Ein bisschen wie „Feuchtgebiete“ in den Wechseljahren – und in bunt
„Geile Farben“ von Pola Polanski ist ein ungewöhnlicher Roman, der sich nicht ganz einordnen lässt: Es geht um Kunst und Farben und Abszesse und Sex und Ekel und Liebe. Manchmal surreal, manchmal bestürzend ...
„Geile Farben“ von Pola Polanski ist ein ungewöhnlicher Roman, der sich nicht ganz einordnen lässt: Es geht um Kunst und Farben und Abszesse und Sex und Ekel und Liebe. Manchmal surreal, manchmal bestürzend real. Die Protagonistin Amelie ist Künstlerin, Anfang 50 und kämpft mit ungewöhnlich heftigen Wechseljahresbeschwerden und ihrem impotenten Ehemann. Als sie eines Tages die Galeristin Henriette kennenlernt, wird ihr Leben, ihre Überzeugungen und Werte, auf eine harte Probe gestellt.
In farbigen, eindrücklichen Bildern erzählt „Geile Farben“ eine Art späte „Coming-of-Age“-Geschichte. Amelie muss sich neu erfinden, muss mit ihrem Ehemann Flo, der so einige Geheimnisse hütet, ins Reine kommen und ihre Beziehung neu definieren. Ihr Misstrauen gegenüber ihrem Ehemann, der trotz Impotenz nächtelang Pornos schaut, beschert ihr eine schlaflose Nacht nach der anderen. Als Leserin begeben wir uns mit ihr in eine Abwärtsspirale aus Misstrauen, Angst und schwindendem Selbstwertgefühl. Hier liegt die Stärke des Romans: Die inneren Monologe, die geteilten Emotionen Amelies reißen uns wirklich mit, und wir ertappen uns dabei, ganz unkritisch ihre Empörung unhinterfragt zu übernehmen.
Leider hapert es trotz grandioser Konzeption des Romans immer wieder an der Umsetzung. „Geile Farben“ liest sich manchmal flüssig, wie ein emotionaler Rausch, dann aber wieder hölzern und stockend. Das betrifft vor allem die Dialoge, die meist wie Fremdkörper lose im Text treiben und kaum natürlich wirken. Viele geschilderte soziale Interaktionen leiden dadurch an einer mangelnden Eingliederung ins Geschehen und in Amelies Bewusstsein – als Leserin fühlt man sich einfach „nicht abgeholt“ vom Text. Dadurch werden auch manche von Amelies emotionalen Reaktionen unnachvollziehbar, denn der zugrunde liegende Dialog gibt das, was sie daraus macht, oft gar nicht her. Auch das Ende krankt ein wenig an mangelnder Liebe zum Dialog und schließt ein starkes, buntes Buch leider ein wenig grau und fad ab.
Nichtsdestotrotz ein origineller, lesenswerter Roman, der einen bleibenden Eindruck hinterlässt!