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Veröffentlicht am 11.10.2019

Trumps Sprache

Die Sprache des Donald Trump
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Wir alle können jeden Tag in den Nachrichten davon hören, was Donald Trump wieder einmal gesagt hat. Oft ist das nicht nachvollziehbar. Trumps Eskapaden sind zu krude, was er sagt ergibt für vernünftige, ...

Wir alle können jeden Tag in den Nachrichten davon hören, was Donald Trump wieder einmal gesagt hat. Oft ist das nicht nachvollziehbar. Trumps Eskapaden sind zu krude, was er sagt ergibt für vernünftige, klardenkende Menschen keinen Sinn bzw. man ist von der Bösartigkeit und Unverschämtheit des gesagten nahezu schockiert. Bérengère Viennot ist eine Übersetzerin von Reden. Schon Obama hat sie ins Französische übersetzt, Trump auch und sie gibt einen Überblick in Trumps Sprache. Vieles ist einen natürlich noch im Gedächtnis, doch es ist schon überraschend wie viel fragwürdiges Trump schon verzapft hat. Die Autorin ist überwiegend sachlich, macht aber auch keinen Hehl daraus, wie gefährlich sie Trump findet und ein paar Polemiken gegen ihn kann sie sich auch nicht verkneifen.
Trumps Sprache und Gebaren findet auch seine Nachahmer und das ist das Fatale. Trump und viele andere Populisten haben keinen Anstand, ihr Verhalten hat zur Verrohung der Sprache geführt und es ist zu fürchten, dass dieser Prozess nicht mehr umkehrbar ist. Ich habe dieses Buch mit Spannung gelesen, aber natürlich ist es unmöglich, sich mit Trump zu beschäftigen und das noch zu genießen. Dennoch ein gutes Buch!

Veröffentlicht am 09.10.2019

sorgfältig gemacht

Der Ursprung der Welt
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Der für sein anspruchsvolles Spiel bekannte Schauspieler Ulrich Tukur hat schon Erzählungen und einen Novelle geschrieben. Und jetzt mit großer Ambition sein erster Roman.
Ein Mann namens Paul Goullet ...

Der für sein anspruchsvolles Spiel bekannte Schauspieler Ulrich Tukur hat schon Erzählungen und einen Novelle geschrieben. Und jetzt mit großer Ambition sein erster Roman.
Ein Mann namens Paul Goullet findet ein Photoalbum mit alten Fotos. Obwohl die Fotos 90 Jahre alt sind, erkennt er sich selbst darauf. Rätselhaft! Eine Spurensuche beginnt.
Der Romantitel spielt auf das berühmte Gemälde von Gustave Courbet an. Um das zu sehen begibt sich Goullet nach Frankreich.

Ungewöhnlicherweise ist der Zeitpunkt der Ausgangssituation 2033 angelegt, also in der nahen Zukunft und Europa ist zerbrochen. In der Türkei herrschte Bürgerkrieg, viele flüchten. In Frankreich hat die nationalistische Koalition die Macht,´. In Deutschland sind Unruhen und Gewalt an der Tagesordnung. Also ein überaus pessimistische Prognose für unsere Zukunft.

Ulrich Tukur hat Niveau und er schreibt sehr fein, fast vornehm. Diese Haltung verleiht er auch seiner Figur und setzt sie der Düsternis seines Plots entgegen. Ich schätze außerdem Tukurs Sorgfältigkeit beim Formulieren und das Bewahren der Rätsel.

Veröffentlicht am 06.10.2019

Rahel Hirsch, Ärztin im Charité

Die Charité: Aufbruch und Entscheidung
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Die Charité – Hoffnung und Schicksal war ein 5-Sterne-Buch für mich. Da war es erstrebenswert, auch Band 2 „Aufbruch und Entscheidung“ zu lesen.

Eine ganz neue Zeit ist in der Charité angebrochen.

Rahel ...

Die Charité – Hoffnung und Schicksal war ein 5-Sterne-Buch für mich. Da war es erstrebenswert, auch Band 2 „Aufbruch und Entscheidung“ zu lesen.

Eine ganz neue Zeit ist in der Charité angebrochen.

Rahel Hirsch, die junge Ärztin, beginnt ihre erste Stellung.
Interessant die Beschreibungen ihrer Ankunft in Berlin und die Eindrücke von der Stadt um die Jahrhundertwende
Dazu gehört aber auch schon der Antisemitismus, dem Rahel als Jüdin ausgesetzt ist.

Zweite Hauptfigur ist Barbara Schubert, die zeitgleich zu Rahel in der Charité anfängt, als Wäscherin. Sie lebt ärmlich, interessiert sich sehr für Frauenrechte.
Als treue Freundin wird sie Rahel durch die Jahre begleiten.

Das Thema Gleichberechtigung bestimmt eigentlich den ganzen Plot stark.

Der Roman bietet das erwartbare, entwickelt sich aber gut.

Besondere Passagen gibt es, wenn reale Figuren thematisiert oder eingesetzt werden, z.B. Dr. Wassermann, der ein Verfahren zum Nachweis der Syphilis entwickelte und Dr.Paul Ehrlich, der 1908 den Nobelpreis bekommen hat. Oder oft wird auch Rosa Luxemburg erwähnt.
Einen kleinen Nebenplot gibt es um die Fliegerei und die deutsche Pilotin Melli Beese.
Überhaupt wird nebenbei viel deutsche Geschichte vermittelt, darunter auch der 1.Weltkrieg und was das für die Menschen bedeutete.

Viele Ereignisse sind vorhersehbar, da sie entweder historisch bekannt sind oder dramaturgisch zu erwarten waren.

Die Dialoge sind eine der vielen Stärken von Ulrike Schweikert, da wird es auch nicht langweilig, wenn die Protagonisten sich ausführlich über ihre Forschungen unterhalten.

Mit Teil 2 der Charité hat Ulrike Schweikert der historischen Persönlichkeit Rahel Hirsch ein gutes Portrait gesetzt!

Veröffentlicht am 02.10.2019

Norwegischer Familien- und Gesellschaftsroman

Segen der Erde
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Von Knut Hamsun halte ich einige seiner Romane für zeitlos grandios: Pan, Hunger, Gedämpftes Saitenspiel, Mysterien.
An sein berühmtes Buch Segen der Erde von 1917 hatte ich mich lange nicht ran getraut, ...

Von Knut Hamsun halte ich einige seiner Romane für zeitlos grandios: Pan, Hunger, Gedämpftes Saitenspiel, Mysterien.
An sein berühmtes Buch Segen der Erde von 1917 hatte ich mich lange nicht ran getraut, aber jetzt ist es neu veröffentlicht. Die sicher zu Recht viel gelobte Übersetzung ist von Alken Bruns.

Meine früheren Vorbehalte speisten sich größtenteils aus dem Titel, der Blut-und-Boden-Ideologie mit Ideologisierung des Bauernlebens befürchten lässt, aber das trifft nicht zu und beim Lesen denkt man an so was sicher nicht. Leider deuteten es die Nationalsozialisten damals in ihrem Sinne.
Hamsuns Text bricht eigentlich mit diesen Erwartungen und der Text hat romantisierende wie gebrochene Passagen über das Bauernleben.

Zur Handlung: In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts. Der bisher herumwandernde Isak beginnt, sich in der norwegischen Wildnis eine Heimat zu schaffen. Er baut sich erst eine Hütte, später ein Haus, züchtet Vieh und bepflanzt das Land. Dann kommt Inger. Gemeinsam leben sie, bekommen Kinder und bewirtschaften dass Land erfolgreich.
Es gibt auch Rückschläge, wie Missernten und schließlich eine mehrjährige, unfreiwillig Trennung.
Doch dann kommen sie wieder zusammen und alles entwickelt sich weiter, auch der Ort, inzwischen Sellanra genannt, wächst. Das wird von Hamsun in einer klaren kontinuierlichen Art dargestellt.

Erwähnenswert auch das Nachwort des Literaturkrikers Peter Urban-Halle, ein Kenner skandinavischer Literatur, der u.a. über den Umgang mit Hamsun in Verehrung und Analyse spricht.

Der Roman hat eine wuchtige Wirkung und versteht es, den Leser zu fesseln. Es wird nie langweilig. Wer gerne einmal ein wichtiges Buch der Weltliteratur lesen möchte, ist bei diesem Klassiker richtig.

Veröffentlicht am 02.10.2019

mehr als gelungen

Kühn hat Hunger
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Jan Weilers Kühn-Romane lassen sich gut lesen und erfreulicherweise gelingt es dem Autor das Niveau zu halten. Kühn hat Hunger hat mir genauso gut gefallen wie die beiden Vorgängerromane.
Weiler hat sich ...

Jan Weilers Kühn-Romane lassen sich gut lesen und erfreulicherweise gelingt es dem Autor das Niveau zu halten. Kühn hat Hunger hat mir genauso gut gefallen wie die beiden Vorgängerromane.
Weiler hat sich auch wieder etwas originelles einfallen lassen und lässt die Kriminalhandlung in eine gesellschaftliche Klammer fügen. Kühns Familienprobleme, seine Wunsch abzunehmen und Konflikte mit Kollegen spielen eine genauso wichtige Rolle wie die Ermittlung in einem Mordfall an einer jungen Frau. Damit ist es mehr als ein Krimi, da die gesellschaftliche Thematik wichtiger ist.
Die meiste Zeit wird aus Kühns Gedanken heraus erzählt. Er ist Kommissar, und so genial er bei Verhören und Ermittlung ist, so ist er ein Tropf was die persönlichen Probleme angeht. Das ist überwiegend amüsant zu lesen, obwohl man sich besonders als männlicher Leser gelegentlich selbst vergleicht.
Ich mag die Ironie von Jan Weiler.

Stilistisch gefällt mir auch, dass es dem Autor gelingt, tiefe Einblicke in die Figuren zu gewähren, zum Beispiel auch in den jungen Polizisten Sebastian Pflug, ein labiler Typ, der an der Tötung des Opfers beteiligt ist.

Der Roman bietet ernste Passagen und welche mit umwerfender Komik, sowie milder Spott auf menschliche Schwächen und einem kompakten Plot. Das alles ist mehr als gelungen!