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Veröffentlicht am 15.08.2019

Ein Bündel Gedichte

Was von mir bleibt
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Sylvia Kling – Was von mir bleibt: Das Gedicht-Band versammelt Gedichte über einen längeren Zeitraum.
Vieles wirkt selbsttherapeutisch, Depressionen und Trauer werden verarbeitet. Das wird besonders deutlich ...

Sylvia Kling – Was von mir bleibt: Das Gedicht-Band versammelt Gedichte über einen längeren Zeitraum.
Vieles wirkt selbsttherapeutisch, Depressionen und Trauer werden verarbeitet. Das wird besonders deutlich bei den Gedichten, die dem Zyklus Aus meinen Schwerezeiten (2007 – 2012M) stammen.
Einiges davon erinnert an Brigitte Schwaiger.
Der therapeutsiche Effekt wird auch ausgedrückt, z.B. in „ich lächle dem Leben zu.“ oder in Neublick:

Aus meiner müden Finsternis
wurde kraftvolles Licht,

aus meinen trauerschwarzen Tal
eine wiesenbunte Ebene


Mich hat zeitgenössische Lyrik schon oft fasziniert. Doch nicht alles erreicht mich. Sylvia Klings Stil ist nicht ganz das, was ich üblicherweise lese. Über manchen Passagen wundere ich mich, wie sentimental sie sind. Fast möchte man sich fremdschämen, wenn es zu pathetisch wird.
Manchmal wird es sozialkritisch, z.B. in Der Deutsche im empathischen Wohlstandsmodus.
Doch das funktioniert so nicht.

Sylvia Kling beschäftigt sich auch mit der Heimat. Sie ist in der DDR aufgewachsen. Das hat seine stärkste Wirkung, wenn sie sich erinnert, z.B. in Das Haus. „Ich lief an meiner Kindheit vorüber ...“.

Der Abschnitt Gebündeltes beinhaltet viele kürzere Gedichte. Das kompakte tut ihnen gut.

Veröffentlicht am 14.08.2019

Leben in einem sterbenden Land

Nacht in Caracas
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Karina Sainz Borgo erzählt in ihrem Debütroman Nacht in Caracas vom Leben in Venezuela. Es ist die gefährlichste Stadt der Welt, gemessen an Tötungsdelikten. Außerdem herrscht Armut. Selbst alltägliches ...

Karina Sainz Borgo erzählt in ihrem Debütroman Nacht in Caracas vom Leben in Venezuela. Es ist die gefährlichste Stadt der Welt, gemessen an Tötungsdelikten. Außerdem herrscht Armut. Selbst alltägliches ist oft nur schwer zu bekommen und stets fehlt das Gefühl der Sicherheit. Entsprechend zerrüttet ist die Gesellschaft.
Dieses negative Lebensgefühl wird exemplarisch durch die Hauptfigur und Icherzählerin Adelaida ausgedrückt, die zu Beginn des Romans gerade ihre Mutter, eine gebildete Frau und Lehrerin, zu Grabe tragen muss.
Der Tod der Mutter ist ein schwerer Verlust für Adelaida, sie verliert dann auch noch ihre Wohnung und sie droht sich selbst zu verlieren.
Adelaide steht stellvertretend für viele junge Menschen. Sie ist intelligent und gebildet, aber sie bekommt keine Chance. Sie kann nur hoffen zu überleben und vielleicht irgendwie das Land zu verlassen. Auch darum ist dieses Land, das sich auch momentan in einer schweren Krise befindet ein sterbendes Land.
Es ist also recht bedrückend zu lesen, aber wie die Autorin die Sprache einsetzt und einen eigenständigen Ton erzeugt, überzeugt sehr. Die in Caracas geborene, jetzt aber in Spanien lebende Autorin, ist zwar Journalistin, aber der Text wirkt nicht direkt dokumentarisch. Ihre Form ist wirklich Literatur und vermittelt ein Bild von Lateinamerika, wie es die meisten deutschen Leser, die davon weit entfernt sind, nicht kennen. Das erzeugt Verstehen und Empathie. Man versteht auch, dass man in Deutschland privilegiert ist.

Veröffentlicht am 11.08.2019

Reichhaltiges Vermächtnis

Das Schöne, Schäbige, Schwankende
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Das Schöne, Schäbige, Schwankende ist Brigitte Kronauers letztes Buch und sie erzählt in vielen Episoden. Das ganze folgt einem Konzept.
Es ist wirklich meisterhaft gemacht und stellt in den vielen kleinen ...

Das Schöne, Schäbige, Schwankende ist Brigitte Kronauers letztes Buch und sie erzählt in vielen Episoden. Das ganze folgt einem Konzept.
Es ist wirklich meisterhaft gemacht und stellt in den vielen kleinen Romangeschichten meistens kuriose Figuren in den Vordergrund, die wechselnd die Eigenschaften des Titels erfüllen.
Einige Episoden sind wirklich berührend. Nennen möchte ich mal ein paar, die mich besonders gefangen genommen haben:

Die Prächtige: Die Begegnung einer Schriftstellerin mit einer Frau, die ihr ein Foto zeigt. Hier wird gezeigt, was ein einziges Bild aussagen kann, wie verschieden es aber auch interpretiert werden kann.

In mehreren Geschichten hintereinander werden Frauenschicksale porträtiert: Rosetta, Rosita, Rosa, gefolgt von Einer Frau mit Caprice.
Frauendarstellungen sind eine Stärke der Autorin, aber es können auch Männer sein.
Hubertus: ein orientierungsloser Mann, der sich den neuen Nachbarn nähert, jedoch außerhalb der Gesellschaft bleibt. Erzählt von einem Kollektiv.

Diese Liste an überzeugenden Geschichten könnte man noch lange so fortsetzen. Es gibt so viel in diesem Buch. Auch bei den Geschichten, die einen nicht sofort erreichen, bleibt der Eindruck, dass da viel drinsteckt und ich glaube, das Buch wird mich beim teilweisen Wiederlesen noch lange begleiten.

Brigitte Kronauer gestaltet ihre Geschichten mit großer Genauigkeit, alles ist durchgearbeitet. Dennoch sind sie meiner Auffassung nach überwiegend leicht zugänglich und man weiß, das die Autorin auch sperrig sein kann.
Faszinierend die Leitmotive, die sie einsetzt, zum Beispiel das Auftreten von Vögeln der unterschiedlichsten Art. Am deutlichsten passiert das in der Story von der verschlossenen Andrea, die von ihrer Schwester mit einer Wasseramsel verglichen wird. Oder auch in „Mondgesicht“ Sven, dessen Aussehen sich schließlich zum Dompfaff änderte.

Einige Figuren tauchen in den späteren, viel längeren Abschnitten wieder auf. Von diesen späten Abschnitten möchte ich vor allen „Die Jahre mit Katja“ empfehlen.

Mit ihrem letzten Buch hat Brigitte Kronauer ihre Leser reich beschenkt.

Veröffentlicht am 10.08.2019

Die E-Mails von der Nachteule und dem Sternhai

An Nachteule von Sternhai
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Von Meg Wolitzer fand ich schon Das weibliche Prinzip gut und wollte daher auch dieses Buch lesen, obwohl es ein Kinder/Jugendbuch ist. Holly Goldberg kannte ich noch nicht.
An Nachteule von Sternhai ist ...

Von Meg Wolitzer fand ich schon Das weibliche Prinzip gut und wollte daher auch dieses Buch lesen, obwohl es ein Kinder/Jugendbuch ist. Holly Goldberg kannte ich noch nicht.
An Nachteule von Sternhai ist ein E-Mail-Roman. Es sind E-Mails zwischen zwei 12jährigen Mädchen, deren alleinerziehende Väter sich ineinander verliebten und sich wünschen, das sich ihre Töchter anfreunden, damit sie eine Familie werden können. Dafür sollen die Mädchen gemeinsam in ein Feriencamp.
Das ganze passt den Mädchen nicht, da sie ihre Väter bisher für sich selbst hatten. In ihrem E-Mail-Austausch betonen sie daher, sich nie kennenlernen zu wollen, doch mit der Zeit erzählen sie sich immer mehr voneinander.
Im Sommercamp gehen sie sich zunächst aus dem Weg. Die Väter sind gemeinsam auf einer Motorradreise durch China. Das finde ich aber leicht übertrieben, bei 2 Leuten, die sich erst kurz kennen.

Auch andere Personen kommen zu Worte, z.B. die Väter, die Großmutter oder Leute aus dem Sommercamp. Da sind ausnahmsweise neben E-Mails auch Briefe oder Berichte enthalten.
Dann gibt es auch noch ein paar Überraschungen. Und manches wird nicht so einfach wie gedacht.

Natürlich ist das Buch auf die Zielgruppe junge Mädchen zugeschnitten, aber einige gute und humorvolle Dialoge kann man auch als ältere Person genießen. Außerdem ist die konzentrierte Erzählform ansprechend.

Veröffentlicht am 10.08.2019

Allein im Marschland

Der Gesang der Flusskrebse
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Wie schon der Titel vermuten lässt, ist Der Gesang der Flußkrebse ein poetisches Buch, dass sensibel und atmosphärisch von einem Mädchen im Marschland der USA erzählt, das mit 6 Jahren von der Mutter und ...

Wie schon der Titel vermuten lässt, ist Der Gesang der Flußkrebse ein poetisches Buch, dass sensibel und atmosphärisch von einem Mädchen im Marschland der USA erzählt, das mit 6 Jahren von der Mutter und den älteren Geschwistern verlassen wird. Nur der gewalttätige, versoffene Vater bleibt zunächst noch. Und bald muss Kya ganz alleine klar kommen.
Die Handlung spielt sich in den fünfziger bis sechziger Jahren ab.
Einsamkeit und Sehnsucht sind die treibenden Kräfte, aber auch Lebenskraft und naturverbundenheit. Es ist besonders am Anfang sehr detailliert, daher lebt man als Leser dicht an der Seite des einsamen Mädchens und erlebt ihre Entwicklung mit.

Die Naturbeschreibungen an der Küste North Carolina sind unglaublich stark.
Delia Owens erzählt ruhig und getragen, aber auch kraftvoll.

Der mysteriöse Tod eines jungen Mannes 1969 gibt dem Buch einen leichten Krimitouch. Eigentlich erstaunlich, aber tatsächlich gibt das dem restliche Plot einen Kontrast.
Die Handlung mündet schließlich in ein Gerichtsdrama.

Sprecherin Luise Helm liest das Hörbuch empathisch.
Ein Buch, dass man sicher nicht so schnell vergisst!