Journalistin Sophie Schelling ist beruflich in Marrakesch, sie will, fast schon touristisch, über die sogenannte „Himmelstreppe“ berichten, die ein Mann in seinem kleinen Dorf gebaut hat. Ein einheimischer Kollege fährt sie, eher widerwillig; aus der Region wurden terroristische Aktivitäten gemeldet. Vor Ort erlebt die Journalistin zuerst Drohnenaktivitäten, dann eskaliert die Situation in einem Massaker. Doch die Täter sind keine Islamisten. Verletzt entkommt Sophie und sieht sich zurück in Berlin noch viel größeren Gefahren gegenüber, noch dazu will ihr niemand zuhören.
Welche Aktionen sind mit dem Krieg gegen den Terror zu rechtfertigen? Das ist die Hauptfrage, mit der sich Autor Michael Lüders und seine Protagonisten in diesem Buch auseinandersetzen. „Hätten Russen oder Chinesen den Angriff in Marokko geflogen, wären wir alle miteinander rechtschaffen empört.“ S. 170 Ja, damit hat er schon Recht. Und, ja, natürlich ist der Terrorismus zu bekämpfen. Wie lässt der Autor Sophies marokkanischen Kollegen Hassan sagen: „…ich habe ein sehr gespaltenes Verhältnis zu Europa. Einerseits das große Freiheitsversprechen, andererseits die Kumpanei mit unseren Königen und Präsidenten.“ S. 23 Die Auswirkungen in Form des sogenannten „arabischen Frühlings“ haben wir alle in den Medien gesehen – aber auch, wie wenig von dem ursprünglichen Enthusiasmus blieb. Urlaub in der Region, zum Beispiel in Ägypten, egal, ob dort diktatorisch oder demokratisch geherrscht wird? Dafür interessierte sich dann schon kaum jemand, soll doch Urlaub sein.
Soweit hat sich Lüders da ein brandaktuelles Thema ausgesucht. Mich erinnert das ganze dennoch stark an die sehr ähnlich anmutende Thematik im Mafia-Umfeld, David gegen Goliath, auch hier schlägt man der Hydra einen Kopf ab und zwei neue wachsen nach. Der rechtschaffene Bürger hat nicht wirklich eine Chance, im besten Falle gelingt ihm ein „Patt“, unter Hinterlegung wichtiger Dokumente, zur Veröffentlichung im Falles seines Todes - ähnliche Filme mit Julia Roberts und Denzel Washington „Die Akte“ oder mit Tom Cruise in „Die Firma“, lustigerweise beide nach John-Grisham-Büchern. Beide enden ähnlich unbefriedigend, durchaus realistisch, aber halt unbefriedigend, ernüchternd.
Dazu schreibt der Autor zwar gut, lässt sich flüssig lesen, spart aber zu Beginn nicht an etlichen Sätzen von geradezu prophetischem Charakter „Auch ohne Hassans Übersetzung beschlich sie eine dunkle Vorahnung.“ S. 26, die weiße Katze gerät unter die Räder, etc. Das ist mir etwas zu dick aufgetragen, gibt sich zum Glück aber fix. Den Überfall durch Vera Chochrane in der Disko fand ich hingegen etwas zu lapidar abgehandelt, das „kaufe“ ich nicht, gegenüber keiner Frau. Auch, dass der kleine Bruder bei der Mordkommission ist, ist mir etwas zu passend. Damit könnte ich leben, auch wenn das Buch um die Mitte herum für mich einige Längen hatte.
Was mich eher stört: ich meine eine gewisse Bitterkeit aus dem Text zu lesen. Vielleicht durchaus nachvollziehbar, der Autor schreibt auch Sachbücher zur Region Nahost, aber selten fühlte ich mich von einem Buch stärker herausgefordert, dieser Bitterkeit zu widerstehen und entweder in emotionale Distanz zum Buch zu gehen oder reichlich deprimiert das Buch zuzuschlagen. Bitte nicht falsch verstehen, ich bin nicht so naiv, nichts mitbekommen zu haben zwischen Edward Snowden, Wikileaks und diversen Abhöraffären, aber, ganz banal, ich mag einfach nicht. Dafür dann doch lieber ein Sachbuch (nicht, dass die zu Geheimdiensten, Terrorismus oder Nahost positiver stimmen würden).
Ich würde durchaus ein anderes Buch von Michael Lüders lesen, weil mir der Schreibstil zusagte. „Never Say Anything“ blieb für mich seltsam blutleer (selbst bei den Attacken), unbefriedigend. 3 Sterne.