Ruhiger und eindringlicher als erwartet
Tel Aviv. Kinderlose Frauen werden ermordet und nach ihrem Tod in Szene gesetzt: Eine Babypuppe zwischen die Hände geklebt, das Wort Mutter auf die Stirn geritzt. Sheila kennt die Toten: Ist sie selbst ...
Tel Aviv. Kinderlose Frauen werden ermordet und nach ihrem Tod in Szene gesetzt: Eine Babypuppe zwischen die Hände geklebt, das Wort Mutter auf die Stirn geritzt. Sheila kennt die Toten: Ist sie selbst die Nächste oder doch die Täterin?
"Letztendlich wollen wohl alle Mütter werden, das heißt, alle normalen Frauen wollen es. Was sagt das wohl über dich aus?"
Es geht um Erwartungen, nicht nur die eigenen, sondern auch die von anderen sowie gesellschaftliche Ideale. Unterstellter Egoismus, Unglauben, Missbilligung oder abfällige Bemerkungen werden ebenso thematisiert wie mögliche Selbstzweifel: Täuscht mich mein Gefühl doch? Werde ich meine Entscheidung später bereuen?
Gelungen, wenn auch manchmal irritierend, fand ich den Umstand, dass ich Sheilas Einstellungen nicht immer festmachen konnte. Hat sie Entscheidungen bewusst getroffen? Hätte sie einige davon gerne rückgängig gemacht? Im Kontext des Buches habe ich diese Ambivalenz als mögliche Sichtbarmachung der Verzahnung von eigenen und fremden Wünschen empfunden, möglicherweise ist sie aber auch nur ein etwas anstrengender Charakter. 😬
Zudem werden Religion und Feminismus gemeinsam thematisiert, wobei die Interpretationen von Frauenfiguren (bzw. Mutterschaft und ihr Platz in der Gesellschaft) eine größere Rolle spielen. Für mich war dieser Aspekt sehr interessant und hätte gerne noch mehr Platz einnehmen dürfen.
Dass sich die recht überspitzt dargestellten Frauentypen nicht über den Weg trauen, einander nicht nur im Stillen bewerten, sich übertrumpfen und ausstechen wollen, hat zu der Art der Geschichte gepasst, wenigstens eine echte Verbindung hätte ich allerdings gerne gesehen. Gleichzeitig zeigt es aber auch, wie viel Macht jeden Tag in unseren Händen liegt.
Letztendlich hat mir die Idee wahnsinnig gut gefallen, auch wenn mir die Botschaften nicht immer eindeutig waren. Aufgrund der fehlenden Vertrautheit mit Israels Kultur und Gesellschaft kann ich mir z. B. gut vorstellen, dass mir einige wohlüberlegte Feinheiten verborgen geblieben sind. Eine Leserunde wäre super hilfreich gewesen!