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Veröffentlicht am 24.05.2019

Symphonien und ihre Wirkung

Rausch und Stille
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Karl-Heinz Ott schreibt ausführlich über alle Sinfonien von Ludwig van Beethoven.
Davor bringt er aber zur Einleitung ein rasantes Stück Literatur rund um Beethoven und seine Zeit sowie seine Wirkung aus ...

Karl-Heinz Ott schreibt ausführlich über alle Sinfonien von Ludwig van Beethoven.
Davor bringt er aber zur Einleitung ein rasantes Stück Literatur rund um Beethoven und seine Zeit sowie seine Wirkung aus Sicht von verschiedenen Interessengruppen, z.B. Musikkritiker, Literatur und Philosophie. Es wird einem fast schwindelig von den vielen überzeugen den Verweisen, die Ott eloquent bringt.

Dieser Beginn haut den Leser nahezu um, doch dann wird es ruhiger.
Für Nichtmusiker wird es in den Musikdetails außerdem manchmal auch etwas schwierig zu folgen.
Daher wird man in der Regel die Musik begleitend zum Buch klingen lassen.
Das lockert die Textabschnitte auch sofort auf.

Vergleiche zu anderen Komponisten, z.B. Hayden gibt es hauptsächlich anfangs,bei späteren Sinfonien ist Beethovens Eigenständigkeit dominierend.
Ich mag außerdem Otts Abschnitte über Besonderheiten, zum Beispiel die musikalischen Scherze, die Scherzi. Es werden auch andere Komponisten in diesem Zusammenhang genannt, z.B. Mozart und Schumann.
Interessanterweise folgen auch den Abschnitten über die Sinfonien zwischendurch immer wieder Ausflüge in die Literatur und Gesellschaft seiner Zeit, also Goethe, Eckermann, E.T.S.Hoffmann, Napoleon etc. sowie auch neuere Literatur wie Saramago, Andre Gide oder Alejo Carpentier. Philosophen wie Heidegger, Derrida und Roland Barthes ebenso, was ich sehr interessant, fast erleuchtend fand.

Ott widmet sich den Sinfonien ausführlich. Ich persönlich liebe ja die idyllische 6-Sinfonie, die praktisch zeitgleich zur aufwühlenden fünften entstand und so wunderschön dahinfließt. Heiter ist auch die 8.Sinfonie! Was dann in der neunten Sinfonie inklusive der Ode an die Freude ist imposant wie nichts anderes.

Das Buch braucht seine Zeit. Vieles was ich erst einmal nur so überflogen habe, lohnt sich offensichtlich weiter ausgeführt zu werden und so ist das mächtige Buch, dass von seiner Leichtigkeit profitiert, etwas für die Dauer.
Die entstehende Wirkung aus Tönen und Schrift ist enorm!

Veröffentlicht am 23.05.2019

Ein Buch der Wahrheit

Wenn dein Land nicht mehr dein Land ist oder Sieben Schritte in die Diktatur
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Wenn dein Land nicht mehr dein Land ist. Dieser Titel spricht Bände und verrät unter anderem, dass die Autorin von den Repressionen des Mobs zum Exil gezwungen war. So ging es auch vielen anderen Menschen ...


Wenn dein Land nicht mehr dein Land ist. Dieser Titel spricht Bände und verrät unter anderem, dass die Autorin von den Repressionen des Mobs zum Exil gezwungen war. So ging es auch vielen anderen Menschen in der Türkei, viele landeten im Gefängnis. Von einer Demokratie in der Türkei kann man nicht mehr sprechen.

Die Journalistin und Schriftstellerin Ece Temelkuran, die natürlich auch emotional schreibt, besitzt die Fähigkeit, die Situation genau zu beschreiben.
Auch der Untertitel „Sieben Schritte in die Diktatur“ ist sprechend.
Ece Temelkuran spricht aber nicht nur von der Türkei unter Erdogan, auch Trump, Putin, Orban, AfD, die Brexiteers uva. werden erwähnt.

Wie die Autorin die Methode genau analysiert und durchschaut hat, ist beeindruckend und sollte dem Leser helfen, diese Maschen der Populisten früher zu durchschauen. Das Schema ist oft das gleiche.
Die Autorin verschweigt auch nicht, wie schwierig es ist, sich gegen diese Taktiken zu wehren und wie die Folgen weitreichend sind. Es ist nicht unbedingt ein optimistisches Buch. Die Populisten haben ihre Machtstellung weitgehend so gefestigt, dass eine kurzfristige Umkehr unwahrscheinlich ist.
Es wird auch klarer, was diese Ideologien aus den Menschen machen. Die Gesellschaft wird grundsätzlich verändert. Der Zusammenbruch der Demokratie ist möglich, zum Teil erfolgt.
Es ist schwer, in so einer verzerrten Welt zu leben, in der Wahrheiten und frühere Werte bei der Masse nicht mehr viel zählen. Aber resignieren und den Populisten kampflos das Feld zu überlassen, wäre fatal. Ece Temelkurans Buch ist daher wichtig!

Veröffentlicht am 22.05.2019

Romantische Phantasie

Clans of London, Band 1: Hexentochter
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In The Clans of London treiben sich unter anderen die Clans Morgana und Merlin herum, also die Erben der berühmten Magier und Hexen. Protagonist Ash heißt eigentlich Arthur, nach Artus.
Eigentlich finde ...

In The Clans of London treiben sich unter anderen die Clans Morgana und Merlin herum, also die Erben der berühmten Magier und Hexen. Protagonist Ash heißt eigentlich Arthur, nach Artus.
Eigentlich finde ich das etwas zu hoch gegriffen. Das Setting London ist aber gut gewählt.

Im Mittelpunkt dieses ersten Bandes der Urban Fanatsy- Romance-Zweiteilers ist Carolina, eine fast 18jährige alleinstehende Frau, die nicht wusste, das sie eine Hexe ist.
Ash versucht ihr zu helfen, denn wenn sie bis zu ihrem 18 Geburtstag ihre herausdrängende Magie nicht in den Griff bekommt, muss sie sterben. Deswegen gilt es, ihre unbekannten Eltern zu finden und ihrer Magie zu aktivieren.

Nebenbei natürlich die üblichen Beziehungszutaten zwischen dem angeblichen Frauenheld Ash und der stolzen Carolina, die auf ihre Unabhängigkeit beharrt. Für diese Haltung kann man die Figur bewundern.
Für meinen Geschmack sind sie als Pärchen zu stereotyp, aber für Jugendliche genau passend.

Mit der Zeit lernt Carolina immer besser ihr Schicksal anzunehmen und die Magie zu nutzen, zum Beispiel Telepartie und dann kann sie sogar mitten in London einen zweiköpfigen Drachen besiegen. Doch die Zeit drängt und ein Clan will ihren Tod.
Manche Szenen haben eine unfreiwillige Komik.

Interessant wird es, wenn die Geschichte der teilweise verfeindeten Clans und düstere Prophezeiungen thematisiert werden.

Mit Schicksalsmagie wird nächstes Jahr Band 2 kommen.

Veröffentlicht am 20.05.2019

Der Weg des Boxers

Ein feiner Typ
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Willy Vlautins fünfter Roman hat wieder ein relativ bedächtiges Erzähltempo, wie es auch für Vlautins Musik häufig kennzeichnend ist. Er ist Songwriter und Sänger der Band Richmond Fontaine.

Horace Hopper, ...

Willy Vlautins fünfter Roman hat wieder ein relativ bedächtiges Erzähltempo, wie es auch für Vlautins Musik häufig kennzeichnend ist. Er ist Songwriter und Sänger der Band Richmond Fontaine.

Horace Hopper, ein junger Mann, Anfang 20, mit indianischen Wurzeln, lebt auf einer Farm in Nevada. Mr. und Mrs. Reese, Besitzer der Schaffarm, sehen in Horace einen Sohn, der vielleicht einmal die Farm übernehmen könnte.
Doch Horace, der früh von seiner Mutter verlassen wurde und sich wurzellos fühlt, will sich selbst beweisen.Er geht nach Tucson, Arizona um dort Profiboxer zu werden. Der Traum vom Erfolg als Boxer ist aber schwer zu realisieren.
Es gibt einige detaillierte Beschreibungen der Boxkämpfe, die beeindrucken und die Härte des Sports deutlich zeigen. Auch die Boxbranche, inklusive ihrer Schattenseite, wird realistisch gezeichnet.

Die Charaktere der Protagonisten sind fein gemacht. Horace ist ein getriebener, wortkarg und melancholisch.
Der schon ältere Mr. Reese ist ein Mensch, der die beschützen möchte, die er liebt, aber Horace kann er nicht vor sich selbst beschützen.
Man spürt die ganze zeit die Einsamkeit der Figuren, die in einer Verlorenheit mündet.

Der Roman wäre deprimierend, wenn Willy Vlautin nicht mitfühlend n und mit seinen Figuren mitleidend schreiben würde. Das ist sein Markenzeichen, dass für alle seine 5 Bücher gilt.

Veröffentlicht am 18.05.2019

18 Erzählungen

So viele Hähne, so nah beim Haus
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Mit so viele Hähne, so nah am Haus hat der niederländische Schriftsteller Maarten ´t Hart einen Erzählungsband vorgelegt. Ein autobiografischer Gehalt ist offensichtlich.

Verschmitzte Ironie ist ein Markenzeichen ...

Mit so viele Hähne, so nah am Haus hat der niederländische Schriftsteller Maarten ´t Hart einen Erzählungsband vorgelegt. Ein autobiografischer Gehalt ist offensichtlich.

Verschmitzte Ironie ist ein Markenzeichen des Autors, die in manchen der Erzählungen gut zum tragen kommt. So bedeutend wie mancher Roman sind sie meiner Einschätzung nach nicht, aber einiges ist amüsant und für seine treue Lesergemeinschaft sicher ein Leckerbissen. Überwiegend geht es jedoch gelassen und undramatisch zu.
Klassische Musik spielt öfter eine Rolle, wie sie für den Autor wohl überhaupt wichtig ist.
Ich mochte besonders die Stories um den Hausverkauf und um den Hund bei den Plattenklubabenden sowie die mit der schwedischen Übersetzerin. Außerdem die Kurzgeschichten Speckpfannkuchen und Der Hauptpreis. Auch die Titelgeschichte ist erwähnenswert.