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Veröffentlicht am 30.01.2021

Hamlet neu interpretiert

Never Doubt
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Mein letzter New Adult Roman liegt schon etwas zurück und auch nach diesem werde ich wohl wieder eine Weile gesättigt sein. Das liegt nicht unbedingt daran, dass er mir so wenig gefallen hat, doch mein ...

Mein letzter New Adult Roman liegt schon etwas zurück und auch nach diesem werde ich wohl wieder eine Weile gesättigt sein. Das liegt nicht unbedingt daran, dass er mir so wenig gefallen hat, doch mein Bedarf an romantischer Lektüre ist nach so einem Buch mehr als ausreichend gedeckt.

Zuerst war ich wirklich skeptisch. Erzählt wird eine Geschichte, wie sie schon hundert Mal erzählt wurde: reiches Mädchen verliebt sich Jungen aus problematischen Verhältnissen.
Vorweg: alle, die dieses Klischee absolut nicht ausstehen können, sollten von der Lektüre fernbleiben. Wer dennoch bereit ist, sich darauf einzulassen, wird eine sehr gefühlvolle, tiefgründige und mitreißende Liebesgeschichte erleben. Denn obwohl auch hier nicht an Klischees gespart wurde, empfand ich sehr wundervoll, wie die Autorin gesellschaftliche Themen behandelt hat.

Das Theater nimmt in „Never Doubt“ eine besondere Bedeutung ein. Es ist zum Katalysator der Handlung, hilft den Charakteren, sich weiter zu entwickeln und erschafft eine einzigartige Atmosphäre. Ich war immer wieder erstaunt, wie Emma Scott Parallelen zu „Hamlet“ und den Leben von Willow und Isaac geschaffen hat.

Isaac wird als düster und gefährlich dargestellt, doch dabei erhält er keine der Charaktereigenschaften, die ich mich an vielen anderen Bad Boys aufregen. Er behandelt Frauen mit Respekt, kontrolliert oder manipuliert sie nicht. Er ist ein Poet, ein gefühlvoller Mensch. Nach außen hin der Frauenschwarm ‑ der James Dean ‑ doch es sind nur die Vorurteile und Gerüchte, die ihn in dieses Schema pressen. Auch Willow ist alles andere als das verwöhnte Mädchen, dass sich nur für Oberflächlichkeiten interessiert. Sie hat erlebt, was kein Mensch erleben sollte und doch hört sie nicht auf, zu kämpfen. Für sich, für ihre Freunde und für Isaac.

Das „Liebe‑heilt‑alles“‑ Syndrom war mir hier und da zwar etwas zu sehr ausgeprägt. Und angesichts ihres Traumas empfand ich auch die Beziehung zwischen ihr und Isaac manchmal zu idealistisch. Aber insgesamt mochte ich, wie sie zueinander finden. Langsam und vorsichtig. Ich mochte, wie zu Freunden werden und sich gegenseitig unterstützen.
Schade fand ich jedoch, was die Autorin aus Justin gemacht hat. Ich hatte recht lange gehofft, er würde nicht in das Klischee gedrängt werden. Aber was mit ihm geschah, war schlussendlich vorhersehbar und enttäuschend.

An einigen Stellen waren mir Ereignisse zu übertrieben, zum Beispiel die Szene im Haus der Holloways, als Willow mit ihrem Vater streitet. Ich habe ihre Eltern nie ganz verstanden, ihr Verhalten oft nicht nachvollziehen können und insgeheim denke ich, insbesondere ihr Vater hat eine psychische Störung. So wie Willows Eltern ihre Tochter behandelt haben, sollte niemand seine Kinder behandeln. Kein einziges Mal hatte ich das Gefühl, sie würden sie wirklich lieben. Niemals hätte ich ihnen verziehen, was sie ihr angetan haben.
Großer Kritikpunkt ist für mich das Ende. Kitsch pur. 🙄Ewige Liebe mit allem, was die Disney‑Romantik zu bieten hat. Ich weiß, es gibt genug, die genau solche Enden mögen. Ich gehöre jedoch nicht dazu.

Emma Scott hat mich wirklich zu Tränen gerührt. Ich habe geliebt und gehasst und gehofft. Sie hat mir das Herz zerbrochen. Ich denke, insgesamt war es für mich ein gutes Buch.

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Veröffentlicht am 30.01.2021

Entlang des Flusses

Was der Fluss erzählt
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In „Was der Fluss erzählt“ bin ich ins 19. Jahrhundert gereist, zwischen Geschichtenerzählern, Ortschaften und Nebel gewandert. Sagen und Legenden sind hier noch Teil der Welt, werden behutsam in Erzählungen ...

In „Was der Fluss erzählt“ bin ich ins 19. Jahrhundert gereist, zwischen Geschichtenerzählern, Ortschaften und Nebel gewandert. Sagen und Legenden sind hier noch Teil der Welt, werden behutsam in Erzählungen eingeflochten und zur Wahrheit verdichtet. Es ist diese Atmosphäre, die mich die meiste Zeit durch den Roman geführt hat, wenn sie sich auch zum Ende hin ‑ zumindest für meinen Eindruck ‑ etwas abgenutzt hat.

Der Fluss verbindet sie alle, die Besucher des Swans ‑ des alten Gasthauses ‑ Robert Armstrong, Daunt, den Fotografen, Rita, die Krankenschwester und die Vaughans. Doch zu lange blieb mir unklar, wie ihre Stränge zusammengehören. Die Auflösung am Ende war zwar logisch, doch konnte mich dennoch nicht überwältigen. Dafür hatten mir die Längen und Nebenerzählungen zuvor bereits zu sehr die Begeisterung genommen. Lieber wäre ich dem Hauptfluss gefolgt, als in ewigen Nebenflüssen herumzuirren.

Die Charaktere selbst waren auf ihre Art sehr lebendig beschrieben, sodass ich sie mir gut vorstellen konnte. Sie waren insgesamt sehr vielfältig und wurden mit durchdachten Hintergrundstories ausgestattet. Teilweise sehr berührend, teilweise sehr abstrus. Dennoch habe ich aus irgendeinem Grund nicht wirklich mitgefiebert. Vielleicht war das Kinderthema, das hier bei allen eine Rolle spielt, einfach zu präsent für mich.

Das Ende hat mich eher enttäuscht. Zum einen hat mir einfach nicht gefallen, was mit dem Mädchen geschieht. Wie das war’s jetzt?
Ich bin unzufrieden mit der Art, wie Menschen allein aufgrund ihrer Gene zu Antagonisten verdammt werden. Hier fehlte es mir an Erklärung, durch die ich das Verhalten hätte besser nachvollziehen können. Ein „weil er so ist“ reicht mir persönlich nicht aus.
Auch wenn ich grundsätzlich gutheiße, dass sehr verschiedene Menschen auftreten, wie Armstrong, der aufgrund seiner Hautfarbe diskriminiert wurde oder seine Frau, die eine Augenklappe trägt. So verstehe ich nicht, weshalb immer wieder abfällig auf die „Flusszigeuner“ verwiesen wurde ‑ ohne das diese je eine Bedeutung für die Geschichte hatten. Zumindest ist mir nicht ersichtlich, warum sie erwähnt werden mussten.

Einen nachhaltigen Eindruck hat dieses Buch nicht bei mir hinterlassen. Es war wunderschön geschrieben, die Elemente aus Mystik und Sagen haben mir gefallen, doch ab dem letzten Drittel kam immer mehr Langeweile auf.

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Veröffentlicht am 09.01.2021

Liebe macht alles möglich

Crescent City – Wenn das Dunkel erwacht
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Dämonen, Engel und Werwölfe ‑ für mich hatte diese Kombination bereits seit vielen Jahren bereits ihren Reiz verloren. Zu oft wiederholt, zu oft in Literatur und Film verarbeitet. Vielleicht ist diese ...

Dämonen, Engel und Werwölfe ‑ für mich hatte diese Kombination bereits seit vielen Jahren bereits ihren Reiz verloren. Zu oft wiederholt, zu oft in Literatur und Film verarbeitet. Vielleicht ist diese innere Haltung meinerseits auch der Grund, warum ich so selten Urban Fantasy lese. Crescent City konnte mich jedoch trotz dieser Analogien begeistern. Das ist zum großen Teil dem Schreibstil der Autorin und den Charakteren zu verdanken, die mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet wurden.

Ich habe eine Weile gebraucht, um in das Buch zu finden. Das lag nicht nur allein an der eher plumpen Art, wie die Welt den Leserinnen in den ersten 100 Seiten vorgestellt wurde, sondern vorrangig auch an Bryce. Ich hielt sie für arrogant, oberflächlich und verantwortungslos. Einem solchen Charakter wollte ich nicht 900 Seiten lang folgen. Doch im Laufe der Geschichte habe ich sie dennoch lieb gewonnen, als sie immer mehr vor meinen Augen zum Leben erwacht ist.

Nicht nur bei Bryce, auch bei Hunt war ich ebenfalls lange Zeit skeptisch, denn zu seinen schlechten Seiten gehören definitiv ein Beschützerinstinkt mit leicht übergriffigem Verhalten. Doch Bryce geigt ihm hier an einigen Stellen die Meinung, wenn er wieder versucht, über Dinge zu bestimmen, die sie selbst entscheiden möchte. Insbesondere, weil ihre eigene Mutter unter einer toxischen Beziehung litt. Dieses Verhalten wird von ihr nicht beschönigt, sondern ist Streitthema. Schlussendlich habe ich Hunt als relativ unproblematisch erlebt. Die Chemie zwischen ihr und ihm war so gut ausgearbeitet, dass ich ihnen die große Liebe tatsächlich abgekauft habe. Vermutlich, weil Gefühle insgesamt sehr heftig und einnehmend dargestellt werden, sowohl familiäre, freundschaftliche als auch partnerschaftliche Gefühle.

Ich fand es wundervoll dargestellt, wie Hunt und Bryce zusammen an sich arbeiten, heilen und ihre Trauer bewältigen. Wie Freundschaften entstehen oder zerbrechen, wie das Zwischenmenschliche auf allen Ebene der ganzen Geschichte Tiefe verliehen hat. In dieser einen Geschichte werden so viele andere Geschichten erzählt, von Personen, die wieder zueinander finden, die lernen, Verständnis aufzubringen und die besser werden als sie zuvor waren.
„Die Liebe besiegt alles“ ‑ Etwas weniger Pathos wäre mir zwar lieber gewesen, doch im Großen und Ganzen ist vor allem die Liebe zwischen Freundinnen gemeint, die selbst über den Tod noch anhält. Das kann ich akzeptieren.

Was ich jedoch nicht mochte, war die Darstellung von ausschließlich atemberaubend schönen und bevorzugt mächtigen, auch oft selbstgefälligen Charakteren, die nur an Sex dachten. Da musste ich mir mehrmals ein Augendrehen verkneifen. Ich finde es ermüdend, andauernd zu lesen, wie unheimlich elegant jemand sich bewegte oder wie geschmeidig doch das Haar war. Alle waren einfach ausnahmslos perfekt. Viele männliche Nebencharaktere, die unter dem scherzhaft betitelten „dominanten Arschloch‑Syndrom“ litten, wirkten daher identisch. Auch Bryce schien für jeden und alles absolute Traumfrau zu sein.
Kritisch finde ich auch, dass ich mir bei einigen Charakteren nie sicher sein konnte, waren sie jetzt POC oder nicht. Vielleicht wollte die Autorin es einfach schlicht der Vorstellung der Leser
innen überlassen, aber ich persönlich hätte eine konkrete Personenbeschreibung bevorzugt.

Die Welt war an sich schlüssig aufgebaut, auch wenn ich die Namensgebung etwas einfallslos finde. „Midgard“ verbinde ich mit nordischer Mythologie, die konnte ich in der Geschichte jedoch nicht finden. „Umbra Mortis“ ist Latein, jedoch habe ich auch hier keinen Bezug der Charaktere oder der Welt zum Lateinischen gesehen, der diese Bezeichnung erklären würde.
Die ersten 100 und die letzten 400 haben mir am besten gefallen. Dazwischen entstehen einige Längen, die zwar der Charakterentwicklung zuträglich waren, jedoch für mich zu sehr dahinplätscherten. Davon sollte man oder frau sich jedoch nicht abhalten lassen ‑ ebenso wenig von der übereifrigen Informationsflut am Anfang ‑ denn tatsächlich haben die letzten Seiten diese Längen für mich wieder herausgeholt.

Ich habe selten ein Buch gelesen, bei dem ich mit den Charakteren so stark mitfühlen konnte. Es stecken so viel Leid und Freude in den Seiten, dass man entweder atemlos davor sitzt, der ganze Körper sich vor Schmerz verzieht oder vor Glück weint. Das Ende war überwältigend. Als ich dachte, jetzt wäre es vorbei, hatte ich noch mindestens 100 weitere Seiten zu lesen und es wurde noch viel heftiger.
Crescent City war das erste Buch der Autorin, das ich gelesen habe.

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Veröffentlicht am 09.01.2021

Die Schrecken eines Krieges

Im Zeichen der Mohnblume - Die Schamanin
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„Im Zeichen der Mohnblume“ ist kein Buch, das ich für einen gemütlichen Leseabend empfehlen kann. In diesem Buch geht es um Krieg, um Völkermord und eine blutige Geschichte, die auf den Opium‑Kriege ...

„Im Zeichen der Mohnblume“ ist kein Buch, das ich für einen gemütlichen Leseabend empfehlen kann. In diesem Buch geht es um Krieg, um Völkermord und eine blutige Geschichte, die auf den Opium‑Kriege beruht und mit fantastischen Elementen vermischt wurde. Das vorweg sollte jedem bewusst sein, bevor er sich vom langsamen, fast harmlosen Anfang der ersten Hälfte täuschen lässt.
Ich glaube, die Geschichte nahm mich so mit, weil zusätzlich intensiv mit moralischen Grauzonen gearbeitet wurde. Typische Erzählarten wurden einfach umgekehrt, bis ich nicht mehr wusste, wo gut und schlecht einzuordnen sind. Wer manipulierte wen? Auf die moralischen Fragen, die gestellt wurden, gab es nicht oft eine Antwort.

Rin zeichnet sich von Anfang an durch Zielstrebigkeit aus. Sie ist bereit, absolut alles zu geben, um sich nach oben zu kämpfen. Ein fast schon krankhafter Ehrgeiz, dem sie zwangsläufig ihre eigene Gesundheit opfern muss. Doch genau durch diese Gnadenlosigkeit kann sie sich gegen ihre Konkurrenten auf der Akademie behaupten und sich auch gegen rassistische Lehrer durchsetzen. Mit Jiang findet sie einen ungewöhnlichen Mentor, der ihr den Weg zu den Göttern zeigt und eine völlig neue magische Welt eröffnet. Doch mit diesem Bund tritt sie in eine Abwärtsspirale, die sie mit Beginn des Krieges immer tiefer ins eigene Dunkel stürzt. Ein faszinierender Charakter, gefährlich, schwierig, fragwürdig. Aber in jeder Hinsicht besonders. Rin ist nur einer von vielen lebendigen, großartigen Charakteren.

Nach dem ersten Teil wird der Schauplatz der Handlung gewechselt. Akademie wird gegen Schlachtfeld eingetauscht. Kinder werden zu Erwachsenen. Harmlose Zankereien erscheinen belanglos angesichts der drohenden Vernichtung von Städten und Dörfern.
Hier fiel es mir schwer, ins Geschehen zu finden. Liebgewonnene Charaktere wie Kitay und Nezha verlieren ihre Bedeutung, während gleichzeitig völlig neue Personen an ihre Stelle treten. Ich habe mich einfach geweigert, nach vielen hundert Seiten plötzlich mit ganz neuen Charakteren in Kontakt treten zu müssen, die ich nicht ansatzweise so interessant fand wie die vorherigen. Rin entwickelt zudem eine ungesunde Beziehung zu ihrem Kommandanten Altan, der von Rache und Hass bereits gebrochen ist. Keine Liebe (aber irgendwie doch). Nichts Romantisches, doch eine gewisse Abhängigkeit und Anbetung, die mir nicht ganz schlüssig erschien.

Die Autorin erschafft eine komplexe Welt, in der verschiedene Kulturen aufeinander treffen. Sie hat mich sowohl an AVATAR, als auch an viele andere epische Fantasywelten erinnert, ohne dass ich das Gefühl hatte, je etwas Vergleichbares gelesen zu haben. Dabei ist alles sehr düster, die Städte verdreckt, die Götter grausam und die Menschen selbstsüchtig. Zum Ende hin hätte ich mir mehr Lichtblicke und Unbeschwertheit gewünscht. Etwas mehr Freundschaft, Hoffnung oder Liebe. Es gibt diese Bindungen, doch sie erscheinen so unsagbar fragil. Schlussendlich war es mir zu viel Dunkelheit, zu heftig, zu brutal.
600‑Seiten asiatische Fantasy: erschreckend, erzählerisch gewaltig und einzigartig. Auch wenn ich ein wenig Angst davor habe, was mich im nächsten Teil erwarten wird ‑ gemessen an dem, was die Charaktere bereits im ersten Teil erleiden mussten ‑ ich werde ihn lesen.

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Veröffentlicht am 09.01.2021

Kunst mit Worten

Erfrorene Seele
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Ich habe ein paar Kapitel gebraucht, um mich an den metaphorischen, melancholischen Stil zu gewöhnen. Dieses Buch las sich für mich nicht wie ein Thriller, nicht einmal wie ein Roman, eher wie poetische ...

Ich habe ein paar Kapitel gebraucht, um mich an den metaphorischen, melancholischen Stil zu gewöhnen. Dieses Buch las sich für mich nicht wie ein Thriller, nicht einmal wie ein Roman, eher wie poetische Sammlung von Ereignissen. Die Bedeutung der Dinge versteckt sich zwischen den Zeilen, in denen die Protagonistin Wiebke nach ihrer Vergangenheit sucht.

Wiebke wirkte von Anfang an sehr unsicher, sehr nachdenklich und gefühlvoll. Sie verliert sich oft in ihren Tagträumen, vergisst Fragen zu beantworten oder lässt sich von ihrer Umgebung ablenken. Manchmal wollte ich über sie den Kopf schütteln, so wie auch Leonie und Pana es oft genug für mich taten.
Insgesamt konnte mich das erste Drittel des Buches nicht so sehr überzeugen. Erst als Wiebke endlich nach Grönland aufbricht, kam für mich Spannung auf. Die Diskussionen mit ihrem Vater hätten meiner Meinung nach gekürzt werden können. Ihre Dialoge wiederholen sich, während die Charaktere auf der Stelle treten. Doch mit Beginn der Reise war ich vollständig von der Geschichte und der Atmosphäre eingenommen, sodass es mir selbst auf der kuscheligen Couch manchmal eiskalt den Rücken herunterlief. So viele Geheimnisse und ausgesprochene Worte, die erst nach und nach die Wahrheit enthüllen. Dinge werden immer abstruser, seltsamer, fast surreal. Traum und Realität scheinen zu verschwimmen

Dabei ist das Erzähltempo allenfalls als gemächlich zu bezeichnen, doch in dem kleinen Dorf am Ende der Welt scheint ohnehin Zeit ihre Bedeutung zu verlieren. Kleinste Mimiken oder Gedankenfetzen werden ausführlich und anmutig erzählt. Oft versteckt sich mehr in dem, was geschieht, als was gesagt wird. Ich mag diese Art, die Dinge zu betrachten. Ich mag das Nachdenkliche, Träumerische.
Für meinen Eindruck entwickelte sich die Liebe zwischen Wiebke und Pana zu schnell. Einerseits wirkte sie so zaghaft, andererseits waren die Charaktere sehr freigiebig mit großen Worten. Ich mochte jedoch, wie liebevoll sie miteinander umgingen.
Wiebkes Mutter blieb mir leider etwas gestaltlos, eher ein Geist als eine Person. Doch vielleicht sollte sie auch gar nicht mehr sein; nur ein Schemen, dem Wiebke hinterherrennt. Bis zum Schluss irgendwie unnahbar. Rätselhaft.

Manchmal scheint sich die Spannung zu sehr in der Sprache zu verlieren und Dialoge wirkten etwas zu abstrakt. Doch dann wieder empfand ich den Wort‑Minimalismus wunderbar tiefgründig. Oh, dieses Ende ‑ was soll ich denn jetzt nur glauben? 😢
Es war angenehm, gefühlvoll und inspirierend. Ein bisschen wie Kunst mit Worten. Ich bin mir sicher, dass nicht jeder den gleichen Zugang zu der Geschichte finden wird, auch ich musste mich erst darauf einlassen. Doch gerade deshalb ist sie irgendwie so besonders.

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