"In der klammen Spanne der Nacht"
Paul Auster, der Poet ist eine wahre Offenbarung! Wer als Lyrikaficionado diese hier verpasst, ist nicht mehr zu helfen! Unbedingt lesen!!!
Viele kennen Paul Auster unter Umständen nur als Prosaautoren, ...
Paul Auster, der Poet ist eine wahre Offenbarung! Wer als Lyrikaficionado diese hier verpasst, ist nicht mehr zu helfen! Unbedingt lesen!!!
Viele kennen Paul Auster unter Umständen nur als Prosaautoren, von der Ne York-Trilogie bis Leviathan oder Timbuktu. Dort und in seinen anderen Werken wird der geneigte Leser bereits bemerkt haben, daß er sich einer durchaus lyrischen Romansprache in der erzählenden Form bedient.
Er und seine Frau Siri Hustvedt sind DAS Vorzeigeehepaar des intellektuellen Olympus der literarischen Gottheiten.
Die Hard - Fans von Paul Auster haben es natürlich schon gewußt und besitzen diesen Band gewiß schon, die Poeme des Paul Auster. Er hatte jene schon vor seinen Büchern veröffentlicht.
Es ist eine Kollektion von sieben separaten Gedichtbänden in einem. SPEICHEN ( 1970 ), AUSGRABEN ( 1970 - 1972 ), MENETEKEL ( 1971 - 1975 ), die Umfangreichste mit 30 Gedichten, VOM VERSCHWINDEN ( 1975 ), FRAGMENTE AUS KÄLTE ( 1976 - 1977 ), WEIßE RÄUME ( 1978 ) und DIE FOLGEN TRAGEN ( 1978 - 1979 ).
Das Allerbeste ist, daß diese Ausgabe bilingual ist. Wer des Englischen mächtig sein sollte, kann also die sprachlichen Originale genießen.
Schon in diesen frühen lyrischen Texten kann man erkennen, welch Talent, große kreative Gabe, welch damals noch zukünftiges Potential in ihm steckte, das bis heute nicht erschöpft ist. Er hat die Musenküsse offenbar im Dauerabo.
Seine Gedichte sind eine einzigartige Amalgamierung aus Expressionismus, Bekenntnislyrik und American mit der melancholischen Schwere des sephardischen Judentums, die er miteinander zu einem Ariadnefaden verbindet, die in ein Auster'sches Labyrinth der Wunder der Sprache führt.
Er hat natürlich lyrische Vorbilder, aber er kopiert nicht, imitiert genausowenig, sondern läßt in dieser träumerischen Mischung seine eigene individuelle, originäre Stimme erklingen, die ein Unikat ist sowie ein Monolith unter der Literatur der nordamerikanischen Gegenwart.
Eine eigenartige Stimmung ist der verbindende Faktor der Sammlung, aber das ist mitnichten abwertend gemeint, sondern spielt darauf an, daß man während des Lesens das Gefühl bekommt, in einen Spiegel zu blicken.
Man sieht seine eigene Dunkelheit, Neigung zur Depression, Nachdenklichkeit, Traurigkeit in Worte gekleidet, in Sätze gesperrt, so schön, daß es wehtut. Metaphern, assoziative Wortspiele, Alliterationen klingen nach wie das Echo einer verwundeten Seele, die sich verzweifelt an die Sprache klammert, um nicht in die stummschreiende Verzweiflung zu versinken.
Diese Gedichte sind wie Anker, die einen davon abhalten, in die wilde, stürmische See davonzutrudeln und verlorenzugehen. Stattdessen versinkt man in der Tiefe dieser Poeme. Wirkmächtig verbleiben diese Emotionen, die mit Worten bekleidet sind, um sich nicht nackt dem grellen Sonnenlicht auszuliefern für immer in meinem waidwunden Gedächtnis, das verletzt wurde von all der Erkenntnis der Vergeblichkeit des Lebens. So sind mir Paul Austers Poeme dennoch ein Trost in dunklen Stunden.
Beispiel: aus "Ausgraben"
XV
Zarte Morgendämmerung: die Grenze
deiner abgedunkelten Lampe: Luft
ohne Wort: eine rosenrunde, einfallende
Blumenkrone aus Asche. Von der kleinsten
deiner Sonnen packet du
die Brandwunden: Hülse
aus erweichtem Licht: die wahre Saat
in deiner fahlen Hand, sie erwächst
zu Stummheit. Jenseits dieser Stunde
wird dich das Auge lehren. Das Auge wird
die Sehnsucht lernen.
Hach! Wunderschön! Seufz! Noch Fragen?