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Veröffentlicht am 02.12.2018

Literarischer Thriller aus Südkorea

Die Plotter
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Die Plotter ist ein spannender Roman aus Südkorea.
Die ausdrucksvolle bildliche Sprache des koreanischen Autors erinnert mich weniger an die Filme von Kim Ki-Duk, die ich auch sehr schätze als an die ...

Die Plotter ist ein spannender Roman aus Südkorea.
Die ausdrucksvolle bildliche Sprache des koreanischen Autors erinnert mich weniger an die Filme von Kim Ki-Duk, die ich auch sehr schätze als an die Wucht des frühen John Woo (Bullet in the Head, Hardboiled).
Die mafiösen Kreise, die das Leben des 32jährigen Auftragskillers Raeseng bestimmen, waren immer Teil seines Lebens. Raeseng wurde als Baby in einer Mülltonne gefunden und dann von Old Raccoon adoptiert. So war sein Leben vorbestimmt. Er führt die Befehle aus. Die Auftragskiller sind seine einzige Familie.
Der Autor macht aber auch deutlich, dass gesellschaftliche Misstände mitverantwortlich sind, die als Überbleibsel der südkoreanischen Militärdiktatur entstanden.

Die Tatsache, dass Raeseng sich sein Leben nicht selbst ausgesucht hat, lässt den Leser mit der Figur fühlen. Ein mal als er Anfang Zwanzig war, versuchte er auszubrechen und als Fabrikarbeiter ein bürgerliches Leben zu führen, doch letztlich konnte er seiner Bestimmung nicht entkommen und kehrte zurück.

Un-Su Kim schafft es auf verschiedene Art, Atmosphäre aufzubauen, zum Beispiel mit sparsam verteilten effektvollen Action-Szenen, aber auch mit ungewöhnlichen Schauplätzen wie das Dog House, die Bibliothek von Old Raccoon, in der sich Raeseng gerne zurückzieht. Eine große Stärke sind auch die intensiv ausgestalteten Dialoge, die von Ironie und Fatalismus geprägt sind. Keine der Figuren glaubt, seinem Schicksal entgehen zu können.
Es ist ebenfalls beeindruckend, was für eine komplexe Geschichte sich schließlich entwickelt.

Veröffentlicht am 24.11.2018

zum versinken

Die Ballade von Max und Amelie
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Die Ballade von Max und Amelie ist schon ein wenig Poesie in Prosa, Da passt auch das stimmungsvolle Cover gut. Es ist eine Liebesgeschichte und auch eine Art Märchen.
Natürlich könnte man versuchen, den ...

Die Ballade von Max und Amelie ist schon ein wenig Poesie in Prosa, Da passt auch das stimmungsvolle Cover gut. Es ist eine Liebesgeschichte und auch eine Art Märchen.
Natürlich könnte man versuchen, den parabelhaften Roman literaturkritisch zu analysieren, aber besser ist es, sich der Handlung hinzugeben und ganz und gar zu versinken.

Max und Amelie sind ganz unterschiedliche Charaktere mit verschiedenen Lebenserfahrungen.
Sie ist wild auf einer Müllkippe in einem Rudel aufgewachsen und eine Kämpferin, Max hingegen ist ein Haushund, gut genährt und treu. Aber als er in Schwierigkeiten kommt und von seinem Zuhause getrennt ist, ist es es Amelie, anfangs noch Narbe genannt (wegen ihrem herausgebissenen Auge), die ihm hilft.
Narbe ist stark und wild, aber nicht ohne Mitleid. Sie ist bereit den fremden Hund, der so zutraulich ist, nach Hause zu führen. Das gibt dem Buch Elemente einer Road Novel.
Zusätzlich werden immer wieder Träume, Lieder und mythologische Geschichten eingebunden.
Max und Narbe begegnen auch anderen Tieren, wie Vögel, Wölfe, sogar einmal einer hochmütigen Katze. Doch eine große Gefahr gibt es auch, eine rachsüchtige Menschenfrau.
Beeindruckend, wie sensibel die Figuren charakterisiert werden. Auffällig auch, wie das Schicksalshafte betont wird.

So eine Tiergeschichte gab es schon sehr lange nicht mehr. David Safier selbst spricht von „Unten am Fluß“, dem Tierbuchklassiker von Richard Adams, der ihn inspiriert hat.

David Safiers geschmeidiger Stil ist angenehm zu lesen.Und er hält sich nicht zurück, lässt seine Figuren fabulieren, stets mit einer Sehnsucht nach Geborgenheit.

Veröffentlicht am 13.11.2018

Episch und wuchtig!

Der Wilde
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Der Wilde ist ein imposanter, bemerkenswerter Koloss von Roman, der mich sofort gepackt hat, wie lange kein Buch mehr. Der Roman lässt sich gut lesen, enthält aber ab und zu auch einmal sprachliche Spielereien ...

Der Wilde ist ein imposanter, bemerkenswerter Koloss von Roman, der mich sofort gepackt hat, wie lange kein Buch mehr. Der Roman lässt sich gut lesen, enthält aber ab und zu auch einmal sprachliche Spielereien und kulturwissenschaftlich Ausflüge (z.B. einmal über den Schriftsteller Martin Luis Guzmann und Pancho Villa), die als Gleichnisse für die Romanhandlungen dienen.

Icherzähler und Protagonist ist der junge Juan, der das Pech hat, sowohl seinen Bruder zu verlieren, der ermordet wurde, als auch seine Eltern, die tödlich verunglücken. Das sind zu viele Schicksalsschläge auf einmal.
Er ist als 17jähriger alleine mit den verbleibenden Haustieren und seiner Wut und Hass auf den Mörder seines Bruders. Gleichzeitig quält ihn Eifersucht, da seine Freundin auch mit anderen Männern schläft. Perfekt ist in diesem Buch niemand, auch Juan schleppt Schuld mit sich.
Juan erzählt seine Kindheit und Jugend in den sechziger/siebziger Jahren ausführlich. Ein Wendepunkt erfolgt, als er einen aggressiven Wolfshund aufnimmt, der sich dann sogar als reinrassiger Wolf entpuppt. Ihn zu zähmen ist ein schwieriger Akt, der auch zu einem Kampf mit seinem eigenen Inneren wird. Es wird eine Geschichte von Rache und Überwindung!
Seine Emotionen sind zwingend geschildert, man kann sich ihnen als Leser nur schwer entziehen.

Eine schöne Idee des Autors ist es, zwischendurch eine Parallelhandlung um einen weiteren Wolf zu erzählen. Da geht es dann auch um die Menschen, die sich mit diesem Wolf auseinandersetzen, zuerst der Inuit Amaruq, später Robert und seine Familie. Schließlich werden beide Handlungsstränge geschickt zusammengeführt.

Guillermo Arriaga ist ein Filmschaffender, der als Drehbuchautor und Regisseur Erfolge hatte. Da wundert es nicht, dass seine wuchtige Sprache bildhaft und eindrucksvoll wirkt.

Veröffentlicht am 09.10.2018

Ein Stück deutsche Geschichte, gefasst in Literatur

Eifel-Trilogie / Die Stille im Dorf
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Momentan gibt es wieder vermehrt hochkarätige, lesenswerte Romane, die sich mit dem deutschen Alltag im zweiten Weltkrieg auseinandersetzen. Prominent zu nennen sind da Ralf Rothmanns letzte Bücher und ...

Momentan gibt es wieder vermehrt hochkarätige, lesenswerte Romane, die sich mit dem deutschen Alltag im zweiten Weltkrieg auseinandersetzen. Prominent zu nennen sind da Ralf Rothmanns letzte Bücher und Arno Geiger mit Unter der Drachenwand, der sogar für den deutschen Buchpreis nominiert war.
Karl Blaser stößt mit Die Stille im Dorf auch hinzu. Er wählt für die sein komplex angelegte Buch ein Eifeldorf bzw. zentral einen Bauernhof im Winter 1944/1945. Hier lebt der Bauer Johann Gross mit seiner Frau Anna und den schon erwachsenen Kindern Margarethe und Micha. Der Klappentext stellt Margarethe in den Vordergrund, aber tatsächlich wird die Handlung gut auf die Figuren verteilt. Während Margarethe ihren Verlobten an der Front verliert, kommt Micha verletzt und verzweifelt davon zurück.
Bei der Figurengestaltung gibt es immer wieder Augenblicke, in denen man ihnen nahekommt, dann entsteht auch wieder Distanz. Die Familie ist zeitgemäß konform zur Partei, sie sind Mitläufer. Eine mehr als ambivalente Figur ist Johann. Er ist als Ortsbauernführer ein hundertprozentiger und führt sowohl die Bauern als auch die eigene Familie mit eiserner Hand. Er beutet polnische Zwangsarbeiter aus, schreckt auch nicht vor Vergewaltigung zurück. Dann gibt es aber auch Momente, wo es eine Einsicht zu geben scheint. Er gibt z.B. seine Ideale sofort auf, als die Alliierten anrücken. Das Hin und Her ist wohl auch ganz realistisch, aber mir ging es da manchmal zu schnell.
Davon abgesehen, gelingt es Blaser hervorragend Stimmungen und besondere Momente zu verdeutlichen. Ich denke, a z.B. an die Szene, als der amerikanische Soldat die Kirche im Dorf stürmt, und die Statue der heiligen Appolonia köpft.
Karl Blaser erzählt die Familiengeschichte auch nach dem Krieg weiter. Da spielen zunächst Johanns Schwester Mathilde und ihre Familie eine große Rolle, ebenso wie Marie, die Verlobte von Micha. Bis Anfang der neunziger Jahre entwirft Blaser die Familiengeschichte.
Insgesamt bekommt der Leser einen guten und vor allen sehr glaubhaften Einblick in die Zeit und den Ort.

Karl Blaser, der selbst auf einem Bauernhof geboren wurde, schöpft aus Erzählungen z.B. von seiner Mutter und schuf daraus ein glaubwürdiges Stück Literatur um deutsche Geschichte.

Veröffentlicht am 20.09.2018

Prager Nächte

Alchimie einer Mordnacht
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Schon so einige Banvilles und ein paar Blacks habe ich gelesen und schätze den eleganten Stil und sein Rafinesse bei der Gestaltung des Plots. Icherzähler ist der junge Gelehrte Christian Stern, der den ...

Schon so einige Banvilles und ein paar Blacks habe ich gelesen und schätze den eleganten Stil und sein Rafinesse bei der Gestaltung des Plots. Icherzähler ist der junge Gelehrte Christian Stern, der den Auftrag bekommt den Mordfall an der Geliebten des Kaisers aufzuklären. Es bleibt auch nicht die letzte Leiche. Allerdings ist Stern kein guter Detektiv und er stolpert mehr durch Prag als das er gezielt vorgeht. Prag ist 1599/1600 eine bedeutende Stadt. Kaiser Rudolf II hatte seinen Hof dahin verlegt und bedeutende Leute um sich versammelt, z.B. auch Kepler, über den Banville früher schon einmal ein Portrait geschrieben hatte. Hier hat er aber nur einen Gastauftritt. Rudolf hingegen ist sehr präsent, auch wenn er tatsächlich nicht so viele Auftritte im Buch hat.

Die Nächte in Prag sind geheimnisvoll. Die Stadt spielt die eigentliche Hauptrolle. Der Ablauf der Handlung funktionierte gut, die Erzählperspektive passte wieder einmal bestens. Es ist weder ein klassicher Krmi noch nur ein historischer Roman sondern tatsächlich in all seiner Pracht auch ein Stück faszinierende Literatur.