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Veröffentlicht am 10.02.2017

Interessante Grundidee, aber wenig Lösung

Das Buch der Spiegel
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Nicht nur dieses Buch heißt „Das Buch der Spiegel“, auch ein Manuskript in diesem Buch heißt so. Es spielt eine zentrale Rolle und ist scheinbar verschwunden. Zuerst wird der Literaturagent Peter Katz ...

Nicht nur dieses Buch heißt „Das Buch der Spiegel“, auch ein Manuskript in diesem Buch heißt so. Es spielt eine zentrale Rolle und ist scheinbar verschwunden. Zuerst wird der Literaturagent Peter Katz darauf aufmerksam. Als er sich für die spannende Geschichte um einen ungeklärten Mord vor rund 30 Jahren interessiert und mehr lesen will, ist das Manuskript unauffindbar. Mit dem Autor kann er auch nicht sprechen. Durch seinen Willen, Klarheit in die Sache zu bringen, greifen ein befreundeter Reporter und durch ihn noch jede Menge mehr oder weniger an der vergangenen Geschichte beteiligte Leute in die Recherchen ein.
Dass alles, was die Interessierten aktuell zutage fördern, sehr verworren ist und nicht zusammenzupassen scheint, macht sehr neugierig und man kann das Buch in großen Abschnitten schnell durchlesen. Viele Details und beteiligte Personen werden ausfindig gemacht, ein sehr findiger ehemaliger Polizist, der im Fall damals ermittelte, kniet sich in die Sache rein und kommt seinerseits einer Lösung relativ nahe. Doch können wir annehmen, dass es wirklich so war? Nichts ist wie es scheint, die Erinnerung der Menschen ist nicht unfehlbar. Dies ist das zentrale Thema E.O.Chirovicis. Diesem wird auch eine komplette und konsistente Lösung des Falls und der vielen kleinen Fragen „geopfert“.
Dies schwächt den ansonsten sehr guten Eindruck, den dieser Roman macht. Es bleibt auch am Ende noch viel Spekulationsraum übrig. Dass manche Details nicht geklärt werden oder weiterhin nicht zusammenpassen, erweckt den Eindruck, der Autor selbst hätte die Geschichte nicht zu Ende gedacht und selbst keine Ahnung, wie er alles, was er kunstvoll erdacht hat, entwirren könnte. Ich kann meist gut damit leben, wenn in einem Buch nicht alles restlos geklärt wird – bis zu einem bestimmten Grad. Hier empfand ich den Teil, der offen bleibt und unter „unklarer Erinnerungen der Beteiligten“ einsortiert wird, einfach zu groß.

Veröffentlicht am 08.02.2017

Ein journalistisches Dilemma und viel seelischer Ballast

Glücksmädchen
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Das Rätsel um das Verschwinden der achtjährigen Lycke soll aufgeklärt werden. Zwar arbeitet die Stockholmer Polizei daran, doch eine persönlich stark betroffene Fernsehjournalistin und ihr Team setzen ...

Das Rätsel um das Verschwinden der achtjährigen Lycke soll aufgeklärt werden. Zwar arbeitet die Stockholmer Polizei daran, doch eine persönlich stark betroffene Fernsehjournalistin und ihr Team setzen ebenfalls alles daran, sie zu finden. Und die besten Sendequoten zu haben.

Das liest sich raffgieriger als die Szenen sich im Buch darstellen, doch der journalistische Konflikt wird schon thematisiert. Das ist gut und wichtig, sind wir als Konsumenten doch medial beinahe täglich von ähnlich traurigen Geschichten umgeben. Wir müssen uns auch immer fragen, wieviel Voyeur in uns steckt und wie viel Sensationslust noch in Ordnung geht.

Auch wenn der Fall um Lycke letztendlich sehr tragisch ist, gerät er hier leider dennoch ein wenig in den Hintergrund. Die zwischenmenschlichen Probleme nehmen in diesem „Psychothriller“, der für mich eher ein Krimi ist, sehr viel Raum ein. Da sind die Probleme innerhalb der Familie des Mädchens, der Scheidungskrieg der Eltern, die aktuelle Situation der trauernden Eltern. Dies ist noch nachvollziehbar und für die Geschichte nicht ganz unwichtig.

Zusätzlichen seelischen Ballast liefern Ellen Tamm, besagte Journalistin, ihr Vorgesetzter Jimmy und diverse Arbeitskollegen. Auch der Sprecher der Polizei, Ove, mit dem Ellen scheinbar gut auskommt, ist nicht ganz koscher. Ein interessanter Kniff ist, dass die gesamte Geschichte immer die Frauen in den Vordergrund rückt. Nach ihnen sind die einzelnen Abschnitte benannt, ihre Sicht der Dinge wird thematisiert. Vielleicht ist das Buch auch deshalb an manchen Stellen für einen „Psychothriller“ ein bisschen sehr gefühlsduselig. (Und das sage ich als Frau.)

Alles in allem ein nett konstruierter Fall mit mehreren falschen Fährten, einer unbeirrbaren Hauptfigur und einem Ende, das man erahnen kann, aber nicht muss. Leider gibt es zu viele Nebengeräusche, bei denen „weniger ist mehr“ wohl besser gewesen wäre.

Veröffentlicht am 07.02.2017

Ein blaues Buch und ein sehr glücklicher Koch

Gefährliche Empfehlungen
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Auch wenn Essen in ausreichendem Maß in diesem Krimi Verwendung findet, so ist das zentrale Thema, worum sich Xavier Kieffers Ermittlungen drehen, nicht zum Verzehr geeignet. Der berühmte Restaurant-Guide ...

Auch wenn Essen in ausreichendem Maß in diesem Krimi Verwendung findet, so ist das zentrale Thema, worum sich Xavier Kieffers Ermittlungen drehen, nicht zum Verzehr geeignet. Der berühmte Restaurant-Guide „Gabin“ trägt offenbar ein jahrzehntealtes Geheimnis mit sich herum, das nun plötzlich wieder aktuell zu sein scheint. Dieses Buch mit dem kobaltblauen Einband spielte schon vor und im Zweiten Weltkrieg eine größere Rolle als man vermuten könnte und das obwohl es zu Kriegszeiten natürlich nicht erscheinen konnte.

Ausgerechnet auf der großen prunkvollen Eröffnungsfeier eines neuen Gabin-Gebäudes, das Kieffers Freundin Valérie Gabin, herrichten ließ, nehmen die Ereignisse ihren Lauf und der Koch muss nun nicht nur ein Buch sondern auch noch das Geheimnis finden. Dabei trachten ihm scheinbar sehr gewiefte Gegner nach dem Leben. Kieffers Reisen führen quer durch Luxemburg und Frankreich bis sie in einem etwas skurrilen Showdown zwischen ihm, den „Guten“ und den „Bösen“ gipfelt. Wobei Gut und Böse gar nicht so weit auseinanderliegen.

Neben der „Jagd ums Buch“ kommt aber auch der Magen nicht zu kurz und ein paar interessante Einblicke in die Luxemburger Küche sowie Sprache sind sowohl spannend als auch herausfordernd. Praktisch ist da das Glossar am Ende des Buches.
Stichwort Sprache: Unauffällig und gewandt geleitet Hillenbrand den Leser durch die Gassen und Städte. Eine Prise Humor an den richtigen Stellen sowie Dialoge, über die man noch länger schmunzelt, inklusive.

Xavier Kieffer ist für mich eine oft vom Glück geküsste Hauptfigur, die ansonsten um einiges ärmer dran wäre. Nicht nur, dass er immer wieder seine Haut retten kann, ist er doch auch mit der fabelhaften Valérie liiert, die, wie er sich selbst denkt, ja viel interessantere Partner haben könnte. Zudem trinkt er gerne (viel) Wein, Bier und luxemburgischen Schnaps und noch lieber raucht er eine Zigarette nach der anderen. Es stellt sich passenderweise heraus, dass das neben den gesundheitlichen auch noch andere Nachteile hat…

Veröffentlicht am 02.02.2017

Gute Ideen, aber zu viel gewollt

Never Say Anything
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Politthriller können sehr packend sein. Jeder kenn Autoren, denen Geheimdienstgeschichten leicht gelingen. Michael Lüders ist – zumindest nach diesem Buch beurteilt – keiner davon. Er ist Orientalist und ...

Politthriller können sehr packend sein. Jeder kenn Autoren, denen Geheimdienstgeschichten leicht gelingen. Michael Lüders ist – zumindest nach diesem Buch beurteilt – keiner davon. Er ist Orientalist und schreibt bekannte Sachbücher zu diesem Thema. In „Never say anything“ versucht er, den Orient mit Amerikas (teils fragwürdigem) Kampf gegen den Terror und den Ermittlungsmethoden der NSA und anderen Behörden zu verbinden.
Wohl, um auf sicheres Terrain zu kommen, startet die Geschichte im Orient, in Marokko. Dieser Teil macht Lust auf mehr und man hat das Gefühl, dass aus den ersten Abschnitten ein packender Thriller werden kann. Zu Beginn werden Drohnenattacken in den Mittelpunkt gestellt und die Arbeitsweise amerikanischer Truppen angeprangert. Soweit so gut. Mit der Verlage der Handlung nach Deutschland ändert sich der Eindruck, den man von dem Buch bekommt. Die Geschichte wandelt sich oft, flacht teilweise ab, zieht dann wieder an und wird aber mit zunehmender Länge immer verwirrender und unlogischer.
Das liegt nicht zuletzt an der Wahl der Hauptperson. Sophie Schelling ist Mitte 30 und Journalistin. Doch sie handelt fast das ganze Buch über zu naiv und impulsiv. Sie steht sich durch ihre falsch eingesetzten Emotionen (zu viel, wo es unnötig ist, zu wenig, wo jeder andere emotional wäre) selbst im Weg. Wie ein Wunder überlebt sie die psychische und physische Hetzjagd, die auf sie gemacht wird, weil sie in Marokko Zeugin eines illegalen Angriffs der Amerikaner auf ein unbescholtenes Dorf wird.
Mit seinem – wohl auch von bisherigen Veröffentlichungen geprägten – nüchternen, verkürzenden Schreibstil versucht der Autor wohl, nicht von der Geschichte abzulenken. Leider gelingt das nur teilweise, denn durch die Verknappung gibt es verwirrende Sprünge in der Handlung, Charaktere werden nicht oder kaum greifbar. Leider bleibt vieles (unter anderem das Ende) offen, Schicksale werden nicht geklärt, keine Begründungen für Handlungsweise oder anderes eingebracht.
Gegen Ende hat man das Gefühl, dass noch viele Ideen auf wenige Seiten gequetscht wurden, außerdem wird es ganz plötzlich noch actionlastig, was auch nicht nötig gewesen wäre und nicht so recht in die Geschichte passen will.
Die Grundideen sind interessant und könnten durchaus einen guten Thriller abgeben, leider wurde bei der Umsetzung zu viel gewollt. Weniger (unwichtige) Handlungsstränge und Personen hätten es möglich gemacht, sich besser mit den Geheimdienst- und Cybermachenschaften zu befassen und ohne Action nur durch diesen Wettlauf der Institutionen und der Aufdecker den Thrill entstehen zu lassen (vgl. Edward Snowden, Julian Assange).
Das Cover ist passend, auch der Titel wird gegen Ende des Buches erklärt.

Veröffentlicht am 02.02.2017

Ein Kater und wie er die Welt sieht

Zweistein oder Das Brummen der Welt
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Auch wenn es so wirkt, dieses Buch ist nicht nur etwas für Katzenfreunde. Denn: Katzenfreunde und Katzenbesitzer werden sich hier in so manchen Episoden wiedererkennen. Alle anderen erkennen ihnen bekannte ...

Auch wenn es so wirkt, dieses Buch ist nicht nur etwas für Katzenfreunde. Denn: Katzenfreunde und Katzenbesitzer werden sich hier in so manchen Episoden wiedererkennen. Alle anderen erkennen ihnen bekannte Katzenbesitzer und –freunde. Mit herrlich frischen, unverfälschten „Gedanken“ eines Katers unterhält die Autorin Franziska Wolffheim hier Leser von Groß bis Klein. Doch nicht nur die Menschen bekommen bei Zweistein, dem gescheiten Kater mit dem grauen Fell, ihr Fett weg. Auch die Katzen seiner Umgebung und andere Tiere tauchen in den kurzen Abschnitten immer wieder auf. Und nicht nur über diese grübelt Zweistein, damit der Tag vergeht, er ist auch ein kleiner Philosoph. Das Wetter, die Erde und der Himmel, Regenbogen, Düfte, die Wohnungseinrichtung und auch Mozart bieten ihm Gelegenheit, sich darüber auszulassen. Mal positiver, mal eher gleichgültig und von manchen Dingen ist er sehr genervt. Da kann man schon einmal ans Auswandern denken. Nur um dann festzustellen, wie gut man es als Kater hat und schon beschließt Zweistein zu bleiben. Ab und an denkt Zweistein sehr menschlich, dann hat er wieder sehr „katzenbezogene“ Gedanken, soweit man das als menschlicher Leser überhaupt beurteilen kann. Vielleicht sollte ich das Buch einmal meinem Kater zum Lesen geben…
Eine nette Abwechslung bieten auch die Zeichnungen von Stefanie Clemen, die mal zu Zweisteins Situation passen und mal einfach so niedlich daherkommen. Doch auch wenn es dadurch so aussehen mag, ist dieses Buch kein Kinderbuch an sich. Manche Geschichten lassen sich sicher gut vorlesen, doch auch ernste oder wissenschaftlichere Themen werden behandelt, über die man dann mit Kindern noch ein weniger genauer reden kann.
Dieses Buch mag aufgrund seiner geringen Seitenanzahl unterschätzt werden und je nach Herangehensart kann man es sicher auch „nur“ als niedliche Unterhaltung lesen oder sich aber von Zweistein inspirieren lassen, tiefer über so manches nachzudenken und sich vielleicht mit anderen darüber auszutauschen.

(gelesen: Hardcover)