wenn du die schönsten, exotischsten und eigenartigsten Pflanzen an einem einzigen Ort bewundern oder auf eine Zeitreise zu den Anfängen des Lebens auf unserem Planeten gehen könntest? All das kannst du erleben – auf den Seiten des Museums der Pflanzen!“

Unterteilt in gut strukturierte Kapitel findet man jeweils auf einer Seite wunderschöne Illustrationen von Katie Scott und auf der anderen Seite Informationen zu diesen. Scott schafft es, ihren Illustrationen Leben einzuhauchen. Farbenfroh und verspielt und doch real und detailgetreu kommen sie daher. Das ganze Buch lebt von diesen Illustrationen. Die Informationen von Willis erschlagen nicht, sondern sind knapp und informativ gehalten. Auch zu den Lebensräumen der jeweiligen Pflanzenarten und -familien finden sich Informationen.

Ein traumhafter Bildband und ein perfektes Weihnachtsgeschenk für alle Pflanzen- und Naturliebhaber, zum Schmökern, Blättern, Versinken, auf-sich-Wirken-lassen.

Ich bin restlos begeistert!