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Veröffentlicht am 26.08.2020

Schweden-Thrill mit zwei nicht ganz neuen Figuren

Geburtstagskind (Ewert Grens ermittelt 1)
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Die Hauptakteure in diesem Stockholm-Krimi, Kommissar Ewert Grens und Infiltrator Piet Hoffmann, sind manchem Leser vielleicht schon bekannt, wenn er dieses Buch startet. Tatsächlich gibt es bisher schon ...

Die Hauptakteure in diesem Stockholm-Krimi, Kommissar Ewert Grens und Infiltrator Piet Hoffmann, sind manchem Leser vielleicht schon bekannt, wenn er dieses Buch startet. Tatsächlich gibt es bisher schon Reihen über die beiden, unabhängig voneinander. Anders Roslund schrieb sie mit Co-Autor Börge Hellström, der 2017 verstarb.

“Geburtstagskind” ist so wohl auch für Roslund eine Art Neustart, hier bringt er Grens und Hoffmann in einer Geschichte zusammen, die fast zwei Jahrzehnte in die Vergangenheit reicht und deren Spuren bis an den Balkan führen.

Grens und Hoffmann scheinen jeder sein Päckchen zu tragen und zwischendurch wird natürlich auch auf ihre jeweilige Vergangenheit Bezug genommen. Doch man kann diesem 556 Seiten starken Kriminalroman mit viel Action auch gut folgen, ohne den beiden Charakteren schon begegnet zu sein.

Zu Beginn arbeiten der Familienmensch Hoffmann und der Einzelgänger Grens an verschiedenen Fällen und Problemen doch wie man erahnen kann - am Ende hängt doch alles miteinander zusammen und die beiden sind gezwungen miteinander zu arbeiten, inoffiziell natürlich.

In einem Katz-und-Maus-Spiel zwischen Gut und Böse stellt sich die “Wem kann ich trauen?”-Frage mehr als ein Mal und die Lösung liegt näher als man glaubt...

Die Geschichte ist grundsätzlich spannend, gut gestrickt und im Großen und Ganzen glaubwürdig. Man kann das Ende ein wenig unbefriedigend finden, je nachdem auf welcher “Seite” man steht. Einen Kritikpunkt gibt es aber: Für jene, die Piet schon gut kennen ist der zweite Teil dieses Krimis wahrscheinlich doch eher langatmig geraten.

Veröffentlicht am 20.08.2020

Kindheit prägt

Abgründe
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Im Inneren des Umschlags steht unter anderem: “Ein Buch für alle, die sich für die menschliche Psyche und ihre Abgründe interessieren.” Das klingt etwas reißerischer oder besser gesagt voyeuristischer ...

Im Inneren des Umschlags steht unter anderem: “Ein Buch für alle, die sich für die menschliche Psyche und ihre Abgründe interessieren.” Das klingt etwas reißerischer oder besser gesagt voyeuristischer als ich das Buch erlebt habe.

Man muss nicht Psychologie studiert haben um den Ausführungen, Gedanken und Erzählungen von Hans Hopf gut folgen zu können. Er beschönigt nichts, wenn er auch die realen Personen hinter den Geschichten natürlich so gut es geht schützt.

Ja, manche Szenen sind nicht so einfach vorstellbar, dennoch wirkt niemand in diesem Buch “entmenschlicht” oder bloßgestellt. Man sollte wirklich nicht mit dieser Einstellung herangehen, sich Erzählungen erwarten die wie boulevardeske Zeitungsartikel oder “True-Crime”-Stories daherkommen. Alles auf diesen 187 Seiten beruht auf wahren Begebenheiten. Aber so wie auch Hans Hopf in seinem Beruf kann der Leser sowohl mitfühlen als auch Distanz bewahren.

Vielleicht kann dieses Buch (und können auch bisherige Werke Hopfs, die ich nicht selbst kenne) ein wenig Verständnis für die vielschichtige Arbeit und die psychischen Probleme unserer Mitmenschen in den Lesern wecken.

Es ist zu hoffen, dass die Stigmatisierung und das Kleinreden dieser Erkrankungen auch einmal endet und dass damit sowohl Psychiater selbst als auch deren Anforderung allgemein akzeptierter werden. Die Aussage “das ist in seiner oder ihrer Kindheit begründet” wird gerne belächelt, nach dieser Lektüre wird man damit vorsichtiger sein.

Veröffentlicht am 15.08.2020

Frauen im Fokus

Der dunkle Bote
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Zum dritten Mal dürfen wir uns hörend und staunend an August Emmerichs Fersen heften und eine wunderbar spannende wie erhellende Zeitreise ins Wien des Jahres 1920 begehen.

Es ist November, kalt und nebelig ...

Zum dritten Mal dürfen wir uns hörend und staunend an August Emmerichs Fersen heften und eine wunderbar spannende wie erhellende Zeitreise ins Wien des Jahres 1920 begehen.

Es ist November, kalt und nebelig auf den Straßen und in den Herzen der von den Nachwehen des Krieges geplagten Menschen. Minderheiten und alle, die irgendwie “anders” sind, haben ein besonders schweres Los. Wie auch viele der Frauen.

Im Krieg durften sie das Land am Laufen halten, nun kehren die Männer zurück, übernehmen ihre Jobs und machen ihnen das Leben in vielerlei Hinsicht schwer. Doch langsam regt sich Widerstand. Eine mutige Journalistin hat sich zum Ziel gesetzt, diese Schicksale publik zu machen.

Kriminalinspektor August Emmerich hat auch ein Ziel: Seine Lebensgefährtin Luise vor deren eigenem Kriegsheimkehrer zu retten. Und nebenbei hat er noch ein paar Morde am Hals, quasi business as usual.

Wieder mit dabei: Assistent Ferdinand Winter, ein paar Kollegen von “Leib und Leben” sowie Schleichhändler Veit Kolja, der in Band 2 etwas Pause hatte. Wie immer sind alle wunderbar gesprochen von Cornelius Obonya, der Charaktere, Stimmung und Erzähler zu einer faszinierenden Einheit formt, beinahe wie ein ganzes Ensemble.

Veröffentlicht am 09.08.2020

Etwas schwächer als Teil 1

INSEL
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Die Trilogie rund um Hulda, eine isländische Ermittlerin, geht weiter - rückwärts. Nach “Dunkel” zeigt nun “Insel” was Hulda beschäftigt, als sie ungefähr 50 Jahre als ist.

Prägende Themen sind Familie, ...

Die Trilogie rund um Hulda, eine isländische Ermittlerin, geht weiter - rückwärts. Nach “Dunkel” zeigt nun “Insel” was Hulda beschäftigt, als sie ungefähr 50 Jahre als ist.

Prägende Themen sind Familie, beruflicher Aufstieg und die Suche nach ihrem Vater, einem amerikanischen Soldaten, der im Zweiten Weltkrieg nur kurz in Reykjavík stationiert war.

Familie ist auch das prägende Thema der Verbrechen und des Falls, mit dem Hulda konfrontiert wird. Vier Freunde treffen sich auf einer einsamen Insel, um ihrer gemeinsamen, vor zehn Jahren verstorbenen Freundin zu gedenken. Als ein Unglück passiert, klärt sich dadurch auch was damals wirklich geschah.

Der Thriller plätschert relativ unblutig dahin und kommt ohne viel Action aus. Das meiste passiert unterschwellig und brodelt unter der Oberfläche, ein Ausbruch lässt auf sich warten. Zwischendrin erlebt man Huldas private Seite.

Überraschend ist, wie gut man die beiden Bände, “Dunkel” und “Insel”, getrennt voneinander lesen kann. Anders ist hier natürlich schon, dass man Hulda nicht ganz so detailliert kennenlernt, nicht so viel aus ihrer Vergangenheit erlebt wie im ersten Band, als sie eingeführt wird.

Als reine Island-Krimis kann man beide auch einzeln oder in umgekehrter Reihenfolge lesen. Ich bin gespannt, wie der dritte Band, “Nebel”, der im September erscheinen soll, alles zu einem Ende bringen wird und ob die Bücher auch dann noch voneinander unabhängig sind.

Veröffentlicht am 08.08.2020

Mit anderen Augen

Das längste Verhör
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Grobe Fakten über den D-Day und das Ende des Zweiten Weltkriegs sind in Europa und Amerika wohl vielen Menschen geläufig. Briten und Amerikaner gingen in Frankreich an Land, arbeiteten sich vor und befreiten ...

Grobe Fakten über den D-Day und das Ende des Zweiten Weltkriegs sind in Europa und Amerika wohl vielen Menschen geläufig. Briten und Amerikaner gingen in Frankreich an Land, arbeiteten sich vor und befreiten Städte und Dörfer von den Besatzern.

Wer da genau anlandete, was ihre Ziele waren, woher sie kamen und was sie erlebten, ist der Mehrheit (leider) unbekannt. “Das längste Verhör” ist ein fiktiver Roman über die Tage Anfang Juni 1944, fußt aber auf vielen realen Details und Erlebnissen.

Als ein Beispiel von vielen “namenlosen Helden” dient hier Adam Ruby, amerikanischer Soldat, dessen Hauptaufgabe es ist, feindliche Kämpfer zu verhören um mit den gewonnen Informationen den Krieg effizienter und schneller beenden zu können. Oder um zumindest einen entscheidenden Vorteil zu bekommen.

Der Leser begleitet ihn vom Abflug aus Großbritannien, über die Landung bis einige Tage danach auf einer intensiven Wanderung durch potenziell tödliche, immer schwierige Situationen, mit wenig Schlaf, ständiger Anspannung und nervenzehrendem Warten auf das nahende Kriegsende.

Robert Lankes Fachwissen und die vielen Quellen die er erschließen konnte, machen die Geschichte des Adam Ruby realistisch, beklemmend und lebendig. Außerdem führt sie uns vor Augen, wie viel Leid und Entbehrungen Kriege mit sich bringen, wie viele Gefahren und Missverständnisse in diesen wirren Zeiten an jeder Ecke lauern können.

Vielleicht lassen uns Bücher und Filme über diese Zeiten mehr wertschätzen dass in den meisten Staaten der Erde grundsätzlich Frieden herrscht. Vielleicht lehren sie uns auch, Situationen in aktuellen Kriegs- und Katastrophengebieten mit anderen Augen zu sehen.