direkt, gefühlvoll, erschütternd und gleichzeitig ergreifend
Noah hatte sich seine Sommerferien eigentlich anders vorgestellt, aber als sich ihm die Chance bietet spontan mit seinem Onkel in die Toskana zu fahren, schlägt er das Angebot nicht aus. So entkommt er ...
Noah hatte sich seine Sommerferien eigentlich anders vorgestellt, aber als sich ihm die Chance bietet spontan mit seinem Onkel in die Toskana zu fahren, schlägt er das Angebot nicht aus. So entkommt er der angespannten Situation zu Hause, der Vergangenheit und den Gefühlen seiner Eltern, die nach seinem Outing ein wenig in Schieflage geraten sind. Ein paar schöne Stunden unter der italienischen Sonne hatte er sich erhofft, doch bekommen hat er etwas ganz Anderes. So viel mehr, aber auch viel weniger Entspannung, als eigentlich gedacht und am Ende ist das Chaos in ihm und um ihn herum noch viel größer, als vorher.
Viel zu lange hat dieses Buch auf dem SuB darauf gewartet von mir gelesen zu werden und nun endlich habe ich es befreit und es absolut genossen. Ich habe schon einige Bücher der Autorin gelesen und mag ihren Stil sehr gern, auch wenn er vielleicht nicht für jeden etwas ist. Auch in diesem Werk hat sie mich nicht enttäuscht. Es wird derb, erschütternd, emotional, aufwühlend, chaotisch, direkt, aber auch immer wieder einfach wunderschön und herzerwärmend. Wer vor expliziten Szenen, ungeschönten Momenten, ehrlichen Worten und den tiefen, aufrichtigen, zugleich vernichtenden, als auch haltspenenden Gefühlen zweiter Männer zurückschreckt, der sollte die Finger von dem Buch lassen. Wer jetzt neugierig ist, für den könnte die Geschichte etwas sein.
Ciro und Noah haben sich mitten in mein Herz gesetzt. Beide Charaktere sind einfach toll, mit reichlich Ecken und Kanten, mit Problemen, Macken, Wünschen, Träumen, Hoffnungen, gefangen in Zwängen und Zweifeln. Auf den ersten Blick erscheint Noah als deutlich stärkerer Protagonist, nicht nur körperlich, sondern auch mental. Und in gewisser Weise zieht sich das durch das gesamte Buch, aber in Ciro schlummert auch eine ganz besondere Stärke, die man nicht unbedingt sofort sieht. Aber Ciro ist auch verletzlich, unsicher und durch sein Leben ein wenig aus dem Gleichgewicht geraten. Und doch ist er einfach großartig, mutig und das nicht nur beim Tanz auf dem Seil, sondern auch bei den anderen Dingen, die er erträgt, die er duldet, die er schluckt, weil sich der Ausweg im Moment eben auch einfach nicht bietet.
Gemeinsam ergeben Ciro und Noah eine emotional aufgeladene, explosive Mischung, die einen mit nimmt auf eine turbulente, überraschende Achterbahnfahrt, die immer wieder auch Einblicke in die Abgründe ihrer Seelen liefert. Dieses Buch ist voller Leid und Schmerz, Kummer und Zweifeln und daneben scheint trotzdem die Sonne, es gibt so tolle Momente, Gespräche oder auch einfach nur Gesten, die deutlich machen, dass es manchmal einfach mehr als tausend Worte sagt, jemanden zu halten und für ihn da zu sein.
Klingt alles noch ein wenig wirr und unverständlich? Nun ich will hier nicht spoilern, euch aber trotzdem versuchen die Bandbreite an Gefühlen, Elementen, tollen und aufwühlenden Situationen zu schildern. Mit Ciro und Noah wird es nie langweilig und auch wenn die Dinge, die man mit ihnen erlebt und über sie erfährt, nicht alle leicht zu schlucken sind, so hat sich für mich doch jede Seite gelohnt.
Gut gefallen hat mir auch der Vergleich mit der Situation auf dem Drahtseil, beziehungsweise auf dem Drahtseil mit dem Leben. So zieht sich der Name durch das Buch wie ein roter Faden. Es hat einen direkten Bezug zu Ciro, denn er läuft über dieses Seil, wieder und wieder. Aber auch außerhalb der Arbeit taucht es immer wieder auf. Ich mochte diese Assoziationen dazu, es hat vieles sehr schön veranschaulicht und gleichzeitig die Dramatik in manchen Situationen noch verstärkt.
Die Geschichte wird sowohl aus der Perspektive von Ciro, als auch aus der von Noah geschildert. So hat man die Möglichkeit beide Protagonisten sehr intensiv zu begleiten und direkt in ihre Köpfe zu schauen. Die Kämpfe, die sie mit sich selbst austragen, sind teilweise noch größer, als die, die sie nach außen hin austragen müssen. Durch die Ich-Perspektive erlebt man auch all ihre Gefühle hautnah mit, was das ganze noch intensiver und authentischer macht.
Fazit
Ein Buch, das einfach unter die Haut geht, auf ganz verschiedene Weise. Das Zusammentreffen und Kennenlernen von Ciro und Noah war ziemlich spontan, die folgen für beide verheerend. Der Kampf um Anerkennung, um Respekt, Verständnis und einfach darum, sein und leben zu dürfen, wie man ist und sich fühlt, nimmt viel Platz im Buch ein und wurde auf eine Art beschrieben, die einen erst innerlich zerreißt und dann wieder heilt. Der Schreibstil der Autorin ist direkt, ehrlich, beschönigt nicht, wo es nichts schön zu reden gibt und transportiert trotzdem oder gerade deswegen enorm viele Emotionen. Und obwohl ich öfter schlucken musste und die Protagonisten in den Arm nehmen wollte, um ihnen zu zeigen, dass da noch mehr Menschen sind, die für sie da sind, liebe ich die Sasori-Bücher einfach.