Klug und herzzerreißend
Was für ein wundervolles, intensives, kluges Buch! Hellsichtig und zärtlich, intim und weltenumspannend, beglückend und erschütternd zugleich.
Es ist eine Weile her, dass mir eine Geschichte und die eindringliche ...
Was für ein wundervolles, intensives, kluges Buch! Hellsichtig und zärtlich, intim und weltenumspannend, beglückend und erschütternd zugleich.
Es ist eine Weile her, dass mir eine Geschichte und die eindringliche Art, wie sie erzählt wird, so unter die Haut ging. Auf jeden Fall ein Jahreshighlight und Richard Powers ein Autor, dessen andere Werke es für mich nun zu entdecken gilt.
Der Astrobiologe Theo, der beruflich nach außerirdischem Leben und damit den Beweis dafür sucht, dass das Leben auf der Erde kein Zufall war, bleibt nach dem Unfalltod seiner Frau Alyssa mit dem gemeinsamen Sohn Robin zurück. Der Neunjährige ist hochbegabt und hochsensibel und verzweifelt neben seiner Trauer mehr und mehr an seiner Umwelt, auf die er schließlich mit Gewaltausbrüchen reagiert. Als er seine Wut kaum noch unter Kontrolle hat und seine Lebenslust verliert, lässt ihn sein Vater zunächst widerstrebend an einem neuartigen experimentellen Trainingsprogramm zum emotionalen Feedback teilnehmen. Dort wird er mit heilsamen Verhaltensmustern seiner verstorbenen Mutter konfrontiert, die vor Jahren ebenfalls an dem Projekt beteiligt war und dessen Datenbank mit der Emotion "Begeisterung" speiste. Schon bald ist der Junge wie ausgewechselt, lebt sichtlich auf, zeigt Nachsicht mit all den Unwissenden und Unwilligen, entwickelt ungeahnte kognitive Fähigkeiten und "weiß" plötzlich Dinge, die nur seine Mutter wissen konnte. Zugleich stürzt er sich bis zur Selbstaufgabe in deren einstige Mission: die Rettung der Tiere.
Theo, der die Persönlichkeitsveränderung seines Sohnes mit gemischten Gefühlen verfolgt, neben der Sorge ob dessen Fanatismus' sogar Eifersucht auf Robins emotionale Nähe zu Alyssa empfindet, unterstützt seinen Junior dennoch mit Tatkraft und grenzenloser Liebe.
Schließlich geht Robins Erfolgsgeschichte viral, löst Zustimmung für das Experiment, enorme Sympathien für seine Sache und letztlich Massenproteste aus.
Da der Autor die Geschichte in einem reaktionären bigotten Amerika ansiedelt, dessen Präsidenten wir alle wiedererkennen, sind die Probleme programmiert. Die Projektmittel sowohl für Theos Suche als auch für Robins Feddbacktraining werden gestrichen. Das Unheil nimmt seinen Lauf…
Richard Powers lässt das Familiendrama chronologisch und in der Rückschau des Vaters ablaufen. Dieser tritt als rückhaltlos ehrlich reflektierender Ich-Erzähler auf, dessen Bericht leise, langsam und poetisch eine emotionale Lawine auf die Lesenden niedergehen lässt. Geschrieben in einer wunderschönen, präzisen Sprache, die unvergessliche Bilder nicht nur von unserem einzigartigen Planeten hinterlässt.
Unbedingte Lese- und auch Hörempfehlung, denn mit Joachim Schönfeld hat dieser Roman genau den richtigen Sprecher gefunden.