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Veröffentlicht am 15.09.2016

Zauberhafter Roman über Familie und andere Werte

Der Trick
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Dieser Roman ist ein Schmuckstück an Erzählkunst und der Kunst, Biografien und Personen zu erfinden und die dann so in reale Ereignisse einzubetten, dass jedes Wort darin wahr sein könnte. Hier stimmt ...

Dieser Roman ist ein Schmuckstück an Erzählkunst und der Kunst, Biografien und Personen zu erfinden und die dann so in reale Ereignisse einzubetten, dass jedes Wort darin wahr sein könnte. Hier stimmt dies alles zusammen und je länger man liest, desto mehr bekommt man das Gefühl, schon mal etwas vom Zauberer Zabbatini gehört oder gelesen zu haben. So genau lässt der Autor immer wieder Details zur Entwicklung der Zauberei und ihrer Illusionen einfließen.
Doch seine Geschichte existiert (leider) nur in diesem wundervollen Buch. Lange Zeit wird das Leben von Mosche und Max abwechselnd in kurzen Abschnitten erzählt und später, allmählich, behutsam miteinander verflochten und der Leser hat auch die Möglichkeit, das eine oder andere vorauszuahnen und sich zu freuen, wenn er richtig lag. Zwei Generationen sind die beiden Protagonisten auseinander und nicht nur deshalb verläuft ihre Kindheit ziemlich unterschiedlich. Mosche wird in Prag geboren, Max lebt in Los Angeles, doch es gibt einiges, was die beiden Juden verbindet, ohne dass sie es wissen. Und ohne den einen gäbe es den anderen wohl nicht…

Mit einer ganz eigenen Erzählsprache führt der Autor den Leser am Beispiel Mosches durch die Wirren Mitteleuropas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vergleichbar finde ich hier nur den Stil von Patrick Süßkind in „Das Parfum“. Wem das also gefallen hat, der wird auch mit diesem Roman seine Freude haben und viele berührende Momente erleben. Auf den knapp 400 Seiten lässt Bergmann nichts aus: Seine Figuren leiden, kämpfen mit sich, dem Leben und den Umständen und werden nicht von einschneidenden Veränderungen verschont. Aber sie finden zwischendrin auch ihr Glück und auch amüsante Augenblicke finden ihren Platz.
Auf der Buchrückseite steht ein Satz, der haargenau passt: „Eine bewegende und aberwitzige Geschichte, die Zeiten und Kontinente umspannt, ein Roman über die Zerbrechlichkeit des Lebens und den Willen, sich verzaubern zu lassen.“
Ich kann nur jedem raten, diesem Satz zu folgen, sich auf die Geschichte einzulassen – dann wird man ganz von selbst verzaubert. Und das ist dann keine Illusion.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Sparks-Romantik und ein moralisches Dilemma

The Choice - Bis zum letzten Tag
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Bei uns erschien „Bis zum letzten Tag“ ja ursprünglich 2007 und nachdem in den vergangenen Jahren ja immer ein Roman von Sparks verfilmt wurde, ist nun, fast 10 Jahre später, auch diese Geschichte an der ...

Bei uns erschien „Bis zum letzten Tag“ ja ursprünglich 2007 und nachdem in den vergangenen Jahren ja immer ein Roman von Sparks verfilmt wurde, ist nun, fast 10 Jahre später, auch diese Geschichte an der Reihe. Da auf der Neuauflage ja die Schauspieler auf dem Cover sind, hatte ich zu Beginn ein wenig die Befürchtung, dass ich mir die Hauptfiguren Gabby und Travis dann auch immer so vorstellen würde. Aber das war dann doch nicht so schlimm – vielleicht, weil es nur ein Foto ist und keine bewegten Bilder. Liest man zum Beispiel nach einem Film die Romanvorlage fällt es doch öfter schwer, nicht die Schauspieler vor Augen zu haben.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert und beginnt mit einem Prolog, der den Start zu Teil zwei darstellt und 2007 und somit elf Jahre nach dem Hauptteil des Buches spielt. Die Begegnung zwischen Travis und Gabby, ihr erstes Kennenlernen und die ersten gemeinsam verbrachten Tage, nehmen den Großteil des Buches ein. Das ist natürlich einerseits nicht verwunderlich, ist dies doch der romantische Part und hier spielt Sparks seine Stärken aus (dazu später mehr). Doch andererseits hat es mich erstaunt, dass er es so mühelos schafft, die wenigen Tage auf den Großteil des Romans auszudehnen, wohingegen der zweite, wesentlich kürzere, Teil der Handlung mehrere Monate umfasst. Diese Aufteilung hat für mich beim Lesen schon so gewirkt, als wäre da der Gedanke einer Verfilmung dahintergestanden. Denn ich denke, wäre es anders geschrieben worden, würde es für einen Liebesfilm wohl genauso zusammengefasst werden.

Nun, der erste Teil ist für mich Sparks-typisch und grundsolide. Die junge Frau (Gabby) aus gutem Hause kauft zufällig das Haus neben dem eines sehr attraktiven Sportlers und Tierarztes (Travis), der sein (Single-)Dasein genießt und natürlich sofort Gefallen an seiner neuen Nachbarin findet. Die aber steckt in einer längeren und durchaus ernsthaften Beziehung. Ihr zukünftiger Mann fährt für ein paar Tage beruflich weg und Gabby und Travis lernen sich näher kennen, verlieben sich und Gabby steht vor einer schwierigen Entscheidung. Behutsam baut Sparks das alles auf, lässt die beiden viel unternehmen und führt sie zuerst im Alltag einander näher, damit das, wovon jeder weiß, dass es passieren wird, nicht zu konstruiert und überfallsartig wirkt. Der Schreibstil (möglichweise leidet er auch an manchen Stellen unter der Übersetzung) ist nicht weltbewegend, aber er soll ja auch nicht von der Gefühlswelt der beiden Protagonisten ablenken. Sehr schön und anschaulich beschrieben ist auch die Welt um die beiden herum, die Kleinstadt, die Meeresküste und die Ausflugsziele. Wenn es auch für die eigentliche Geschichte nicht so wesentlich ist, finde ich so etwas durchaus wichtig und es kann wohl auch deshalb überzeugen, weil Sparks mit seiner Familie in North Carolina lebt und seine Romane beziehungsweise deren Handlungen dort ansiedelt.
Für mich, die eher wenig Liebesromane und vor allem Krimis liest, war dann auch Teil zwei eine sehr willkommene Abwechslung. Zwischendurch hatte ich vergessen, was der Prolog andeutete und freute mich einerseits über die Auflösung von Gabbys Entscheidung (auch wenn der Klappentext dieses unglücklicherweise vorwegnimmt) und war andererseits auch vom Twist in der Geschichte begeistert. Auch wenn das wieder Sparks-typisch ist, dass noch dramatische Elemente einfließen und auch wenn man das meiste schon erahnen kann, hat mich der kürzere Part doch so gefesselt, dass ich das Buch bis zur letzten Seite nicht mehr aus der Hand legen konnte.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Als der Krieg das Leben bestimmte

Ab heute heiße ich Margo
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Der Autorin gelingt hier ein besonders vielschichtiger und authentischer Roman über eine Zeit, die in Europa tiefe Wunden hinterlassen hat. Exemplarisch für Millionen Menschen stellt sie hier mehrere Familien ...

Der Autorin gelingt hier ein besonders vielschichtiger und authentischer Roman über eine Zeit, die in Europa tiefe Wunden hinterlassen hat. Exemplarisch für Millionen Menschen stellt sie hier mehrere Familien und Einzelpersonen in den Vordergrund, die sich in der Zeit von 1936 bis 2000 auf unterschiedlichen und trotzdem verwobenen Wegen ihr Leben bestreiten. Der Leser begleitet Margo (die eigentlich Margarete heißt) bei den wichtigsten Stationen ihres Lebens: Eine Lehre im Fotoladen ihres Heimatortes Stendal, die erste Liebe, Krieg und Hochzeit, und all die folgenden Wirrungen, die den Menschen gegen Ende des Krieges widerfahren und die durch die Teilung Berlins für die im Osten lebenden nicht besser werden.
Unermesslich muss der Schmerz sein, der Margo und ihre Verwandten und Bekannten immer wieder einholt und vielleicht ist gerade das ein Faktor, warum dieser Roman auch heutzutage fasziniert und tief berührt. Weil wir heute uns eben nicht mehr vorstellen können, Stoff für Essen eintauschen zu müssen, über uns Kriegsflieger zu hören oder sich in seinem eigenen Heim (wenn man denn eines hatte) vor niemandem sicher zu fühlen.
Die Abschnitte im Buch werden abwechselnd aus der Sicht der wichtigsten Personen erzählt: Margo, Helene, Alard und zum Ende noch Margos Enkelin. Oft sind die Abschnitte voneinander unabhängig, da sich auch die Leben der drei getrennt haben, doch die wenigen Überschneidungen, die es gibt, sind von so elementarer Bedeutung, dass sie dadurch auch aus allen Perspektiven beleuchtet werden können. Vieles, was der Leser aus den Abschnitten herausliest, erschließt sich den Protagonisten oft erst nach und nach und es macht einen Teil der Spannung aus, sie dabei zu beobachten, was sie fühlen, als sie die Zusammenhänge verstehen und wie sie darauf reagieren.
Zu Beginn sind Alard, Margo und Helene eher lose miteinander bekannt, die beiden Frauen arbeiten beide im Fotoladen und fühlen sich zu Alard hingezogen. Aus diesen Bekanntschaften lässt Cora Stephan im Lauf der Zeit intensive, fast voneinander abhängige Beziehungen entstehen, bildet ein mitunter fatales Dreiecksgespann, das schlussendlich nicht nur das Leben der drei, sondern auch das ihrer Bekannten und Verwandten gefährdet.
Ein wenig schade fand ich, dass nicht Margo diesen Roman mit einer ihrer Tagebucheintragungen beendet, das hätte gut gepasst, ist sie doch auch die erste Person, die man hier kennenlernt. Dadurch gibt es noch eine Art „Abspann“, der für mich fast schon eine eigene Geschichte ergibt und somit hat man das Gefühl, dass es noch weitergehen hätte können.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Breitgefächerte Realsatire

Morgens leerer, abends voller
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Warnungen wie „Achtung, Humor!“ oder „Achtung, Satire!“ sollte man angeben, wenn man über dieses Buch schreibt. Auf dem Cover steht „Roman“ und der Klappentext könnte den ein oder anderen Leser dazu verleiten, ...

Warnungen wie „Achtung, Humor!“ oder „Achtung, Satire!“ sollte man angeben, wenn man über dieses Buch schreibt. Auf dem Cover steht „Roman“ und der Klappentext könnte den ein oder anderen Leser dazu verleiten, das Buch zu Beginn noch einen Tick zu ernst zu nehmen. Der Autor, selbst Lehramtsstudent, schreibt hier eine freche, jugendliche Realsatire über die verschiedenen Zustände des Lehrerdaseins. Schon fast zu authentisch beschrieben sind die mühsamen Klassenszenen, in denen sich die Schüler gegenseitig Beleidigungen an den Kopf werfen und alles tun, um nicht dem Lehrer (Fabian) zuhören zu müssen. Dieser ist teils bemüht, teils verzweifelt und lässt sich dann am Elternsprechtag vollends demotivieren. Dabei lief zwischendurch nicht alles schlecht, er kämpft um seinen Job, den er gleichermaßen hasst wie liebt und baut zu seinen schwierigen Schülern eine Beziehung auf und zeigt mehr Interesse an seinen Kollegen.
Nebenbei erlebt der Leser Fabian in seinem Freundeskreis (Bier, Playstation und wenig Gespräche), mit seiner Langzeitfreundin und dem Kater Poseidon. Teilweise übertriebene Szenen, sehr „männliche“ Dialoge und witzige Metaphern wechseln sich ab. Tobias Keller legt seinen Roman breit gefächert an: aufgrund der Dialoge, die als Milieustudie durchgehen könnten, der kurzen Gedichte, die er Fabian verfassen lässt und dem Happy End mit möglicher neuer Liebe kann dieses Buch ganz unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Auch, wer Ironie erkennt und zu schätzen weiß, kann hier auf seine Kosten kommen.
Wer damit zurecht kommt, dass ihn wohl nicht alle Aspekte dieses Romans restlos begeistern können und wer dafür auf die Momente warten kann, die ihn gut unterhalten werden, dem kann man dieses Buch empfehlen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Abgründe einer kindlichen Psyche

Die Zelle
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Jonas Winner lehrt hier einen ungewöhnlichen Hauptdarsteller das Fürchten: Sammy ist elf Jahre alt und was er in seinen Sommerferien im neuen Haus der Familie, die gerade nach der Berlin umzieht, erlebt, ...

Jonas Winner lehrt hier einen ungewöhnlichen Hauptdarsteller das Fürchten: Sammy ist elf Jahre alt und was er in seinen Sommerferien im neuen Haus der Familie, die gerade nach der Berlin umzieht, erlebt, wünscht man nicht einmal einem Erwachsenen.
Sammy (Sam) erzählt die Geschichte selbst, als eine Art Rückblick. Man lernt ihn als über-30-Jährigen kennen, der schon beängstigende Andeutungen macht über die Ereignisse in seiner Kindheit. Er schreibt sie nieder, um sie besser verarbeiten zu können.
In das neue Haus ziehen Sammys Eltern, sein älterer Bruder Linus und das Kindermädchen Hannah. Schon bald stellt sich heraus, dass etwas an der familiären Idylle nicht stimmen kann. Unter dem Garten gibt es ein Bunkersystem, das auch teilweise die Gärten der angrenzenden Grundstücke unterzieht. In Berlin nichts Ungewöhnliches. Allerdings sind in den anderen solchen Anlagen keine Mädchen eingesperrt…
Mit dieser Entdeckung wird Sammys Leben auf den Kopf gestellt und er beginnt, alles zu hinterfragen, was er bisher über seine Familie zu wissen glaubt. Seine Mutter arbeitet ganztags, als Komponist arbeitet sein Vater von zuhause aus. Er wäre kräftig genug.
Gekonnt treibt der Autor den armen Jungen immer tiefer in Zweifel und Albträume. Er will sichergehen, niemanden umsonst anzuklagen, doch bald quält ihn sein schlechtes Gewissen zu sehr. Seiner Anklage folgen Besuche der Polizei, des Jugendamtes. Nichts wird gefunden und der Junge für psychisch labil erklärt. Sammy ist sich nicht mehr sicher. All die Dinge, die geschehen, die er sieht – passieren sie wirklich? Warum kann er mit niemandem reden. Immer weiter zieht er sich zurück und natürlich bleibt es nicht bei einem Verbrechen…
Am Ende kehrt die Erzählung wieder zum erwachsenen Sammy zurück, womit sich vieles klärt, aber auch neue Fragen auftauchen. Jonas Winner spinnt eine tief verstrickte Geschichte um einen verzweifelten Jungen, der innerlich zu zerspringen droht. Er schafft eine spezielle, eigene Spannung, die auch das Gehirn des Lesers rastlos zurücklässt. Man meint, Sammys Unruhe beinahe selbst spüren zu können.
Kritisieren kann man hier am ehesten das, was diesen Thriller gleichzeitig von anderen abhebt: Aufgrund der Verschmelzung von Fiktion und Wirklichkeit, von Realität und Einbildung, bleiben am Ende Teile der Handlung offen und der Leser kann für sich selbst entscheiden, ob dies oder jenes passiert ist und wer es denn getan hat. Wem das nichts ausmacht und wer gerne seine Fantasie spielen lässt, dem kann man diesen Thriller getrost ans Herz legen.