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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.03.2018

Beklemmende Atmosphäre

NACHTWILD
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Joan ist mit ihrem 4jährigen Sohn Lincoln im Zoo als plötzlich zwei junge Männer auftauchen, die bewaffnet sind und um sich schießen. Ein Amoklauf!
Joan reagiert sofort, flüchtet mit Lincoln in eine leeres ...

Joan ist mit ihrem 4jährigen Sohn Lincoln im Zoo als plötzlich zwei junge Männer auftauchen, die bewaffnet sind und um sich schießen. Ein Amoklauf!
Joan reagiert sofort, flüchtet mit Lincoln in eine leeres Tiergehege um sich dort zu verstecken.
Der Roman ist nahezu in Echtzeit erzählt. Die Bedrohung, die Joan fürchtet, kann man beim Lesen mit Beklemmung mitempfinden.

Die amerikanische Autorin Gin Phillips schildert das Szenario in einem Zeitraum von nur ca. 3 Stunden. Die Zeiten werden kapitelweise angegeben, so dass man den Überblick behält, denn in diesen Stunden geht Joan viel durch den Kopf und schließlich müssen sie wieder flüchten vor den Männern, die vom Columbine-Massaker beeinflusst wurden und im großen Zoo jetzt die Menschen jagen, sie schießen sogar auf die Tiere, töten Affen und einen Elefanten. Von Polizei oder anderer Hilfe keine Spur!

Joan und Lincoln treffen weitere Menschen auf der flucht, die junge Kailynn und eine pensionierte Lehrerin.
Eine bemerkenswerte Szene gibt es als Lehrerin auf einen der Killer trifft, der sie als seine Lehrerin wiedererkennt und verschont.
Es dauert zwei Drittel des Romans bis es endlich zur offenen Konfrontation kommt, die man als Leser erwartet wie befürchtet hat. Die angekündigte Dramatik überwältigt! Das Buch ist eine Mischung aus Thriller und Drama und erinnert an Filme wie Panic Room oder Elephant.

Veröffentlicht am 28.03.2018

Lesefest

Die Büglerin
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Die Büglerin ist ein ungewöhnlicher, detailreicher Roman, was man bei einem Autor wie Heinrich Steinfest erwarten kann.
Er erzählt die Lebensgeschichte von Tonia Schreiber. Auf einem Segelboot geboren, ...

Die Büglerin ist ein ungewöhnlicher, detailreicher Roman, was man bei einem Autor wie Heinrich Steinfest erwarten kann.
Er erzählt die Lebensgeschichte von Tonia Schreiber. Auf einem Segelboot geboren, in Wien aufgewachsen, später in Hamburg und Wien. Sie war eine wohlhabende Meeresbiologin, die nach einem schweren Schicksalsschlag, für den sie sich die Schuld gibt, zurückzieht, sich zur Sühne von ihrem Reichtum trennt und als Haushälterin und Büglerin arbeitet. Warum als Büglerin? Das kann man nicht hinterfragen, letztlich einer von vielen originellen Einfällen des Autors. Dabei trifft Tonia in ihren Kunden reichlich schräge Typen.
Manchmal wünscht man sich, Steinfest würde erzählerischer schreiben, viele Passagen, besonders am Anfang, wirken wie ein Bericht mit vielen Details. Dadurch entsteht zunächst eine gewisse Distanz zur unnahbaren Hauptfigur. Das verliert sich später zum Glück, als sie Karl Dyballa kennenlernt, mit dem sie sich anfreundet Doch das tragische Ereignisse der Vergangenheit lässt sie auch nach Jahren nicht los. Zum Ende hin wird es dramatisch, als Tonia auf die Spur der vergangenen Ereignisse gerät und schließlich Dyballas Tochter verschwindet

Ein erstaunliches Buch, sehr lesenswert, fast schon ein Lesefest!

Veröffentlicht am 27.03.2018

Raus aus der Blase

Halleluja
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Ein Buch mit einem sehr interessanten Thema. Ich bin kein Blog-Leser, daher froh, dass dieses Buch jetzt da ist und man das einjährige Zusammentreffen und Auseinandersetzen zwischen einer Journalistin ...

Ein Buch mit einem sehr interessanten Thema. Ich bin kein Blog-Leser, daher froh, dass dieses Buch jetzt da ist und man das einjährige Zusammentreffen und Auseinandersetzen zwischen einer Journalistin und einem katholischen Priester lesen kann. Anfangs dachte ich Valerie Schönian würde sich dem Thema nur oberflächlich nähern, aber mit der Zeit entfalten sich die Qualitäten eines ordentlichen Journalismus. Sie lässt sich auf die Themen ein, ohne dabei auf ihre eigene Meinung zu verzichten, ist aber auch bereit, sich auf die andere Meinung einzustellen und alles zu überdenken. Kennzeichnend dafür ist z.B. ihr Eindruck vom Zusammenhalt der Menschen auf dem Jugendtag in Polen, als auch sie den Rausch spürt. Das kann man als Leser gut nachvollziehen. Oft gibt es aber auch keine Annäherung. Valerie Schönian lässt es sich nicht nehmen, auch die unbequemen Themen einzubringen, die fatalen Verfehlungen der katholischen Kirche. Sie macht es aber auf eine lockere Art, die es überhaupt erst ermöglicht, weiterzudenken. Der Priester Franziskus ist zwar eher konservativ, aber nicht unsympathisch. Das Thema konservative gegen reformwillige Katholiken ist überhaupt zur Zeit ein großes Thema. Durch dieses Buch kann der reformbefürwortende Leser die „Gegenseite“ auf eine geeignete Weise kennen lernen und aus der eigenen Blase heraustreten. Bewegende Szenen gibt es, wenn Valerie Franziskus von Boeselange auf seiner seelsorgerischen Tätigkeit begleitet. Für interessierte ist dieses Buch nicht gerade langweilig!

Veröffentlicht am 25.03.2018

Zwischen kunstvoll und künstlich gestrandet

Ein Geständnis
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Thekla Chabbi dürfte den meisten Lesern durch ihre Zusammenarbeit mit Martin Walser (Ein sterbender Mann) ein Begriff sein. Auf dessen hohen literarischen Niveau bewegt sie sich dann aber doch nicht. Immerhin ...

Thekla Chabbi dürfte den meisten Lesern durch ihre Zusammenarbeit mit Martin Walser (Ein sterbender Mann) ein Begriff sein. Auf dessen hohen literarischen Niveau bewegt sie sich dann aber doch nicht. Immerhin hat sie einen eigenen Ton und nutzt eine zeitlich verschachtelte Erzählweise mit kafkaesken Einschlag.
Die Protagonistin Amelie sitzt im Gefängnis, der Grund ist zunächst unklar. Sie wird regelmäßig von einem alten Herrn Blum besucht, der sie seelsorgerisch betreut. Ihre Gespräche wirken leicht rätselhaft auf den Leser. Dann gibt es die Rückblenden, aus denen sich die Zusammenhänge langsam mit Fortschreiten des Romans ergeben.
Amelie Frank war als Wirtschaft-Rechtsanwältin unzufrieden, eigentlich wollte sie kündigen.
Hinzu belastete sie die Trennung ihrer Eltern, die in eine Art Rosenkrieg ausartete.
Es ist auch sehr gut der Fahrradunfall herausgearbeitet, der für Amelie eine Art Erweckungsmoment einleitet. Das mündet in einem Interesse für Astrologie und der Begegnung mit dem suspekt wirkenden Mario. Eine unheilvolle Beziehung beginnt, die schnell in einer Enttäuschung endet.

Ich habe so meine Probleme mit den verhaltenen Dialogen, die möglicherweise in einer höhergestellten Gesellschaftsschicht gesprochen werden. Mir ist diese Sprache unbekannt und letztlich nicht ganz glaubwürdig. Walser Kunstsprache ist da im Vergleich kunstvoller.
Das verhindert natürlich nicht, dass man sich als Leser dafür interessiert, wie Amelie in ihre prekäre Situation geraten ist, die sich in Melancholie und innere Krise ausdrückt.
Ich begrüße auch ausdrücklich den psychologischen Ansatz um den Plot zu gestalten. Das Buch ist lesenswert!

Veröffentlicht am 24.03.2018

hochreflektiv

Stillleben
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Antonia Baums erzählerisch ausgebildetes Essay ist hochreflektiv. Es stellt die Überlegungen einer anfangs schwangeren Frau, später jungen Mutter, in einer Großstadt dar. Es geht um die Rolle, die eine ...

Antonia Baums erzählerisch ausgebildetes Essay ist hochreflektiv. Es stellt die Überlegungen einer anfangs schwangeren Frau, später jungen Mutter, in einer Großstadt dar. Es geht um die Rolle, die eine Frau als Mutter plötzlich einnehmen soll, wie es selbst oder gesellschaftlich erwartet wird. Baum stellt das auch mit den erwarteten Pflichten an die Mütter und das Frauenbild in der Vergangenheit in Bezug, das eine Reduzierung der Individualität bedeutet.
In dem Zusammenhang wird Johanna Haarers Erziehungsratgeber aus der NS-Zeit zur Diskussion gestellt, der selbst später noch lange neu aufgelegt wurde.
Daneben wird der Alltag geschildert, zu dem es gehört, das Kind zu umsorgen und zu stillen. Die Geburt hat aber unmerklich auch ihre Außenwahrnehmung verändert, so hat sie Angst, mit dem Baby die Wohnung zu verlassen und fühlt sich isoliert, obwohl ihr Freund sich partnerschaftlich verhält. Auch fühlt sie sich in der Umgebung nicht mehr wohl, sie empfindet sie bedrohlich.
Doch allmählich findet sie wieder in einen normalen Zustand, wobei das ausformulieren dieses Textes vermutlich dazu beigetragen hat.

Ich fand es sehr interessant, den Gedankengängen Antonia Baums zu folgen, da sie oftmals originell sind und nicht nur das erwartbare bieten.