"Kriminal" Haarmann
Hannover, zwischen Ende des 1. Weltkrieges und 1924. Weimarer Republik, ausgeblutetes Volk, Typhus, Hunger, Abgestumpftheit prägen diese Zeit. Alle sehen zu, dass sie irgendwie über die Runden kommen, ...
Hannover, zwischen Ende des 1. Weltkrieges und 1924. Weimarer Republik, ausgeblutetes Volk, Typhus, Hunger, Abgestumpftheit prägen diese Zeit. Alle sehen zu, dass sie irgendwie über die Runden kommen, die meisten mehr schlecht als recht. Zu dieser Zeit tauchen so viele Knochen in der Leine auf, dass sie irgendwann abgelassen wird, um diese Sache zu untersuchen. Und bald steht fest - es sind menschliche Überreste. Jemand bringt Leute um. Dieser Jemand - damit spoilere ich nicht, da es den Tatsachen entspricht - heißt Fritz Haarmann und ist Polizeispitzel, was es ihm erleichtert, auf dem Bahnhof junge Männer anzusprechen und mit nach Hause zu nehmen. Er hat Sex mit ihnen, bringt sie um und verkauft dann ihr Fleisch an Nachbarn und ein Wirtshaus, auch die Sachen der Ermordeten finden dankbare Abnehmer. Lange Zeit geht er fast unbelästigt seinen grausamen Taten nach, geschützt durch unglaubliche Zufälle und geschützt durch die Polizei selbst, die einen "guten" Spitzel nicht verdächtigen will.
Eine Graphic Novel, die sich mit einem Serienkiller beschäftigt? Kann man da der Materie überhaupt gerecht werden? Man kann. Und das sehr gut. Bezeichnend für diese Geschichte ist wohl, dass hier nicht nur das reißerische Hauptaugenmerk auf dem Killer liegt. Tatsächlich erhält der seine Charakterstudie dadurch, dass mit ihm interagierende Personen durch ihre Handlungen und ihr Denken Haarmann besser beschreiben, als das durch den intensiven Fokus auf ihm selbst geschehen könnte. Die Geschichte ist sehr gut ausgefeilt und wird durch die Superzeichnungen getragen. Im Innenteil des Buches gibt es Kurzbeschreibungen all seiner Opfer (auch wenn die Story der Beschreibung des Friedel Rothe widerspricht) und am Ende gibt es auch noch einmal eine Kurzzusammenfassung zu Haarmann und der Zeit, in der er agierte. Eine empfehlenswerte GN, düster, beklemmend und man fragt sich manchmal, wer das Monster ist: derjenige, der tötet oder diejenigen, die durch ihre Gier, ihre Selbstzufriedenheit und durch ihre Arroganz den Morden Vorschub leisteten.