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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.05.2018

leicht, aber nicht flach

Das Glück kurz hinter Graceland
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Nach dem Tod ihrer Mutter fährt die 37jährige Sängerin Cory Beth Ainsworth zusammen mit ihrem Hund Lucy ein Auto (ein 1973er Stutz Blackhawk) nach Graceland. Es ist wahrscheinlich der Wagen von Elvis Presley. ...

Nach dem Tod ihrer Mutter fährt die 37jährige Sängerin Cory Beth Ainsworth zusammen mit ihrem Hund Lucy ein Auto (ein 1973er Stutz Blackhawk) nach Graceland. Es ist wahrscheinlich der Wagen von Elvis Presley. Die Frage, die Cory umtreibt ist, ob Elvis ihr leiblicher Vater war.
Die Fahrt geht durch von South Carolina über Georgia, Alabama, Mississippi bis nach Memphis.
Cory stößt auf viele Menschen, mit denen sie sich unterhält. Diese Dialoge gehören zu den Stärken der Autorin.
Ab und zu gibt es Kapitel, die ins Jahr 1977 zurückgehen und Corys Mutter Laura, genannt Honey, als Protagonistin zeigen. Sie war Backgroundsängerin bei Elvis.

Sehr berühmte Persönlichkeiten als Figuren in einem fiktiven Roman auftreten zu lassen, hat immer etwas heikles, aber Kim Wright geht dabei behutsam und glaubwürdig vor.

Ein leichter Roman, der aber nicht flach geschrieben ist.
Er könnte leicht melancholisch sein, aber eine sympathische Hauptfigur und ihr verhaltener Humor lockern die Handlung auf. Diese Erzählart konnte mich überzeugen und ich würde gerne wieder etwas von Kim Wright lesen.

Veröffentlicht am 05.05.2018

Kurz, aber fein

Ans Meer
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Ans Meer ist ein vergnüglicher Roman, der sich liest als wenn man einen unterhaltsamen Film sieht.
Durch die Kürze des Buches von nur 140 Seiten ist die Dauer auch vergleichbar.
Ich bin versunken im Buch ...

Ans Meer ist ein vergnüglicher Roman, der sich liest als wenn man einen unterhaltsamen Film sieht.
Durch die Kürze des Buches von nur 140 Seiten ist die Dauer auch vergleichbar.
Ich bin versunken im Buch und habe es einfach nur genossen.

Der Plot ist characterdriven. Rene Freund erschafft sympathische Figuren, die dem Leser am Herzen liegen werden.
Anton, der Busfahrer, lässt sich auf eine ungewöhnliche Bitte von Carla und ihrer Tochter Annika ein. Carla ist krebskrank und möchte ein letztes mal, das Meer sehen. Sie möchten, dass er sie mit seinem Linienbus ans Meer in Italien fährt. Weitere Jugendliche und eine ältere Frau sind mit im Bus. Es kommt zu einigen humorvoll erzählten Episoden, insbesondere bei Stopps. Durch ihre gemeinsame Fahrt wird die Gruppe zu einer Gemeinschaft, fast wie eine Familie.

Rene Freunds Stärke liegt in der Art des warmherzigen Erzählens, der Betonung der Menschlichkeit, dem dezenten Humor, der sich klar von Klamauk abgrenzt. Schon seinen Roman "Liebe unter Fischen" mochte ich und ich hoffe, ihn bald wieder lesen zu können.

Veröffentlicht am 05.05.2018

Hohe Komplexität

Die Reise der Scythe 1
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Die Reise der Scythe ist der erste Teil einer Reihe. Dirk van den Booms Wurzeln liegen in der Trivialliteratur. Daran gemessen ist das Buch wirklich ein ordentlicher Science Fiction-Roman.
Durch mehrere ...

Die Reise der Scythe ist der erste Teil einer Reihe. Dirk van den Booms Wurzeln liegen in der Trivialliteratur. Daran gemessen ist das Buch wirklich ein ordentlicher Science Fiction-Roman.
Durch mehrere Handlungsstränge und viele Figuren entsteht eine hohe Komplexität.

Neben der Mannschaft der Scythe sind vielleicht die beiden Astronomiestudenten Jordan und Elissi wichtigste Figuren, jedenfalls meine Lieblingsfiguren.
Jordan und Elissi ist ein interessantes Paar, da die intelligente Elissi sehr verschlossen ist, Jordan sich aber liebevoll um sie kümmert.
Manche Klischees werden nicht vermieden. Schwachpunkt bei der Figurengestaltung ist der sadistische Superschurke Joaquim Gracen, der wie aus einem James Bond-Film entsprungen wirkt.
Auch einige der positiv besetzten Figuren überzeugen nicht vollumfänglich.
Wie die vielen Plots letztlich zusammengeführt werden, erschließt sich noch nicht und man muss fürchten, dass das dem Autor nicht komplett gelingen wird. Aber wirklich sagen kann man das erst später und vielleicht erhalten einige Figuren, die zunächst überflüssig zu sein scheinen, später doch noch Bedeutung.

Der Roman Spaß gemacht und ich gebe 3,5 von 5 Sternen! Es endet vollkommen offen und es bleibt ein latentes Interesse daran, wie es weitergehen wird. Bei Gelegenheit werde ich vielleicht weitere Teile lesen.

Veröffentlicht am 04.05.2018

Realistisch geschilderte Autobiographie

Barbarentage
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Barbarentage ist die Autobiographie des 1952 geborenen US-amerikanischen Autors William Finnegan, der in Hawaii aufwuchs und dessen Leidenschaft das Surfen ist.
Finnegan bekam für dieses umfangreiche Werk ...

Barbarentage ist die Autobiographie des 1952 geborenen US-amerikanischen Autors William Finnegan, der in Hawaii aufwuchs und dessen Leidenschaft das Surfen ist.
Finnegan bekam für dieses umfangreiche Werk den Pulitzerpreis. Ich könnte mir vorstellen, dass einer der Gründe dafür ist, dass es ihm gelang in nüchterner, sachlicher Sprache mit großer Genauigkeit ein Zeitportrait zu schaffen. Durch seine Schilderungen kann man sich genau vorstellen, was es hieß in der Zeit aufzuwachsen. Dazu gehörte zum Beispiel Gewalt an der Schule. Was Finnegan als Junge befreite war das Surfen. Damit verbrachte er seine Freizeit, das grenzte ab von dem anderen, eintönigen Leben in Schule und Familie.
Hier fand er Frieden und Freiheit. Insgesamt nimmt das Surfen deshalb einen so großen Raum im Buch ein.

Barbarentage ist ein Buch, für das man Geduld braucht, doch wenn man bedenkt, dass der Autor sein ganzes Leben in ein Buch gesteckt hat, ist der Umfang angemessen.
Die Form wird sinnvoll durch einige Schwarzweiß-Fotos ergänzt.

Auch Literatur spielt für den jungen William eine große Rolle: Thomas Pynchon, Claude Levi-Strauss, Cormac McCarthy, Patrick White, Dylan Thomas …
Der spätere Journalist schreibt auch an einem Roman.
Dann reist er durch die Länder, sogar nach Südafrika, schließlich wieder in die USA, San Francisco und New York.

William Finnegan verfemt die Zeit der sechziger und siebziger Jahre nicht, aber verklärt sie auch nicht. Dadurch wirkt es so realistisch.

Veröffentlicht am 02.05.2018

Charakter-driven

Alles Begehren
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Alles begehren ist in erster Linie ein Roman über Beziehungen, dazu über einen langen Zeitraum angelegt und vollkommen unkitschig.
Mit Kate ist eine realistische Hauptfigur vorhanden. Sie ist Schauspielerin, ...

Alles begehren ist in erster Linie ein Roman über Beziehungen, dazu über einen langen Zeitraum angelegt und vollkommen unkitschig.
Mit Kate ist eine realistische Hauptfigur vorhanden. Sie ist Schauspielerin, eine europäische, damit entfallen die Klischees, die man sich über Hollywoodschauspieler macht. Schließlich ist auch die Autorin Ruth Jones selbst Schauspielerin und erstellt in ihrem Debütroman ein stimmiges Bild.

Kate ist selbstbewusst, sie wurde bei einem One-Night-Stand als 22jährige Studentin von einem verheirateten Mann schwanger und diesen Mann trifft sie jetzt nach fast 20 Jahren in Edinburgh, Schottland wieder. Eigentlich dachten sie, die Vergangenheit läge hinter ihnen, aber die erneute Begegnung lässt alte Gefühle wieder aufbrechen.
Das ist problematisch, da Callum immer noch verheiratet ist, ebenso wie Kate inzwischen auch, sie hat sogar noch eine kleine Tochter. Wenn die Situation eskaliert wird das für alle Beteiligten sehr schmerzhaft. Hier stellt sich auch die Frage, ob große Leidenschaft es wert ist, alles andere zu opfern.

Ob Kate und Callum wirklich gut füreinander sind, sei dahingestellt. Kate kann sehr rücksichtslos sein, wenn es darum geht, das zu bekommen, was sie will. Und Callum ist oft willensschwach.

Der relativ ruhig geschriebene Roman braucht lange, um in Fahrt zu kommen. Erst in den letzten 100 Seiten kommt richtig Tempo auf.

Ruth Jones große Fähigkeit ist es, ihre Figuren mit allen Fehlern und Schwächen zu entwerfen und doch den Leser stark für sie fühlen zu lassen.