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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.08.2022

Unterhaltsam und kurios

Siena Carciofine und die Toten im Weinberg
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Dieser Krimi passt sehr gut in Wikipedias Definition der “Schauer- und Kriminalromane für Frauen”. Die Hauptperson Siena Carciofine, Anfang 30, ist eine moderne, leicht kuriose Person, die zufällig in ...

Dieser Krimi passt sehr gut in Wikipedias Definition der “Schauer- und Kriminalromane für Frauen”. Die Hauptperson Siena Carciofine, Anfang 30, ist eine moderne, leicht kuriose Person, die zufällig in Ermittlungen hineingerät.

Das Kuriose an ihr sind ihre Gedankenwelt und ihr Faible für die Farbe gelb. Sie ist grundsätzlich bedacht und agiert logisch, aber manchmal überschlagen sich ihre Gedanken derart, dass sie sich selbst kurz darauf zur Ordnung rufen muss. Der Krimi ist kurzweilig, spannend und gespickt mit allerlei italienischen Ausdrücken und Phrasen, die fast immer gleich auch in deutscher Entsprechung eingeflochten sind.

Sogar wie man “Carciofine” ausspricht, ist auf der Buchrückseite erklärt. Die 37 Kapitel sind großteils eher kurz und immer mit einem mehr oder weniger passenden Spruch überschrieben.

Siena lebt und arbeitet in Florenz und besucht sehr oft und sehr gerne ihre Großmutter. Sie ist Journalistin bei einem Onlineportal, wäre aber lieber Ermittlerin bei der Polizei (oder gleich selbstständig). Praktischerweise lernt sie auch einen Polizisten kennen. Was sie als Vorteil ansah, wird jedoch plötzlich zu einem kleineren Problem, als nicht weit vom Haus der Großmutter zwei Menschen getötet werden.

Siena soll vom Tatort berichten und damit beginnen die Dinge ihren Lauf, sie fühlt sich immer öfter verfolgt (der Mörder?) und es geschehen Dinge, auf die sie keinen Einfluss hat. Ihre hochangesehene Polizei ist auch keine Hilfe. Also ermittelt Siena fortan selbst…

Veröffentlicht am 30.07.2022

Dolce Vita mit bitterem Beigeschmack

Vermisst
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Josef Vierziger, pensionierter österreichischer Polizist mit familiären Wurzeln in Apulien, zog es nach seiner Karriere im Staatsdienst in den Süden. Dort erfreut er sich an milderen Wintern und seinen ...

Josef Vierziger, pensionierter österreichischer Polizist mit familiären Wurzeln in Apulien, zog es nach seiner Karriere im Staatsdienst in den Süden. Dort erfreut er sich an milderen Wintern und seinen Olivenbäumen. Er arbeitet an seinem Akzent und stellt sich der Einfachheit halber als Giuseppe Quaranta vor.

Und obwohl er einen ruhigen Alltag schätzt und wenige persönliche Kontakte pflegt, finden ihn regelmäßig spannende Fälle, die noch keine offiziellen polizeilichen Ermittlungen ausgelöst haben.

So auch dieses Mal. Avvocato Simoncini, ebenso pensioniert, gewissermaßen Vierzigers Nachbar und häufiger Profiteur von dessen Kochkünsten, bittet ihn um Hilfe. Rosaria Maci, die Nichte eines Kollegen, sei spurlos verschwunden.

Sein Interesse ist geweckt und so sagt Vierziger zu, sich etwas umzuhören. Und dank der Hilfe Simoncinis, ein wenig kriminalistischem Spürsinn und einer Prise Zufall fördert “Pepe” erstaunlich vieles zutage. Da Ermittler auch Menschen sind und niemand vor Fehleinschätzungen gefeit ist, hält dieser Fall für Vierziger allerdings noch eine unerwartete Lektion bereit.

Mindestens ebenso lesenswert wie die verstrickte Geschichte um Signora Maci sind wie immer bei Joseph Lemark die feinen Zwischentöne, das dolce vita und alles was damit kulinarisch, kulturell und generell einhergeht.

Kaffeeduft wechselt sich ab mit Ragù, wird ergänzt durch Gerüche der Macchia und des Meeres und immer wenn Vierziger sich “ein Gläschen” (bei dem es nicht immer bleibt) einschenkt, würde man zu gerne kosten.



Ein kleiner Auszug der vielen erwähnten Gaumenfreuden findet sich am Ende des Buchs, zusammen mit einem Glossar.

“Vermisst” ist der fünfte Krimi mit Major Quaranta. Bisher erschienen sind ebenso “Tödliche Liebe”, “Vendetta”, “Kollateralschaden” und “In der Fremde”.

Veröffentlicht am 14.07.2022

Talentiert und sympathisch

Das wahre Motiv
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Obwohl dieser Krimi im München des Jahres 1895 spielt, wirkt er nicht altmodisch. Natürlich ist es aus heutiger Sicht witzig, wenn Die Menschen noch Boten mit Depeschen schicken und dem einzigen Telefon ...

Obwohl dieser Krimi im München des Jahres 1895 spielt, wirkt er nicht altmodisch. Natürlich ist es aus heutiger Sicht witzig, wenn Die Menschen noch Boten mit Depeschen schicken und dem einzigen Telefon im ganzen Wohnblock mit Argwohn begegnen. Aber dank der so sympathischen Hauptfigur und der leisen modernen Anklängen (auch was die Rolle der Frau betrifft), sind diese Details alle liebevoll und angenehm verpackt.

Unser Ermittler Wilhelm Freiherr von Gryszinski (nun, in diesem Band 2, Major) bekommt es mit einem Serientäter zu tun. Er und seine zwei Wachtmeister sind gerade dabei, modernere Tatortmethoden zu etablieren, was sich bei jedem Fall als außerordentlich wichtig erweist.

Interessant zu lesen ist auch, dass die damaligen Methoden natürlich beschränkt und sehr von manchen Umständen abhängig waren (gibt es im Zimmer elektrisches Licht? Gibt es nur in einem Raum der Wohnung Licht? Wo wurde geheizt?) aber genau diese Umstände manchmal auch Vorteile brachten.

Macht der Täter beispielsweise ein Foto, bleibt Ruß zurück den die Ermittler finden. Heute wäre da natürlich nichts zu sehen.

Da Gryszinski Preuße adeliger Abstammung ist und mit seiner Frau Sophie nach München zog, gibt es abseits der Krimihandlung auch einiges über die Gesellschaft zu erfahren. Zudem speist die Familie viel und hochwertig, was im starken Kontrast zu manchen Teilen Münchens steht, in die die Ermittlungen den Major verschlagen.

Und als wären die Morde noch nicht genug, muss sich Gryszinski in “Das wahre Motiv” auch noch doppelt mit seiner Herkunft herumschlagen. “Die Preußen” wollen, dass er (wieder) ihr Spion ist, selbstverständlich streng geheim und gegen jede Regel der Königlich Bayerischen Polizeidirektion, der Gryszinski angehört.

Und zusätzlich kündigen auch seine Eltern überraschen ihren Besuch an. Dank seiner scharfen Beobachtungsgabe, seines Instinktes und weil er das Herz am rechten Fleck hat, meistert der Major alles, was da auf ihn einstürmt und erweist sich einmal mehr als talentiert und sympathisch gleichermaßen.


“Das wahre Motiv” ist Band 2 mit Wilhelm Freiherr von Gryszinski.
Band 1 heißt “Der falsche Preuße”.

Veröffentlicht am 02.07.2022

Familientragödie auf Schwedisch

Das Haus der stummen Toten
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Camilla Sten hat mit “Das Haus der stummen Toten” wieder einen Pageturner geschaffen. Ihr erstes Buch, “Das Dorf der toten Seelen” war ebenso einer. Es liegt vor allem am Grundthema der Bücher und ihrem ...

Camilla Sten hat mit “Das Haus der stummen Toten” wieder einen Pageturner geschaffen. Ihr erstes Buch, “Das Dorf der toten Seelen” war ebenso einer. Es liegt vor allem am Grundthema der Bücher und ihrem Aufbau. Darin ähneln sich beide Thriller sehr. Abseits des grundlegenden Aufbaus und des Mechanismus sind die beiden Bücher komplett unabhängig voneinander. 

Sten schafft eine ausweglose, gefährliche Situation für ein paar Protagonisten und lässt merkwürdige Begebenheiten passieren. Der Leser rätselt mit, was passiert (sein könnte). Das Ganze wird zumeist aus der Egoperspektive eines Charakters erzählt. Doch diese Abschnitte werden von Rückblenden unterbrochen.

Diese helfen einerseits beim Verständnis, aber sind natürlich auch oft an spannenden Momenten gesetzt. Und auch die Handlung in der Vergangenheit wird umgekehrt durch die Gegenwart “unterbrochen”. 

Auch wenn manche Details natürlich für die Geschichte “passend” gemacht werden müssen, damit alles aufgeht, ist diese Art des Aufbaus natürlich ein perfekter Pageturner-Cocktail. Man kann die gut 400 Seiten an nur sehr wenigen Stellen aus der Hand legen, wenn man nicht muss.

Worum geht es? Eine junge, traumatisierte Frau (Eleanor) erbt von ihrer verstorbenen Großmutter. Diese besaß ein scheinbar geheim gehaltenes Anwesen und um einen Wert für einen Verkauf bestimmen zu können, wird Eleanor von einem Notar kontaktiert, der ein paar Tage mit den Erben dort wohnen und dabei eine Auflistung aller Güter erstellen soll. 

Neben dem unerwarteten Erbe entdeckt Eleanor schließlich so einige weitere Geheimnisse, das ihre Familie und vor allem die Großmutter jahrzehntelang belastet haben.

Veröffentlicht am 30.06.2022

Nichts ist wie es scheint?

Faust
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Gustaf Skördemans Stockholm-Thriller mit Kommissarin Sara Nowak sind phasenweise nichts für schwache Nerven. Wenn es zur Sache geht, dann richtig. Allerdings gibt es auch lange Phasen, wo die Intensität ...

Gustaf Skördemans Stockholm-Thriller mit Kommissarin Sara Nowak sind phasenweise nichts für schwache Nerven. Wenn es zur Sache geht, dann richtig. Allerdings gibt es auch lange Phasen, wo die Intensität nicht so hoch gehalten wird. Als Verschnaufpause genau richtig.

Wie beim Vorgänger “Geiger” steht auch hier eine Agentenstory im Mittelpunkt, die Handlung fließt von Teil 1 sehr stark in diesen über. Natürlich wird einiges angesprochen und erklärt, allerdings ist bis zum Start von “Faust” so viel passiert, dass es hier wirklich empfehlenswert ist, die Bücher wenn möglich beide und chronologisch zu lesen.

Sara Nowak ist Ex-Model, zweifache Mutter und Frau von Martin, einem erfolgreichen Musikmanager. Als Ermittlerin hat sie meist recht und macht ihren Job (gegen die Regeln) auch gut, generell aber ist sie eine unsichere Person, die sich und ihre Beziehungen öfter hinterfragt. Keine Superwoman/Karrierefrau, der alles zufliegt.

Im Versuch, seine Protagonistin verletzlich und “ganz normal” zu machen, trotz des abgesicherten Lebens das sie abseits des Jobs führt (und sie müsste auch gar nicht arbeiten), trägt Skördeman in manchen Punkten auch mal etwas zu dick auf. Aber das mag man als weiblicher Leser anders empfinden als als männlicher.

Sara arbeitet nun bei einer neuen Polizeistation mit und soll eigentlich im Fall von drei Toten ermitteln. Zwei Gangster wollten eine Leiche verschwinden lassen und wurden von Jägern dabei überrascht. Ein guter Einstieg in den Thriller.

Dennoch hat sie natürlich noch alte Kontakte und daher ergeben sich nebenbei noch spannendere Ermittlungen, die sie auf eine Faust angeht und die viel Platz einnehmen. Prostitution und Stasi-Schläferzellen spielen dabei eine Rolle.

“Faust” ist also definitiv ein Buch für Thrillerfans, die gerne skandinavische Autoren lesen und Spionage-Geschichten nicht abgeneigt sind. Auch mit kleinen Plot-Twists sollte man leben können, das ist etwas, das Skördeman auch nach “Geiger” hier wieder gerne benutzt.