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Veröffentlicht am 24.03.2018

Die Kämpferinnen der Pfeffermühle

Erika und Therese
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Über Erika Mann, die außergewöhnliche und resolute Tochter des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann ist schon viel geschrieben worden. Daher ist es sinnvoll, ihr in diesem Buch die Schauspielerin Therese ...

Über Erika Mann, die außergewöhnliche und resolute Tochter des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann ist schon viel geschrieben worden. Daher ist es sinnvoll, ihr in diesem Buch die Schauspielerin Therese Giehse gegenüberzustellen.

Gemeinsam traten sie im politischen Kabarett Die Pfeffermühle auf. Das Programm der Pfeffermühle war politisch engagiert und sie mussten daher schon bald aus Deutschland fliehen. Im Exil setzten sie ihre Arbeit fort.
Einige der stets provokanten Texte der Pfeffermühle werden hier erfreulicherweise gequotet und in Kontext gesetzt.

Gunna Wendt zeigt die Persönlichkeiten der beiden Frauen vielschichtig, mit verschiedenen Aspekten.

Die Erika Mann-Passagen enthalten auch die Inbezugnahme der ganzen Mann-Familie, Thomas, Katia, Heinrich, Klaus etc. und damit auch die gesellschaftspolitischen Ereignisse in Deutschland der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, die sich widerspiegeln.
Auch Bekannte der Familie wie Gustaf Gründgens, die Wedekinds und Gerhard Hauptmann uva. spielen eine Rolle. Beeindruckend, wie die Biographin Gunna Wendt auf relativ wenig Raum so viel reinpacken kann.
Die Liebe und Freundschaft zwischen Erika und Therese kommt anfangs ziemlich kurz, bis sie sich auch nur kennenlernen vergehen fast 100 Seiten. Dafür wird die enge Beziehung zwischen Erika und ihrem Bruder Klaus intensiv beschrieben. Diese Abschnitte finde ich besser als z.B. die von Armin Strohmeyr in seiner Erika und Klaus Mann-Biographie von 2004.

Über die Jahrhundertschauspielerin Therese Giehse, die größte europäische Schauspielerin laut Brecht, wusste ich nicht so viel, obwohl mir der Name natürlich ein Begriff ist und ich auch schon Filme mit ihr gesehen hatte.
Mich hat das sehr interessiert und es ist wichtig, die großen Persönlichkeiten der deutschen Vergangenheit nicht ins Vergessen geraten zu lassen. Auch deswegen bin ich diesem Buch dankbar.

Veröffentlicht am 18.03.2018

Giganten unter den Denkern

Zeit der Zauberer
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Zeit der Zauberer ist ein Buch über deutsche Philosophie in einer entscheidenden Zeit, das mir ausgezeichnet gefällt. Man muss aber ein geeigneter Leser für das Buch sein. Der Philosophie-Spezialist weiß ...

Zeit der Zauberer ist ein Buch über deutsche Philosophie in einer entscheidenden Zeit, das mir ausgezeichnet gefällt. Man muss aber ein geeigneter Leser für das Buch sein. Der Philosophie-Spezialist weiß vielleicht schon zu viel, der absolute Laie zu wenig. Beide Extreme können wahrscheinlich wenig mit dem Buch anfangen.
Man sollte also schon wissen, wer die Hauptfiguren dieses Buches waren und welche Bedeutung sie hatten.
Martin Heidegger, Walter Benjamin, Ludwig Wittgenstein und der heutzutage vielleicht etwas weniger bekannte Ernst Cassirer haben die Philosophie des zwanzigsten Jahrhunderts geprägt und alle waren sie besondere Persönlichkeiten, wenn auch sehr verschiedene.
Dadurch, dass das Buch sehr erzählend gehalten ist und kapitelweise immer wieder zwischen den vieren wechselt, dennoch Zusammenhänge erkennen lässt, erhält das Buch eine besondere Spannung. Diese Spannung wird auch nahezu über den gesamten Text aufrechterhalten. Die Entwicklungen der Philosophie-Zauberer werden gut gezeigt, sowohl anhand ihres Lebens als auch den gesellschaftlichen Strömungen der Zeit, die auf ihre philosophischen Werke einwirkt.
Nur selten gab es Passagen, die mich wenig erreichten.
Dafür sind einige Momente so gut ausgeführt, dass sofortiger Lesegewinn entsteht. Dazu gehören z.B. Heideggers und Cassirers Philosophiediskussion beim Gipfeltreffen in Davos, Wittgenstein in Cambridge, Walter Benjamins ständige Finanzprobleme oder Heideggers Affäre mit Hannah Arendt und die Entstehung von Sein und Zeit. Man könnte viele weitere aufzählen.

Wolfram Ellenberger hat ein sehr unterhaltendes, lebhaftes Buch voller Tempo geschrieben, dass sich der Interessierte Leser nicht entgehen lassen sollte.

Veröffentlicht am 10.03.2018

Literatur voller Kraft

Der Lendenschurz
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Schon lange wollte ich einmal etwas von Patrick White lesen, dem bisher einzigen Literaturnobelpreisträger aus Australien. Das aber anfangs so verhalten und zurückhaltend erzählt wird, hatte ich nicht ...

Schon lange wollte ich einmal etwas von Patrick White lesen, dem bisher einzigen Literaturnobelpreisträger aus Australien. Das aber anfangs so verhalten und zurückhaltend erzählt wird, hatte ich nicht erwartet. Dazu mit Dialogen, die sich aber aus der Gesellschaftsschicht im neunzehnten Jahrhundert ergeben, aus denen die Protagonisten stammen.
Es wird der Zustand zwischen Konventionen, Zurückhaltung und versteckter Leidenschaft deutlich.

Patrick White hat mit seiner Romanhauptfigur Ellen Roxburgh eine interessante Person. Zusammen mit ihrem Mann macht sie eine Schiffsreise.
Lange Zeit ist der Roman undramatisch. Das ändert sich als das Schiff auf eine Riff läuft und vor der Küste von Queensland kentert. Sogar sprachlich gewinnt der Roman an Lebhaftigkeit. Patrick White überzeugt hier mit einer bildstarken, detailreichen Sprache, die neben seinen Themen der Grund für seinen Ruhm ist.
Kraftvoll wird die Handlung weiter erzählt.
Der Autor zeigt, wie schnell der schmale Grad zwischen Zivilisation und archaischer Welt erfolgen kann und er zeugt vom Überlebenswillen einer Frau.

Veröffentlicht am 03.03.2018

Blick ins Leben junger russsicher Frauen

Fliegende Hunde
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Fliegende Hunde ist ein mutig erzählter Roman mit jungen Protagonisten im Mittelpunkt. Die Erzählabschnitte wechseln zwischen den Freundinnen Oksana und Lena. Außer in gelegentlichern Rückblicken haben ...

Fliegende Hunde ist ein mutig erzählter Roman mit jungen Protagonisten im Mittelpunkt. Die Erzählabschnitte wechseln zwischen den Freundinnen Oksana und Lena. Außer in gelegentlichern Rückblicken haben sie im ersten Teil keine gemeinsamen Passagen. Lena ist als Modell nach Shanghai in China gegangen, Oksana ist zurückgeblieben in Russland.
Man bekommt einen Einblick in die Gedankenwelt junger russischer Frauen und etwas verhaltener auch von der aktuellen russischen Gesellschaft, für die Putin fast ein Superstar ist.
Es ist keine tolerante Gesellschaft und Homosexualität kaum akzeptiert.

Der Roman ist kurz, aber in allen Abschnitten nicht ohne, teilweise hart und fordernd, zum Beispiel wenn Lenas Modellarbeit sie an den Rand der Prostitution führt oder Oksana immer mehr in einem Forum für Magersüchtige versinkt. Ihre absurde Diät biegt Gefahren.

Im kürzeren zweiten Teil des Buches treffen sich die liebenden wieder, doch viel hat sich verändert.

Wlada Kolosowa ist eine vielversprechende Autorin, die mit Fliegende Hunde überzeugt und bei der man gespannt auf kommende Romane warten kann.

Veröffentlicht am 28.02.2018

Die Geschichte von Mileva Maric

Frau Einstein
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Frau Einstein zeigt ein intensives Profil einer begabten Frau, die sich in einer Männerwelt durchsetzen muss. Denn die junge Serbin Mileva Maric studiert Ende des neunzehnten Jahrhunderts in Zürich Mathematik ...

Frau Einstein zeigt ein intensives Profil einer begabten Frau, die sich in einer Männerwelt durchsetzen muss. Denn die junge Serbin Mileva Maric studiert Ende des neunzehnten Jahrhunderts in Zürich Mathematik und Physik. Ein Kommilitone von ihr ist Albert Einstein. Später werden sie heiraten und gemeinsam physikalische Theorien entwickeln.
Der Roman wird konsequent aus der Sicht Milevas erzählt, so werden ihre Empfindungen und ihre Entwicklung sehr deutlich. Dazu gehören auch ihre Selbstzweifel, da sie von Geburt mit einer Gehbehinderung geschlagen ist.

Besonders in den ersten Hundert Seiten ist der Roman ein Lesegenuß, da die Studienzeit des Paars in Zürich, mit vielen Details geschildert, ein gutes Stück Zeitportrait ist. Es gibt auch einige humorvolle Passagen und die Romanze geht langsam, aber unaufhaltsam voran.

Das es für Mileva später im Schatten Einsteins schwer wird, kann man sich denken. Dabei erweist sich Einstein in mehr als einer Hinsicht als Egoist. Schwer erträglich, was Mileva ertragen muss, z.B. die Trennung vom gemeinsamen, unehelichen Kind, dazu die fehlende Würdigung als Wissenschaftlerin in der Öffentlichkeit.

Frau Einstein ist ein Roman mit starker Wirkung aufgrund der starken Titelfigur. Wirklich sehr lesenswert und die Autorin Marie Benedict muss man sich merken.