Worin die wahre Natur des Menschen besteht, ist ein seit Jahrhunderten viel diskutiertes Thema. Während etwa Jacques Rousseau die Ansicht vertrat, dass die Menschen von Natur aus gut seien und allein durch ihre Institutionen böse würden, scheint die vorherrschende und gerade von den Medien gern verbreitete Meinung das Gegenteil zu besagen. Demnach sei der Mensch im Grunde böse, nur auf den eigenen Vorteil bedacht und bloß eine dünne Schicht der Zivilisation hielte uns davon ab, uns gegenseitig an die Gurgel zu gehen.
Rutger Bregman vertritt hier eine deutlich optimistischere Sichtweise. Er hinterfragt viele der Berichte und psychologischen Experimente, die gerne als Beweis für all die schlechten Eigenschaften der Menschheit herangezogen werden, und zeigt, dass bei deren Darstellung und Interpretation oft wichtige Fakten unterschlagen oder ignoriert wurden.
Ich hatte allerdings bisweilen den Eindruck, dass er sich da manches zu schön redet bzw nur die Aspekte betont, welche seine Argumentation stützen.
Natürlich untersucht er auch, warum gute Menschen böse Dinge tun, und kommt dabei großteils zu wenig überraschenden Ergebnissen (Schuld sind die Mächtigen, der Kapitalismus etc), führt aber doch auch ein paar neue Gesichtspunkte an. Beispielsweise hat Empathie auch negative Folgen.
Alles in allem plädiert er dennoch für ein positiveres Menschenbild, welches beispielsweise die Art revolutionieren sollte, wie Schulen, Gefängnisse oder die Demokratie organisiert werden.
Seine Ausführungen sind flott geschrieben und stellenweise richtig fesselnd, dieses Sachbuch liest sich fast wie ein Roman. Dennoch wirkt der Inhalt insgesamt fundiert und ist mit vielen Quellenangaben belegt.
Auch wenn der Autor öfters naiv wirkt und manche seiner Forderungen zu weit gehen, regt dieses Buch doch zum Nachdenken an und ist ein lesenswerter Kontrast zu all den Schreckensmeldungen, die Tag für Tag auf uns hereinprasseln.
Gerade zu Corona-Zeiten (und selbstverständlich nicht nur in diesem Zusammenhang) wäre es schön, wenn die Politiker sich zu etwas mehr Vertrauen in ihre Bürger durchringen könnten.