Die Prägung eines Menschen
Mein erster Roman, den ich spielend in dieser Zeitepoche lese. Zu Beginn der 1960er Jahre wächst ein Junge auf, im westlichen Teil des damals geteilten Deutschlands. Und für mich ist ein solches Beinahzeitzeugnis ...
Mein erster Roman, den ich spielend in dieser Zeitepoche lese. Zu Beginn der 1960er Jahre wächst ein Junge auf, im westlichen Teil des damals geteilten Deutschlands. Und für mich ist ein solches Beinahzeitzeugnis ganz spannend. Schließlich sind meine Eltern auch in dieser Zeit geboren und aufgewachsen, aber auf der anderen Seite der Grenze, in der ehemaligen DDR. Der Autor Oskar Roehler nimmt den Leser in seinem Roman „Der Mangel“ mit in eine Welt, die zunächst etwas fremd anmutet. Und doch kann man sich doch ganz gut in die Lage der handelnden Romanfiguren einfinden. Bemerkenswert und nachhaltig schockierend war für mich der Lebensabschnitt Schule. Das dort Geschehene hat mich so beschäftigt, dass ich im Nachhinein mit meinem Mann darüber diskutieren musste. Ich brauchte unbedingt einen gedanklichen Austausch. Und genau diese Lebensereignisse und -abschnitte machen – auch heute noch – einen Menschen zu dem, was er sind. Und das macht mich nachdenklich. Aber irgendwie zugleich auch dankbar. „Der Mangel“ besticht durch Sprachgewandtheit, Weitsicht, Einfühlsamkeit und irgendwo auch durch eine Spur Melancholie. Auch jetzt noch kann ich meine Gedanken zu diesem Buch kaum sammeln, da beim Lesen meinerseits ganz andere Gefühle in mir ausgelöst wurden, als ich es bisher kannte. Und darum liebe ich das Lesen. Man ist nie angekommen, es gibt immer wieder Neues zu entdecken. Und Oskar Roehler hat mich in „Der Mangel“ auf eine weitere Reise mitgenommen, vor allen Dingen intellektuell.