Platzhalter für Profilbild

Fever

Lesejury Star
offline

Fever ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Fever über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.11.2024

Ein bewegender Roman über Leidenschaft und die Verwobenheit menschlicher Schicksale

Das große Spiel
0

In „Das große Spiel“ zeichnet Autor Richard Powers mit Prägnanz und Poesie die Biographien mehrerer Menschen nach, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch tief miteinander verbunden sind. Der ...

In „Das große Spiel“ zeichnet Autor Richard Powers mit Prägnanz und Poesie die Biographien mehrerer Menschen nach, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch tief miteinander verbunden sind. Der Roman beschäftigt sich vorrangig mit den Leidenschaften seiner Figuren und Fragen von Herkunft, Zugehörigkeit und Menschlichkeit.

„Das große Spiel“ ist eines dieser Bücher, bei denen eine Inhaltsangabe schwerfällt: Mehrere parallele Handlungsstränge leiten durch den Roman, die alle miteinander verknüpft zu sein scheinen, deren Verknüpfung aber nicht auf den ersten Blick offenbar wird. Ein todkranker Tech-Mogul, der auf sein Leben und sein Schaffen zurückblickt, in erster Linie aber an seinen ältesten, entfremdeten Freund zurückdenkt, mit dem er eine große Leidenschaft teilte: das Go-Spiel. Eine Meeresforscherin, die ihren Beruf gegen alle Widerstände der sexistischen Nachkriegsgesellschaft auslebt. Eine Insel im Pazifik, die mit ihrem kolonialen Erbe ringt. All diese Geschichten stehen für sich, sind bewegende und tiefgehende Biographien aus sich selbst heraus. Aber sie gehören auch zusammen, und das ist das eigentlich Beeindruckende an diesem Roman.

Richard Powers ist mit „Das große Spiel“ ein flammendes Plädoyer für menschliche Leidenschaft gelungen. Die Geschichten seiner Figuren zeigen, welch kraftvollen Antrieb echte Leidenschaft darstellen kann, aber auch, welches zerstörerische Potenzial ihr innewohnt. Gerade die Geschichte um die zerbrechende Freundschaft von Internet-Billionär Todd Keanes und Rafi, seinem Freund aus Jugendtagen, ist zugleich wunderschön, berührend und schmerzhaft realitätsnah. Dieses Konzept der Leidenschaft kontrastiert Powers immer wieder mit dem technologischen Fortschritt, repräsentiert durch Todd und seinen Drang zur Innovation und Automatisierung. Über den Biographien dieser Menschen liegt also wie ein dünner Schleier stets auch die Frage danach, was echte Menschlichkeit ausmacht. All dies stellt Powers in einer bildhaften, kraftvollen Sprache dar, wobei seine Schilderungen nicht ganz ohne Längen bleiben. Hier und da mäandert der Text vielleicht ein wenig zu weit davon, aber es gelingt ihm doch immer wieder, seine Leserschaft aufs Neue zu packen und zum Kern der Sache zurückzuleiten.

Ein anspruchsvolles, poetisches und bewegendes Buch mit vielen aktuellen Bezügen und Denkanstößen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.10.2024

Spannende Idee mit mauer Umsetzung

Sisters in Blood - Der Schwur
2

„Sisters in Blood. Der Schwur“ ist ein historischer Roman, der sich mit einigen Handlungselementen und Figuren auf altnordische Sagas aus dem mittelalterlichen Island zurückbezieht. In diesem Rahmen erzählt ...

„Sisters in Blood. Der Schwur“ ist ein historischer Roman, der sich mit einigen Handlungselementen und Figuren auf altnordische Sagas aus dem mittelalterlichen Island zurückbezieht. In diesem Rahmen erzählt Autorin Genevieve Gornichec eine häufig modern anmutende Geschichte über zwei Frauen, die ihren Weg im Leben suchen, gewürzt mit vielen Details über das Leben im mittelalterlichen Norden.

Die Schwestern Signy und Oddny verbindet eine tiefe Freundschaft mit Gunnhild, die sich zur Hexe ausbilden lassen möchte. In jungen Jahren schwören die drei, einander immer beizustehen, bevor Gunnhild für ihre Ausbildung einen Weg fernab der beiden einschlägt. Als der Hof von Signy und Oddny überfallen und Signy verschleppt wird, heißt es, den Schwur einzulösen und Signy zu retten. Gunnhild und Oddny begeben sich auf die Suche nach ihrer (Bluts-)Schwester und treffen dabei beide auf Männer, die ihr Leben auf den Kopf stellen, während sie zugleich noch mit eigenen Unsicherheiten und Unzulänglichkeiten ringen. Insbesondere Gunnhild ist eine zutiefst konfliktbehaftete Figur, deren magische Fähigkeiten immer wieder auf die Probe gestellt werden und der auch Scheitern nicht fremd ist.

„Sisters in Blood“ hätte eigentlich das Zeug zu einem durch und durch spannenden historischen Roman gehabt, der vor allem Menschen mit Interesse am mittelalterlichen Norden und seinen kulturellen Besonderheiten hätte Spaß machen können. Leider gelingt es der Autorin jedoch nicht, diese kulturellen Besonderheiten auf organische Weise in den Handlungsverlauf einzuweben. Insbesondere in der ersten Hälfte reiht sich oftmals Infodump an Infodump. Sobald sich diese informationslastige Erzählweise etwas gelegt hat, stehen dann sofort die respektiven Liebesgeschichten von Gunnhild und Oddny im Vordergrund, die zwar mit der Suche nach Signy zu tun haben (beide Romanzen entwickeln sich, weil die Frauen Unterstützung von den Männern brauchen), dieses zentrale Ziel jedoch häufig in den Hintergrund verdrängen. Am Ende möchte das Buch im Grunde sagen, dass Frauen sich selbst behaupten können, untergräbt diese Aussage aber dadurch, dass seine beiden Heldinnen sich jeweils an (mächtige) Männer hängen.

Ein Buch, das ich leider Fans von historischen Romanen nicht empfehlen kann. Wer auf Liebesgeschichten in einem historischen Setting steht, könnte vielleicht etwas mehr Freude an dem Roman haben, die informationslastige Erzählweise und eine ganze Reihe von unglaubwürdigen Entwicklungen im Verlauf der Geschichte werden die Lesefreude allerdings auch für diese Zielgruppe etwas dämpfen. Leider keine Empfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Thema
Veröffentlicht am 06.10.2024

Amüsanter Whodunit

Mrs Potts' Mordclub und der tote Bürgermeister
0

Hört man den Namen Robert Thorogood, wissen Krimi-Fans eigentlich sofort, dass sie ein besonderes Schmankerl erwartet. Auch der dritte Band von Mrs Potts’ Mordclub („Der tote Bürgermeister“) überzeugt ...

Hört man den Namen Robert Thorogood, wissen Krimi-Fans eigentlich sofort, dass sie ein besonderes Schmankerl erwartet. Auch der dritte Band von Mrs Potts’ Mordclub („Der tote Bürgermeister“) überzeugt durch sein liebevoll-verschrobenes Setting und seinen wohldurchdachten Mordfall. Einzig die Schrulligkeit der Ermittlerinnen kommt in diesem Band ein wenig zu kurz.

Judith Potts landet mit ihren ermittlungswütigen Freundinnen Becks und Suzie schon wieder mitten in einem mysteriösen Mordfall, der das lauschige Marlow erschüttert. Diesmal muss der Bürgermeister dran glauben – dabei scheint er allgemein beliebt und ein durch und durch anständiger Mensch gewesen zu sein. Oder hütete er ein dunkles Geheimnis? Die drei Damen vom Mordclub wollen es herausfinden, diesmal sogar in offizieller Rolle, denn die frisch beförderte Inspektorin Tanika beruft sie diesmal als Beraterinnen in dem Fall. Das hindert die drei allerdings nicht daran, ihre Nachforschungen auf teils unkonventionelle Weise anzustellen und nicht immer in vollem Ausmaß mit der Polizei zu kooperieren.

Der dritte Band der Reihe hat im Grunde alles, was man sich von einem Cosy Murder Mystery wünscht: einen vertrackten Fall, viele, viele Zeugenaussagen und Indizien, ein schrulliges Ermittlertrio und jede Menge englischen Charme, alles gewürzt mit einer ordentlichen Prise Humor. Was hier allerdings ein wenig zurückbleibt, sind die Schrullen der Hauptfiguren. Hatte gerade Judith in den ersten Bänden noch ausnehmend viele Ecken und Kanten, sind diese hier schon deutlich geglättet, und auch Suzie und Becks fehlt es ein wenig an Schärfe, was ihre persönlichen Eigenheiten angeht. Zwar bekommt jede von ihnen einen kleinen Nebenhandlungsstrang, jedoch in wirklich homöopathischen Dosen. Der Vorteil: Dadurch bekommt der Fall sehr viel Raum, und Rätselfreund*innen kommen in diesem Krimi wirklich voll auf ihre Kosten. Wer zudem aber auch an den Figuren selbst interessiert ist, wird vielleicht ein wenig enttäuscht sein.

Insgesamt ein absolut lohnenswerter Krimi mit viel Charme und Witz, der die Ermittlung im Mordfall stark in den Vordergrund stellt und mit vielen Verdachtsmomenten, Irrungen und Wirrungen aufwartet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.10.2024

Etwas verwirrend, aber nicht ohne Charme

Verwerfungen
0

Mit „Verwerfungen“ schickt Su Turhan bereits zum achten Mal seinen bayrisch-türkischen Kommissar Zeki Demirbilek ins Rennen.Vorweg sei gesagt: Es war vielleicht nicht die beste Idee, mit dem achten Band ...

Mit „Verwerfungen“ schickt Su Turhan bereits zum achten Mal seinen bayrisch-türkischen Kommissar Zeki Demirbilek ins Rennen.Vorweg sei gesagt: Es war vielleicht nicht die beste Idee, mit dem achten Band einer Reihe zu starten. Vieles, was für mich als Einsteigerin verwirrend war, ist womöglich für Fans der Reihe selbstverständlich. Insofern würde ich bei Interesse dazu raten, den ersten Band zu kaufen.

Verwirrungspotenzial gibt es nämlich allerhand in diesem Roman mit seinen vielfältigen Schauplätzen und den unzähligen Figuren, die hier und da alle einmal zu Wort kommen. Im Kern geht es in „Verwerfungen“ um ein Kunstobjekt, das zwischen Istanbul und München hin und her wandert, hier mal gestohlen und dort mal gefälscht wird und stets in die falschen Hände zu geraten scheint. Jeder scheint „die Medusa“ haben zu wollen. Zeki Demirbilek, der sich nach einer ernsten Verletzung in Istanbul auskuriert, kooperiert auf etwas undurchsichtige Weise sowohl mit der Istanbuler als auch mit der Münchner Polizei und ist zudem noch persönlich involviert, denn das Opfer des ersten Diebstahls war ein befreundeter Münchner Antiquitätenhändler, der sich immer tiefer in das Drama um die Medusa verstrickt.

Die größte Schwierigkeit, die ich mit „Verwerfungen“ hatte, war, einen Überblick über die vielen Figuren zu bekommen. Das Problem dabei ist, dass die Fäden nicht alle bei einem Protagonisten (Zeki) zusammenlaufen, sondern unheimlich vieles gleichzeitig an verschiedenen Orten passiert, was Zeki teilweise nur am Rande tangiert. Wir folgen hier also nicht einem Ermittler oder einem Ermittlungsteam, sondern vielen verschiedenen Handlungssträngen mit unterschiedlichen Hauptfiguren, die alle irgendwie (entfernt) mit der gestohlenen Medusa zu tun haben. Bei dieser gewaltigen Menge an Perspektiven bleibt kaum Zeit, um einzelne Figuren besser kennenzulernen oder überhaupt ihre Bedeutung in Zekis Leben klar festzustellen. ABER: Dieser Eindruck entstammt natürlich meiner Perspektive als Neuleserin. Wer all diese Figuren bereits aus sieben Vorgängerbänden kennt, sieht das womöglich völlig anders. Daher bin ich geneigt, das Buch wohlwollend zu bewerten, denn die Verstrickungen um die Medusa, also der eigentliche Kriminalfall, sind durchaus spannend und unvorhersehbar, sodass die Kriminalhandlung selbst positiv aus dem Perspektiven-Gewirr hervorsticht.

Insgesamt ein Buch, das ich nur Menschen ans Herz legen würde, die bereits die Vorgängerbände zur Reihe gelesen haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.10.2024

Ein nachdenklicher, langsamer Roman

In den Wald
0

„In den Wald“ von Maddalena Vaglio Tanet startet wie ein Spannungsroman, entwickelt sich dann jedoch sehr langsam und behutsam in eine nachdenkliche Erzählung über Lebenswege und Träume, enttäuschte Hoffnungen ...

„In den Wald“ von Maddalena Vaglio Tanet startet wie ein Spannungsroman, entwickelt sich dann jedoch sehr langsam und behutsam in eine nachdenkliche Erzählung über Lebenswege und Träume, enttäuschte Hoffnungen und verborgene Sehnsüchte. Nicht reizlos, aber durchaus mit Schwächen.

In einem kleinen italienischen Ort begeht eine 11-jährige Schülerin Selbstmord. Ihre Lehrerin, Silvia, der das Mädchen ans Herz gewachsen ist, verkraftet diese grauenvolle Entwicklung überhaupt nicht und versteckt sich in einer Übersprungshandlung im Wald. Während ihre Familie und ihr Umfeld nach ihr suchen, reflektiert Silvia nicht nur über das, was zur Tat ihrer Schülerin geführt hat, sondern auch über ihr eigenes Leben – die Kindheit im Internat, das Verhältnis zur Familie, ihren Status als Alleinstehende.

Zu Wort kommen neben Silvia noch viele weitere Stimmen: Menschen aus dem Dorf wie auch Familienangehörige. Sie alle haben ihre eigenen Päckchen zu tragen, sodass die Geschichte immer wieder von der Handlung um Silvia abrückt und andere Pfade erforscht. Diese Vielstimmigkeit hat zwar ihren ganz eigenen Reiz, zeigt sie doch eine große Bandbreite von Biographien und den Wert eines Lebens, das auf viele unterschiedliche Arten verlaufen kann. Zugleich nimmt diese Vielfalt an Perspektiven dem Buch jedoch auch den Fokus. Hier geht es mal um Gewalt in der Familie, dort um Eheschwierigkeiten, dann wieder um Entwurzelung und Umzug in jungen Jahren, um Krankheiten und Mobbing. All diese Bereiche tangieren die Sphäre der Hauptfigur Silvia, aber eine echte Protagonistin ist sie nicht, wie sie dort passiv im Wald sitzt und über weite Strecken anderen Figuren das Feld überlässt.

„In den Wald“ ist ein durchaus interessanter Roman, der einen jedoch nach der Lektüre eher ratlos zurücklässt. Da der Text von hier nach dort mäandert, ist beim Zuschlagen des Buchs nicht so recht klar, welche Aussage es nun eigentlich transportieren wollte. Wer nachdenkliche Texte mag, wird „In den Wald“ aber vielleicht gerade aufgrund seiner unaufgeregten und beinahe dahinplätschernden Art zu schätzen wissen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere