Hervorragende Biographie, im zweiten Teil wäre mehr "Mensch" schön gewesen
Wie immer war ich von Safranskis Schreibstl sehr angetan. Man ist in seine Bücher sofort "drin", er schafft es, seine Biographien mit viel Leben zu füllen, die Personen regelrecht wieder auferstehen zu ...
Wie immer war ich von Safranskis Schreibstl sehr angetan. Man ist in seine Bücher sofort "drin", er schafft es, seine Biographien mit viel Leben zu füllen, die Personen regelrecht wieder auferstehen zu lassen. Auch Schiller wird hier sofort greifbar, teilweise liest sich dieses Buch wie ein spannender Roman (was Schillers Leben auch durchaus angemessen beschreibt). Gerade die schweren Jugendjahre, die Flucht, die schwierigen Anfänge, die emotionalen Höhen und Tiefen Schillers in dieser Zeit werden hervorragend beschrieben und dem Leser nahegebracht. Auch wenn man weiß, wie es weitergeht, fiebert man doch regelrecht mit diesem leidenschaftlichen jungen, vom Schicksal ungerecht behandelten, Schiller mit.
Auch wie immer fand ich Safranskis Neigung zu sehr ausführlichen philosophischen Exkursen etwas anstrengend und weit weniger packend. Das Thema liegt ihm am Herzen, es hat auch in Leben Schillers einen wichtigen Platz, aber hier wird es doch manchmal viel zu viel. Kapitel vier und fünf sind fast durchgängig philosophische Betrachtungen - mehr Schiller, weniger Philosophie wäre mir hier (und auch an recht vielen weiteren Stellen) lieber gewesen.
Schillers Werke werden gut vorgestellt, mit wichtigen Hintergründen, Gedanken und einer Beschreibung der Lebensumstände Schillers bei Schreiben des jeweiligen Werkes. Leider ist es auch hier manchmal des philosophisch-theoretischen Hingergrundes (für mich jedenfalls) zu viel.
Ein wenig überrascht war ich, wie wenig Raum Schillers Beziehung und Ehe zu/mit seiner Lolo in diesem Buch findet. Gerade im Vergleich zu der Beschreibung von Schillers Jugend, in der die Eltern, die Beziehung zu ihnen, der Freundeskreis - das Persönliche eben gut und detailliert beschrieben werden, fand ich es enttäuschend, daß in der zweiten Hälfte der Buches der Mensch Schiller hinter dem Werk Schiller(s) zurücktritt. Die Beziehung zu Lolo war ein wichtiger Teil seines Lebens, findet hier aber nur in Nebensätzen und kurzen Absätzen Beachtung - sogar, als es um seinen Todeskampf geht. Auch die Freundschaft zu Goethe wird knapp behandelt (aber dafür hat Safranski diesem Thema ein hervorragendes eigenes Buch gewidmet). Der im ersten Teil des Buches so lebhaft geschilderte Mensch Schiller verschwindet im zweiten Teil sehr, persönliche Entwicklungen werden im Vergleich zu den ausführlichen Betrachtungen seiner Werke sehr knapp und ein wenig lieblos abgehandelt.
Es ist aber im Ganze eine hervorragende Biographie, in Stil und Thematik sehr lesenswert und informativ.