Amour fou in Sauerland
Zugegeben, bei dem Buchtitel "Der Drahtzieher" hatte ich erst mal an politische Intrigen und Ränkespiele gedacht, zumal bei einem Roman, der in den 20-er Jahren des 20. Jahrhunderts spielt, Doch Sarah ...
Zugegeben, bei dem Buchtitel "Der Drahtzieher" hatte ich erst mal an politische Intrigen und Ränkespiele gedacht, zumal bei einem Roman, der in den 20-er Jahren des 20. Jahrhunderts spielt, Doch Sarah Pines Debütroman ist vor allem eine Amour Fou, die in Südafrika beginnt und im Hochsauerland ihre Talfahrt erlebt. Denn im Sauerland, nahe Iserlohn, hat Theodor Hasselt seine Fabrik, in der Drähte produziert werden. Damit steht er in der Hierarchie der örtlichen Gesellschaft gleich hinter seinem besten Freund, dem Stahlfabrikanten Albert - was nichts an der unterschwelligen Rivalität der beiden Männer ändert.
Eigentlich ein bodenständiger Westfale, verlässt Theodor zu Beginn des Buches seine Heimat, um in Südafrika ein Eisenbahnprojekt vom Kap nach Kairo voranzutreiben. Daraus wird zwar nichts, doch auf der Farm seines Onkels, auf der Theodor unterkommt und trotz des deutschen Ambientes so gar nicht angetan vom afrikanischen Leben ist, trifft er seine Cousine Alba, praktischerweise nicht direkt mit ihm verwandt, da aus der ersten Ehe der Tante.
Alma wirkt zwar merkwürdig passiv, doch zugleich äußerst verführerisch und ist, wie Theodor bald feststellt, alles andere als prüde. Als sie eine Schwangerschaft vortäuscht, nimmt er sie mit ins Sauerland und schnell kristallisiert sich heraus, dass das Paar nicht miteinander kann, aber auch nicht ohne. Monogam ist keiner von beiden, doch Theodor, der eigentlich nicht aus dem Glashaus heraus mit Steinen werfen sollte, ist voller Eifersucht, vor allem, als er in Albert einen Nebenbuhler wittert.
Was eigentlich voller Intensität und Leidenschaft begonnen hat, wird im Verlauf des Romans vor allem zum Leiden. Albas Weigerung, ihm ihre Untreue zu gestehen, raubt dem selbstbewussten Patriarchen den letzten Nerv. Immer mehr ist das Verhältnis von Psychoterror geprägt, während beide gleichzeitig voller Unsicherheiten und Verlangen sind.
Sprachlich mal fein ziseliert, mal brachial, zeichnet Pines eines Gesellschaft im Umbruch, in der Theodor am Alten festhalten will, an den klaren Regeln einer Klassengesellschaft, während sich am Horizont große Veränderungen abzeichnen, die im Sauerland allerdings nur fernes Donnergrollen sind. Vor allem ist "Der Drahtzieher" das Psychogramm einer leidenschaftlichen Beziehung, die in gegenseitiger emotionaler Zerfleischung endet.