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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.10.2018

unterhaltsam, aber leicht überzogen

Auf falschen Fährten
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Auf falschen Fährten ist ein ganz guter Thriller, den ich gerne gelesen habe, auch wenn er nicht unbedingt neue Maßstäbe setzt. Ein mal mehr ist es die Jagd nach einem Serienkiller.
Das besondere ist die ...

Auf falschen Fährten ist ein ganz guter Thriller, den ich gerne gelesen habe, auch wenn er nicht unbedingt neue Maßstäbe setzt. Ein mal mehr ist es die Jagd nach einem Serienkiller.
Das besondere ist die Hauptfigur, aus dessen Sicht auch erzählt wird. Der introvertierte Professor Theo Cray ist Bioinformatiker, er hat stets einen wissenschaftlichen, unvoreingenommenen und kühlen Blick. Dazu kommt aber, dass er einen sanften Charakter hat. Dadurch entsteht ein Erzählton, der ein wenig anders ist.

Theo Cray gerät für kurze Zeit in Verdacht, eine junge Frau getötet zu haben, doch dann vermutet die Polizei doch, dass es ein Grizzley-Bär war. Sie erschießen sogar einen Bären. Doch Cray glaubt nicht daran und untersucht Blut/DNA des Opfer. Er findet auch eine Verbindung zu weiteren Opfern. Er glaubt an einen Serienkiller, der seit Jahrzehnten tötet, doch die Polizei und das FBI schätzen keine Einmischung von einem Amateur. So muss theo alleine weitermachen und es wird immer gefährlicher.
Ich schätze an dem Roman neben der außergewöhnlichen Hauptfigur, dass die Handlung nie langweilig wird. Trotz fehlender Glaubwürdigkeit ist es unterhaltend. Warum aber die Polizei und FBI so verbohrt und unfähig sein soll, leuchtet mir nicht ein. Ich meine, beim Lesen über ein paar Plotlöcher gestolpert zu sein, aber mich persönlich hat das nicht gestört. Kritischere Leser könnten die fehlende Logik jedoch bemängeln. Das Finale ist spektakulär, aber vollkommen überzogen.

Band 2 der The Naturalist-Reihe wird auch noch kommen und ich werde bei Gelegenheit die Serie weiterlesen.

Veröffentlicht am 07.10.2018

Prachtvolles Mittelalterspektakel

Der Spielmann (Faustus-Serie 1)
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Der Spielmann ist ein umfangreicher Roman, der sich abgesehen von ein paar Längen, gut lesen lässt. Im Mittelpunkt ist Faust, der Ende des 15 Jahrhunderts in Knittlingen geboren wurde.

Oliver Pötzsch ...

Der Spielmann ist ein umfangreicher Roman, der sich abgesehen von ein paar Längen, gut lesen lässt. Im Mittelpunkt ist Faust, der Ende des 15 Jahrhunderts in Knittlingen geboren wurde.

Oliver Pötzsch überträgt seine Faszination für die Hauptfigur auf den Leser. Wie bei ihm das Interesse entstand erzählt er ausführlich im lesenswerten Nachwort.
Pötzsch legt viel Wert auf Kindheit und Jugend von Johann Georg, um dessen Werdegang und Entwicklung deutlich zu machen. Schon als 8jähriger ist er begeistert von den Gauklern, die in die Stadt kommen. Von seiner Mutter wird Johann liebevoll Faustus genannt.
Von diesen Abschnitten der Kindheit halte ich viel. Johann ist teilweise privilegiert, kann zum Beispiel Lateinunterricht nehmen, solange seine Mutter noch lebte. Aber oft ist er auch in der Opferrolle, von einem Schläger drangsaliert und vom Vater ungeliebt. Schließlich muss er als 16jähriger seine Heimat verlassen. Er begleitet den Magier Tonio del Moravia, der sein Meister wird und zu dem ein ambivalentes Verhältnis zwischen Abhängigkeit und Abgründigen entsteht. Diesen Konflikt deutet Pötzsch geschickt an. Es resultiert aber Johanns Weg zum Faust und zur Persönlichkeit.
Alchemie, Astrologie und Aberglauben spielen eine Rolle.

Teilweise ist Der Spielmann ein Pageturner, dann gibt es aber auch etwas zu lange Passagen.
Oliver Pötzsch hat mit diesem ersten Faust-Teil ein ähnlich mächtiges Werk hingelegt wie mit seinen Henkerstochter-Bänden, deren Figuren mir jedoch näher standen. Johann ist nicht durchgehend ein Sympathieträger, der Mephisto-ähnliche Tonio erst recht nicht. Im Finale kann Johann jedoch einiges wieder gut machen.

Für Der Spielmann spricht auch die hohe Anzahl an interessanten Schauplätzen. Johann und die Gaukler, mit denen er weiterzieht, schaffen es neben einigen deutschen Städten sogar bis nach Venedig. Ganz wichtig wird dann schließlich die Stadt Heidelberg, später auch Köln und Nürnberg. Atmosphäre hat das Buch durchgehend viel zu bieten.

Veröffentlicht am 07.10.2018

Familien- und Gesellschaftsportrait

Das Geheimnis der Grays
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Das Buch stammt aus dem Jahr 1932 und ist in meinen Augen weniger ein Krimi als ein Familien- und Gesellschaftsportrait.
Die Grays sind eine wohlhabende, aber auch leicht exzentrische und offenbar nicht ...

Das Buch stammt aus dem Jahr 1932 und ist in meinen Augen weniger ein Krimi als ein Familien- und Gesellschaftsportrait.
Die Grays sind eine wohlhabende, aber auch leicht exzentrische und offenbar nicht sehr glückliche Familie, wobei das Familienoberhaupt Adrian Gray schon im ersten Satz des Buches ermordet ist.

Seine vielen erwachsenen Kinder werden dann in den folgenden Kapiteln abwechselnd vorgestellt.Ob Richard, Olivia, Amy, Ruth oder Brand, so richtig sympathisch ist mir keine Figur. Bei den Angeheirateten ist es auch nicht viel besser.
Die Handlung spielt sich in einem Landhaus zur Weihnachtszeit ab, aber besinnlich wird es nicht.

Im zweiten Teil gibt es einen Stilwechsel, indem es in Tagebuch wechselt. Man taucht ein in die Gedanken des Mörders. Ab dem dritten Teil wird es ein erzählerischer Stil.

Der Roman ist mehr interessant als wirklich spannend, mit Ausnahme vielleicht der Gerichtsverhandlung. Überzeugend ist der psychologische Ansatz.

Den Originaltitel „Portrait of a Murderer“ finde ich besser als den einfallslosen deutschen.
Die Autorin hat unter mehreren Pseudonymen geschrieben und galt als Vielschreiberin. Daher ist es doch beeindruckend, dass sie den Roman sorgfältig und genau geschrieben hat.

Veröffentlicht am 03.10.2018

Reise im Magic Bus

Hippie
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1970 trifft der Brasilianer Paulo in Amsterdam die Niederländerin Karla. Gemeinsam reisen sie von Amsterdam in einem Bus Richtung Nepal. Ein lange Reise durch viele Länder. Sie sind gute Reisegefährten, ...

1970 trifft der Brasilianer Paulo in Amsterdam die Niederländerin Karla. Gemeinsam reisen sie von Amsterdam in einem Bus Richtung Nepal. Ein lange Reise durch viele Länder. Sie sind gute Reisegefährten, aber wie sich ihre Beziehung zueinander gestalten wird, muss sich erst ergeben.
Interessant, wie Coelho seine Figuren entwirft. Sein alter Ego Paulo zeichnet er als schüchtern, aber auch neugierig auf Neues und Karla ist selbstbewusst und betimmend. Eigentlich ergänzen sie sich ganz gut.

Es ist die Zeit der Hippiebewegung voller Hoffnung auf eine andere Zukunft mit Freiheit und Liebe.

Auch andere Mitreisende bekommen ausreichend Raum für ihre Geschichte, z.B. der Franzose Jacques und seine Tochter Marie, die gemeinsam auf der Suche nach einem neuen Leben reisen.

Die Figur Paulo teilt Erfahrungen des Autors, z.B. Stromschockbehandlung während psychiatrischer Aufenthalte und später Verhaftung und Folter, obwohl er unschuldig ist.
Das hat ihn innerlich tief verwundet, doch er spricht kaum darüber. Gleichzeitig treibt ihn um, was es mit anderen Religionen und Bewegungen auf sich hat, etwa Hare Krishna oder der Sufismus. Und dann hat er noch den Traum, Schriftsteller zu werden.
Auch das Thema Drogen wird nicht ausgespart, so gibt es eine intensive Szene, in der Paulo in einem House of the Rising Sun einen Heroinabhängigen interviewt und eine Passage, in der Marie auf einem LSD-Trip ist.
Ein zentraler Halt auf der Reise ist Istanbul. Für einen der Reisenden endet hier die Fahrt.

Es ist ganz spannend zu lesen, wie die verschiedenen Figuren Erfahrungen machen, mit denen sie nicht gerechnet haben.

Paulo Coelho hat viel in seinem neuen Roman gepackt, der zum Glück durchgehend erzählerisch gestaltet ist und sich nicht nur in philosophischen Ansätzen erschöpft. Er schließt damit gut an den Stil seiner Romane Untreue und Die Spionin an. Auch Fans von „Veronika beschließt zu sterben“ sind hier nicht falsch.
Hippie ist nicht ganz sein bestes Buch, gehört aber klar in die obere Kategorie. Es hat Spaß gemacht, den Roman zu lesen.

Veröffentlicht am 01.10.2018

Roman einer Stadt und einer Zeit

Chicago
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Das Werk des Filmschaffenden und Dramatikers David Mamet war schon immer beeindruckend. Jetzt hat er einen Roman hinzugefügt. Dafür hat er seinen Stil in stimmige Prosa angepasst. Er schreibt ausdrucksvoll ...

Das Werk des Filmschaffenden und Dramatikers David Mamet war schon immer beeindruckend. Jetzt hat er einen Roman hinzugefügt. Dafür hat er seinen Stil in stimmige Prosa angepasst. Er schreibt ausdrucksvoll und kraftvoll.

Chicago ist ein Portrait der Stadt in den zwanziger Jahren. Die Zutaten sind üppig. Detailreich schildert Mamet die Gegend mit Gebäuden und Straßen. Es fehlen weder die Hochbahn noch Al Capone. Es gibt die Clubs und Bars und die Chicago Tribune. Hier arbeitet der Zeitungsreporter Mike Hodge mit seinem Kollegen Parlow und dem Chefredakteur Crouch und vielen anderen.

Die markigen Dialoge prägen Maments Stil, zumal die Hauptfigur Mike nicht auf den Mund gefallen ist. Es stecken Hardboiled-Elemente darin.

Einen Tiefschlag muss Mike hinnehmen, als seine Verlobte Annie erschossen wird. Mike ist fassungslos, da er kein Motiv sieht. Das zieht sich durch den Roman und am Ende wird Mike dem Mörder gegenüberstehen.

Chicago ist ein gelungener Roman und man muss hoffen, dass David Mamet weitere Bücher schreibt.