Eine neue Reisesparte - Friedhoftourismus von seiner schönsten Seite
Während der Herbstnebel wabert und sich die Gedenktage an die Verstorbenen wieder nähern, erscheint im Kunth Verlag ein ganz besonderes Buch, das sich mit einer ganz neuen Reisesparte befasst - Friedhoftourismus. ...
Während der Herbstnebel wabert und sich die Gedenktage an die Verstorbenen wieder nähern, erscheint im Kunth Verlag ein ganz besonderes Buch, das sich mit einer ganz neuen Reisesparte befasst - Friedhoftourismus. Was auf den erst Blick etwas morbide und befremdlich erscheint, wird beim Betrachten des Buches zu einem fesselnden und nachdenklich stimmendem Werk, das die Leser:innen dazu einlädt, das Gedenken an die Verstorbenen in einem neuen Licht zu sehen. Hier wird klar, dass Friedhöfe nicht nur Orte des Schmerzes und der Trauer sind, sondern auch der Begegnung, der Geschichte und der kulturellen Identität.
Oft nähern wir uns einem Friedhof nur mit leisen bedachten Schritten und in flüsterndem Ton. Die Frage, warum wir uns zurückhaltend verhalten, ist ebenso interessant wie die Überlegung, warum wir diese Orte nicht wie andere kulturelle Stätten in vollen Zügen genießen können. Hier gelingt es Rita Henss eine neue Perspektive einzunehmen und die klassischen Sehenswürdigkeiten wie Paläste, Kirchen und Museen aussen vor zu lassen und der Faszination der Grabdenkmäler, Inschriften, mit Moos und Flechten bewachsenen Granitkreuze oder kunstvoll gestalteten Grabsteine nachzuspüren.
Friedhöfe haben sich im Laufe der Jahrhunderte von Außenseitern der städtischen Landschaft zu zentralen kulturellen Anziehungspunkten entwickelt. Die Autorin beschreibt eindrucksvoll, wie diese Orte der Ruhe und des Gedenkens oft auch als grüne Oasen in urbanen Umgebungen fungieren. Die Verbindung zwischen Trauer und Erholung, zwischen Gedenken und Freizeit wird klar, und die Lesenden werden eingeladen, die Vielfalt der Motive zu entdecken, die Menschen zu diesen besonderen Orten führen.
Besonders spannend ist der Einblick in die verschiedenen religiösen und kulturpädagogischen Facetten, die vom Bestattungsritual bis hin zu Toten- und Trauerkult reicht. Erinnerungen an berühmte Persönlichkeiten gehören ebenso dazu wie eindrucksvolle Aufnahmen. Tanzende Polarlichter über schlichten weißen Holzkreuzen, hängende Särge in steilen Felswänden, ein achtarmiger Kronleuchter aus menschlichen Knochen, Wirbel und Totenschädeln oder ein letzter Blick nach Mekka - der Tod gehört zum Leben dazu und darf nicht weiter als Tabu in unserer Gesellschaft behaftet sein.