Profilbild von yellowdog

yellowdog

Lesejury Star
offline

yellowdog ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit yellowdog über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.04.2019

Clever

Kaschmirgefühl
0

Bernhard Aichners Kaschmirgefühl besteht nur aus Tefefongesprächen zwischen 2 Personen.
Ungewöhnlicherweise handelt es sich um eine Sexhotline.
Man könnte erwartet, die Handlung wäre witzig und/oder romantisch, ...

Bernhard Aichners Kaschmirgefühl besteht nur aus Tefefongesprächen zwischen 2 Personen.
Ungewöhnlicherweise handelt es sich um eine Sexhotline.
Man könnte erwartet, die Handlung wäre witzig und/oder romantisch, aber so richtig stimmt das nicht. Die Gespräche sind phasenweise eher wie Duelle. Bernhard Aichners Geschichte ähnelt in diesem Geschlechterkampf einem jungen Martin Walser, jedoch ohne entsprechend literarische Ausdruckskraft. Die Namen der Protagonisten verstärken den Eindruck, da Gottlieb eher ein altmodischer Name ist. Handwerklich ist der Text selbstverständlich perfekt. Und das Spiel um die Identitäten und Wahrheit und Trug funktioniert ausgezeichnet, da kommt die Krimi/Thriller-Erfahrung des Autors durch.

Gelesen wird das knapp 2,5 Stunden lange Hörbuch von Bernhard Aichner & Lisa Hörtnagl. Sie machen ihre Sache ganz gut. Der geringe Umfang des Textes kommt der Umsetzung der Idee entgegen, mehr hätte das Buch wohl nicht getragen.

Veröffentlicht am 27.04.2019

Unterhaltsamer Roman

Das Verschwinden der Stephanie Mailer
0

Der Schweizer Schriftsteller Joel Dicker hat ein mächtiges, umfangreiches Buch geschrieben, das ich als fast 20stündiges Hörbuch gehört habe, gelesen von Torben Kessler.

Man kann das Buch als Krimi lesen, ...

Der Schweizer Schriftsteller Joel Dicker hat ein mächtiges, umfangreiches Buch geschrieben, das ich als fast 20stündiges Hörbuch gehört habe, gelesen von Torben Kessler.

Man kann das Buch als Krimi lesen, aber da gesellschaftliche Elemente eine große Rolle spielen, ist es vielleicht auch mehr als das.

Die Journalistin Stephanie Mailer hat in einem 20 Jahre alten Mordfall in den Hamptons im Bundesstaat New York recherchiert und offenbar Erkenntnis von großer Tragweite gewonnen. Kurze Zeit später ist sie verschwunden.

Wie zwischen den Handlungssträngen 2014 und 1994 gelegentlich gewechselt wird, ist reizvoll gemacht und wirklich gelungen.

Das Ermittlerteam Jesse Rosenberg und Derek Scott sowie die kompetente, lokale Polizistin Anna Kanner sind gute, auch sympathische Figuren.
Mich haben z.B. die Passagen beeindruckt, in denen Anna von ihren Problemen als einzige Frau auf dem Revier berichtete.
Jesse und Derek direkt vom Fall betroffen, da sie damals vor 20 Jahren die Detectives waren, die den Fall aufklärten. Deswegen ist es ihnen besonders wichtig, mehr zu erfahren.

Gut gemacht auch ist der Nebenplot mit Jerry und den Problemen mit seiner Tochter Dakota, die Drogen nimmt.

Manche der Nebenfiguren sind aber überzeichnet. Das trifft auf den Zeitungsherausgeber Steven Bergdorf zu und der viel jüngeren und skrupellosen Alice, mit der er eine Affäre hat.

Durch die Komplexität trägt der Roman seine Länge, nur im Mittelteil zieht es sich manchmal, aber da muss der Leser/Hörer durch.

Der Sprecher Torben Kessler liest das Buch souverän. Seiner Tenor-Stimme kann man stundenlang zuhören. Er liest ohne übertriebene Betonung, was gerade bei den Figuren dieses Romans gut ist und ihren Charakteren gerecht wird. Er hat als erfahrener Schauspieler eine gut ausgebildete Stimme und eine große Sensibilität für seine Figuren.

Veröffentlicht am 27.04.2019

Tiefe Einblicke in eine muslimisch-US-amerikanische Familiengeschichte

Worauf wir hoffen
0

Worauf wir hoffen ist der Debütroman einer jungen, vielversprechenden Autorin.
Den Originaltitel des Romans „A place for us“ finde ich besser als den deutschen.

Amar kommt nach Jahren zurück zu seiner ...

Worauf wir hoffen ist der Debütroman einer jungen, vielversprechenden Autorin.
Den Originaltitel des Romans „A place for us“ finde ich besser als den deutschen.

Amar kommt nach Jahren zurück zu seiner Familie, da seine Schwester Hadia heiratet.
Mit Hilfe von Rückblenden erzählt Fatima Farheen Mirza wunderbar detailliert eine Familiengeschichte. Es ist eine amerikanische Familie mit indischen Wurzeln und es wird aus wechselnden Perspektiven erzählt, jedes Familienmitglied kommt zu Wort. Dadurch lernt man sie gut kennen und versteht auch die Schwierigkeiten und wie es zu Problemen in den Beziehungen zueinander kommen konnte. Zu den Ursachen gehören die kulturelle Unterschiede und religiöse Sitten einer muslimischen Migrantenfamilie in der US-amerikanischen Gesellschaft. Man erhält einen tiefen Einblick in den kulturellen Hintergrund. Zum Beispiel in den Passagen, von Lailas Reise von Indien nach Amerika, um dort Rafik zu heiraten. Eine arrangierte Heirat. Oder dann die Probleme, die ihre Kinder z.B. aufgrund ihrer Herkunft in der Schule haben, erst Recht nach dem 11 September.
Amar gerät schließlich in Konflikte mit dem strengen, wertkonservativen Vater, es kommt zum Zerwürfnis. Amars Zerrissenheit wird gut verdeutlicht.
Es ist gut gemacht, wie die Hochzeit als zentraler Moment einen Wendepunkt bedeuten kann.
4,5 Punkte von mir!

Veröffentlicht am 18.04.2019

Ein Buch von Belang

Alles, was passiert ist
0

Die britische Lyrikerin, Modell und Schauspielerin Yrsa Daley-Ward hat jamaikanische und nigerianische Wurzeln, wuchs aber in England auf.
Dieses bei Blumenbar erschienene Buch ist ein exzellentes poetisch-literarisches ...

Die britische Lyrikerin, Modell und Schauspielerin Yrsa Daley-Ward hat jamaikanische und nigerianische Wurzeln, wuchs aber in England auf.
Dieses bei Blumenbar erschienene Buch ist ein exzellentes poetisch-literarisches Memoir. Also autobiographisch, aber literarisch verarbeitet.
Das sie als Lyrikerin begann merkt man diesem Buch an. Es ist rhythmisch und wechselhaft gestaltet, sehr schön gemacht. Sprachlich ein Genuß.

Yrsa erzählt davon, wie sie mit ihrem jüngeren Bruder zumeist bei den Großeltern aufgewachsen ist. Es gibt auch noch einen älteren Bruder.
Ihre Mutter Marcia war immer unstet, sie hat 3 Kinder von 3 verschiedenen Männern und lebt in wechselnden Beziehungen.
Yrsa hat es nicht leicht, sie ist schwarz und anders. Die Großeltern sind strenggläubig, also ist fast alles Sünde. Yrsa leidet unter der chaotischen Situation und neigt schon als Kind zu Depressionen.
Als Erwachsene ist sie wie eine getriebene. Yrsa Daley-Ward erzählt mit imponierender Ehrlichkeit. Gerade deswegen werden die Emotionen erlebbar und nachvollziehbar.

Veröffentlicht am 16.04.2019

Helle Dystopie

Der Wal und das Ende der Welt
0

Der Wal und das Ende der Welt (Originaltitel: Not forgetting the whale) ist sicher ein ungewöhnliches Buch, geschmeidig geschrieben. Es geht nicht nur um einen Mann, der am Strand eines englischen Dorfes ...

Der Wal und das Ende der Welt (Originaltitel: Not forgetting the whale) ist sicher ein ungewöhnliches Buch, geschmeidig geschrieben. Es geht nicht nur um einen Mann, der am Strand eines englischen Dorfes gefunden wird und einen gestrandeten Wal, der als Symbol der Rettung eingesetzt wird. Wichtig ist auch der zweite Teil des Titels, die Handlung mündet ins dystopische. Krankheiten und Hungersnöte folgen.
Man sollte sich also bewusst sein, was einem bei diesem Roman erwartet. Aber im Gegensatz zu vielen apokalyptischen Romanen ist John Ironmongers Buch nicht düster. Im Gegenteil wird die Dorfbewohnerschaft überwiegend positiv, wenn auch britisch-skurril, jedenfalls voller Leben dargestellt und das verbreitet Hoffnung.
Der junge Mann vom Strand ist Joe Haak, ein Stadtmensch, der erst wie ein Fremdkörper im Dorf wirkt, obwohl er dort gerettet und aufgenommen wird. Aber Joe wirkt oft auch wie ein Tropf und Trottel. Da er wie eine Identifikationsfigur aufgestellt wurde, kann das stören, aber später wächst er über sich hinaus. Das Finale ist ausgezeichnet gemacht. Es propagiert den Zusammenhalt und Leistungsbereitschaft als Rettung.