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Veröffentlicht am 17.08.2018

Die Flucht

Das Verschwinden des Josef Mengele
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Bei Kriegsende flüchtet der K-Z-Arzt Josef Mengele nach Argentinien. Es ist das Argentinien Perons und Evita, die den Tätern Deutschlands eine neue Heimat bieten.
Mengele baut sich mit neuer Identität ...

Bei Kriegsende flüchtet der K-Z-Arzt Josef Mengele nach Argentinien. Es ist das Argentinien Perons und Evita, die den Tätern Deutschlands eine neue Heimat bieten.
Mengele baut sich mit neuer Identität ein neues Leben auf. Das Leben meint es in den fünfziger Jahren gut mit ihm. Einen kurzen Besuch in Deutschland riskiert er, geht dann aber schnell zurück nach Argentinien. Doch Anfang der sechziger Jahre wird dort nach Kriegsverbrechern gesucht, Eichmann wird vom Mossad nach Israel entführt. Mengele muss wieder untertauchen.

Olivier Guez sachlicher Stil erinnert leicht an Eric Vulliards Fiktionalisierung historischer Ereignisse. Auch Guez Text wirkt streckenweise wie ein Sachbuch, Dialoge gibt es wenig, aber es ist auf seine Art doch wieder Prosa mit einem journalistischem Ansatz und ermöglicht es, dem Schicksal der Täter nach dem Krieg zu folgen.

Olivier Guez führt viele Fakten auf, teilweise überraschende. Seine Recherchearbeit muss enorm gewesen sein!

Für am Thema interessierte Leser ist Olivier Guez preisgekröntes Buch empfehlenswert, wer jedoch einen spannend lesbaren Roman sucht, ist hier vielleicht nicht ganz richtig.

Veröffentlicht am 16.08.2018

Frische Literatur aus den USA

Das Jahr, in dem Dad ein Steak bügelte
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Rachel Khongs Debütroman Goodbye, Vitamin erhielt in der Deutschen Übersetzung den langen Titel „Das Jahr, in dem Dad ein Steak bügelte“. Immerhin kommt dieser Satz tatsächlich vor und das Steak wurde ...

Rachel Khongs Debütroman Goodbye, Vitamin erhielt in der Deutschen Übersetzung den langen Titel „Das Jahr, in dem Dad ein Steak bügelte“. Immerhin kommt dieser Satz tatsächlich vor und das Steak wurde anschließend sogar noch gebraten und verzehrt. Ein Hinweis auf den sanften Humor, der die Handlung umhüllt. Das Thema selbst ist ernst. Eine junge Frau ist nach einer schweren Trennung zurück in ihr Elternhaus in San Francisco gekehrt und will sich ein Jahr lang um den Vater kümmern, der an Alzheimer erkrankt ist. Manchmal hat er noch lichte Momente, manchmal ist er unkontrolliert, z.B. wirft er einmal seine Hosen in die Bäume oder oft sperrt er sich ein und will niemand an sich heranlassen.
Ruth ist nach der Trennung noch aus der Spur, doch setzt sie sich ein, dem Vater Normalität zu ermöglichen, z.B. soll er noch einmal ein Seminar leiten. Natürlich inoffiziell. Einige Studenten, die ihn als Professor sehr mochten, folgen tatsächlich. Der Roman lebt von diesen kleinen skurrilen Szenen, aber am meisten von der Sprache des Buches, die geprägt ist von Ruth Gedanken und Empfindungen.

Der Roman ist sehr amerikanisch, das ist positiv gemeint. Er steht in einer noch jungen Tradition, die von Autoren wie Dave Eggers, Vendela Vida, Jonathan Lethem, Judy Budnitz u.a. geprägt wurde. Sie stehen für mich für eine USA, die nicht Trumps Weltsicht folgen.

Rachl Khongs Kapitel sind oft kurz, die Sätze prägnant, oftmals außergewöhnlich, dennoch gut lesbar.
Ich würde gerne mehr von ihr lesen und hoffe auf weitere Romane.

Veröffentlicht am 15.08.2018

gelungener Debütroman

Das rote Adressbuch
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Das rote Adressbuch ist ein Roman über das Leben einer schwedischen Frau, Doris, 1918 geboren.
Es beginnt mit der Gegenwart in Stockholm. Doris ist 96 Jahre alt, fast alle aus ihrer Familie und Freunde ...

Das rote Adressbuch ist ein Roman über das Leben einer schwedischen Frau, Doris, 1918 geboren.
Es beginnt mit der Gegenwart in Stockholm. Doris ist 96 Jahre alt, fast alle aus ihrer Familie und Freunde sind schon gestorben. Es gibt aber noch Jenny, ihre Tochter und deren Kinder, doch Jenny lebt in San Francisco und Doris hat nur über Skype Kontakt zu ihr.
Dann geht die Erzählung weit zurück in Doris Kindheit und Jugend. Als der Vater stirbt wird es schwer und ärmlich und Doris muss schon früh in Dienst bei Herrschaften gehen. Doch dann kommt sie nach Paris und wird dort sogar Modell.

Es ist ein Buch des Erinnerns, wenn die Ankunft in das alte Paris vor dem Krieg beschrieben wird: der blassblaue Himmel, die Wäsche auf den Balkonen und der Rauch aus hunderten von Schornsteinen.
Schließlich kommt nach dem Tod der Mutter auch Doris Schwester Agnes zu ihr. Später zwingt sie der Krieg in die USA. Zentral auch eine schwierige und unglückliche Liebe von Doris zu Allan, der sie verlässt.
Mir gefällt sehr, dass der Roman den Gegenwarts-Handlungsstrang gleichwertig behandelt. Man fühlt sich Doris nah, wenn sie die Vergangenheit betrauert und auf den Tod wartet, gleichzeitig ihrer Nichte gegenüber so positiv bleibt. Ob jüngere Leser das auch so empfinden, kann ich nicht beurteilen.
Obwohl das Buch auch von Tod und Einsamkeit im Alter handelt, ist es so geschrieben, dass es sich nicht hoffnungslos liest. Es ist auch ein Buch von Würde und andauernde Liebe.
Sofia Lundberg wurde zu dem Roman inspiriert, da sie als Kind viel Zeit bei der Schwester ihrer jung verstorbenen Großmutter verbrachte, die auch Doris hieß und ebenfalls ein rotes Adressbuch besessen hatte.. Ich glaube, dass sich dadurch die Zuneigung zur Hauptfigur ergab und Doris als Figur so gut funktionierte. Doris Modellkarriere hingegen fußt aus eigenen Erfahrungen in verschiedenen Städten, unter anderen auch Paris, daher sind gerade diese Passagen realistisch und glaubwürdig. Auch den Künstler Gösta, der Doris engster Freund war, gab es wirklich.

Das Buch zu lesen ist eine Freude! Der angenehm zu lesende Schreibstil von Sofia Lundberg erlaubt es, den Roman nahezu komplett am Stück zu lesen. Die Handlung entfaltet sich so am besten.

Veröffentlicht am 12.08.2018

Die Suche nach den seltenen Blumen

Der Blumensammler
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Der Blumensammler ist ein angenehm zu lesender, aber nicht zu unterschätzender Roman mit 2 zeitlich versetzten Handlungsebenen. Erfreulicherweise kann man sagen, dass beide Handlungsebenen gleichwertig ...

Der Blumensammler ist ein angenehm zu lesender, aber nicht zu unterschätzender Roman mit 2 zeitlich versetzten Handlungsebenen. Erfreulicherweise kann man sagen, dass beide Handlungsebenen gleichwertig sind. Das ist nicht bei jedem Buch so. Oft hat man einen Favoriten und langweilt sich bei dem anderen. Hier ist es nicht so, auch weil beide Ebenen eine starke Hauptfigur haben: Dove (London, Gegenwart) und Peter Manyweathers (New York, ab 1983).
Auffällig, wie unterschiedlich die Stimmungen der beiden Handlungsstränge sind. Die Abschnitte mit Dove sind eher dunkel gefärbt und von Verlust geprägt, die mit Peter sind bei aller Abenteuerlichkeit ruhiger.

David Whitehouse überzeugt durch die Entwicklung seiner Figuren. Dove arbeitet in einem Callcenter für Notfälle. Er wird häufig von fremden Erinnerungen durchflutet, auch von denen von Peter, der sich sehr für seltene Blumen interessiert. Um diese nahezu ausgestorbenen Blumen zu finden, reist er mit seinem Freund Hens sogar nach China, Gibraltar, Chile und in andere Länder. Oft ist das nicht ungefährlich.
Als Leser fragt man sich, wie die beiden Handlungsstränge zu einander geführt werden. Das ergibt einen spannenden Plot.
Mit Professor Cole gibt es sogar noch einen dritten Handlungsstrang, der die ersten beiden zusammenführt.

Es gibt auch gut charakterisierte Nebenfiguren wie Len und Maud, die Dove als Kind adoptierten oder Peters Schwester Susan und seine Assistentin.

Der Roman heißt im Original The Long forgotten und wurde von Dorothee Merkel übersetzt, die schon bemerkenswerte Bücher von Nickolas Butler, Peter Nichols und John Banville übersetzte und nach meinem Eindruck auch hier gute Arbeit leistete, den eine stimmungsvolle Sprache bleibt erhalten.

Dieses Buch zu lesen hat einfach Spaß gemacht!

Veröffentlicht am 12.08.2018

Entschlossenheit führt zum Erfolg

Ein Song bleibt für immer
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Was von Cover- und Buchgestaltung wie ein einfacher romantischer Roman daherkommt, ist dann doch etwas mehr. Es ist ein Roman über eine junge Frau, die sich trotz schwerer Krankheit den Wunsch erfüllen ...

Was von Cover- und Buchgestaltung wie ein einfacher romantischer Roman daherkommt, ist dann doch etwas mehr. Es ist ein Roman über eine junge Frau, die sich trotz schwerer Krankheit den Wunsch erfüllen will, Sängerin zu werden. Fast unmöglich, wenn man an Mukoviszidose leidet und nur eine Lebenserwartung von ca. 30 Jahren hat. Der Roman basiert auf dem Leben von Alice Martineau und sie hat es geschafft. In Lesepausen kann man ihre Songs hören, eine Mischung aus Singersongwriter und Pop. Hört doch zum Beispiel mal in ihren Song If I fall hinein. Dieser Song spielt in einer wichtigen Szene im Buch eine große Rolle.

Die Lovestory zwischen Alice und Tom spielt eine Rolle im Roman, aber nicht unbedingt die Hauptrolle. Alice Kampf um ihre Musik und gegen ihre Krankheit steht im Mittelpunkt. Und es ist auch ein Kampf gegen die Zeit. Manchmal hätte ich mir gewünscht der Schreibstil von der Autorin Alice Peterson wäre nicht ganz so glatt, aber immerhin schafft sie es doch, Alice Martineau eine Persönlichkeit zu geben, die ihre Stärke zeigt.
Gelungen sind auch die Einschübe von Alice Mutter mit Mary´s Tagebuch, die Alice Zustand reflektieren.

Insgesamt ein gute Portrait einer jungen Frau mit Persönlichkeit. Ein Roman, den man schnell lesen kann.