Armut, Prekarität und Trostlosigkeit
Ralf Rothmann erzählt episodenartig aus dem Leben Simons, der im Ruhrgebiet der sechziger Jahre aufwächst. Simons Vater arbeitet auf der Zeche, hat einen Arbeitsunfall und muss ins Krankenhaus. Seine Mutter ...
Ralf Rothmann erzählt episodenartig aus dem Leben Simons, der im Ruhrgebiet der sechziger Jahre aufwächst. Simons Vater arbeitet auf der Zeche, hat einen Arbeitsunfall und muss ins Krankenhaus. Seine Mutter will leben und sucht, während der Vater seine Verletzungen auskuriert, in den Beziehungen zu anderen Männern nach Erfüllung und nach Freiheit. Simons Bruder ist geistig behindert, leidet unter Anfällen und verletzt sich bei einem Anfall so stark, dass er für längere Zeit ebenfalls ins Krankenhaus muss. Der Protagonist selbst geht auf die Berufsschule, aber scheint nicht wirklich bei der Sache zu sein. Stattdessen zieht er mit seinem Freund Pawel um die Häuser, der jedoch später bei einem Autounfall stirbt.
Rothmann erzählt mit viel schriftstellerischem Talent und Einfühlsamkeit aus dem Leben dieser Menschen. Er wertet nicht, blickt nicht auf sie herab, aber beschönigt auch nicht. Das Erzählte bleibt immer nachvollziehbar, greifbar und authentisch. Er schreibt über Armut, Prekarität, über die Trostlosigkeit und die schwere Arbeit auf der Zeche, aber trotz dieser düsteren Themen wirken seine Ruhrgebietsromane nie erdrückend, denn sie sind aus der Perspektive von Protagonisten erzählt, die nach Freiheit suchen und nach ihrem Platz in der Welt.