Wenn junge italienische Autoren über Gefühle schreiben, entstehen kleine Meisterwerke.
Ettore ist Vater geworden. Seine Frau hat ihm einen Sohn, Pietro, geboren. Doch das junge Familienglück währt nicht lange. Nach einigen Monaten verlässt sie Sohn und Mann und verschwindet aus ihrem Leben. ...
Ettore ist Vater geworden. Seine Frau hat ihm einen Sohn, Pietro, geboren. Doch das junge Familienglück währt nicht lange. Nach einigen Monaten verlässt sie Sohn und Mann und verschwindet aus ihrem Leben. So wächst Pietro bei seinem Vater in dem kleinen Ort Fabbrico in der Emilia Romagna auf. Es ist ein ruhiges stilles Zusammenleben, unterbrochen durch Aufenthalte bei den Großeltern mütterlicherseits.
Zu einem Geburtstag bekommt Pietro von seinem Vater einen Hund geschenkt, Bricciola.
Die Trennung des jungen Hundes von seiner Mutter bewegt Pietro sehr und das erste Mal stellt er sich die Frage, ob es bei seiner Mutter auch so war.
Dann wird Pietro groß, macht Matura und zieht in die Stadt zum Studieren. Als seine Jugendliebe zu ihm zieht und schwanger wird, erkennt er, dass Fabbrico sein zuhause ist und kehrt mit Miriam zu seinem Vater zurück. Erst am Ende des Buches wird er etwas über seine Mutter erfahren.
Meine persönlichen Eindrücke
Der Roman liest sich flüssig, ist aber bei Weitem keine einfache Lektüre. Teilweise möchte ich meinen, diese distanzierte Sprache des Erzählens, besonders in der ersten Hälfte des Buches, ist bewusst unpersönlich gehalten. Nur wenig erfahre ich von Pietros inneren Vorgängen, seinen Wünschen, Sehnsüchten oder Zweifeln. Erst im letzten Drittel öffnet Pietro seinen Panzer und lässt Gefühle an die Mutter gerichtet, erkennen. Dann merke ich, wie tief der Schmerz ist, der sich bis jetzt nicht direkt geäußert hat und vielleicht nicht mal ein Schmerz ist, sondern ein Phantom – etwas was fehlt und da sein sollte.
Pietro weiß ja nicht, was genau fehlt.
Es fehlt die Vorstellung der Mutter, aber was bedeutet das? Wir stellen uns immer eine ideale Mutterfigur vor – aber hätte Anna diese Rolle einnehmen können und was, wenn nicht?
Trotz der Thematik habe ich das Buch nicht als trist oder traurig empfunden. Da ist zum einen die Zuneigung des Vaters seinem Sohn gegenüber, die mehrmals äußerst sensibel beschrieben ist. Zum anderen kann man auch Pietros Liebe zu seinem Vater zwischen den Zeilen lesen. Es gibt eine Vertrautheit, die Ruhe ausstrahlt, in all der Stille.
Fazit
Camurris Roman „Der Name seiner Mutter“ stimmt nachdenklich, beschäftigt mich auch nachdem ich ihn gelesen habe und wird mir als sensibles Bekenntnis eines jungen Mannes, der seine Mutter vermisst, in Erinnerung bleiben.
In den letzten Jahren hat sich ein neuer italienischer Literaturstil entwickelt. Junge Schriftsteller schreiben sehr gefühlvoll und sensibel über ihre Kindheit, ihre Jugend, ihr Verhältnis zu den Eltern und zu ihrem Umfeld. Hier möchte ich Giorgio Fontanas Roman „Tod eines glücklichen Menschen“ oder Paolo Cognettis „Acht Berge“ nennen, zwei, wie ich finde, hervorragende Romane. Camurris Roman gesellt sich dazu.