Cover-Bild Israel im Krieg
17,99
inkl. MwSt
  • Verlag: C.H.Beck
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Biografien und Sachliteratur
  • Genre: Sachbücher / Politik, Gesellschaft & Wirtschaft
  • Ersterscheinung: 10.10.2024
  • ISBN: 9783406824579
Saul Friedländer

Israel im Krieg

Ein Tagebuch
Andreas Wirthensohn (Übersetzer)

Im Herbst 2023 erschien unter dem Titel „Blick in den Abgrund“ das Tagebuch Saul Friedländers über den Kampf in Israel um die Zukunft seiner Demokratie. Es fand große Beachtung und erhielt einen Platz auf der Liste der besten Sachbücher. Friedländer, inzwischen 91 Jahre alt, hatte sein Tagebuch schon zur Seite gelegt. Doch dann kam der 7. Oktober.

Der Angriff der Hamas auf Israel, bei dem Männer, Frauen, Teenager, selbst Babys wahllos ermordet und mehr als 200 Menschen als Geiseln verschleppt wurden, ist der düstere Beginn eines neuen Kapitels im Nahost-Konflikt. Saul Friedländer, der jener Generation angehört, die den Staat Israel mit aufgebaut hat, ein liberaler Jude und Anhänger der Zweistaaten-Lösung, der die Politik Israels immer wieder scharf kritisiert hat, sieht sein Land nun nicht nur von innen, sondern auch von außen erneut akut bedroht. Nicht zuletzt registriert der vielfach preisgekrönte und mit dem Friedenspreis geehrte Holocaustforscher eine erschreckende Wiederkehr des Antisemitismus. Sein um Fassung ringendes, immer wieder in Rückblenden die Geschichte des Konflikts rekapitulierendes Tagebuch legt beklemmend intensiv Zeugnis davon ab, wie fragil all das ist, was einst für verfolgte Juden in aller Welt als Heimstatt und gelobtes Land begonnen hat.

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  • Dieses Buch befindet sich bei evaczyk in einem Regal.

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.10.2024

Kriegstagebuch aus der Distanz

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Es gibt Tagebuchschreiber, die halten ihre persönlichsten Gedanken nur für sich fest - und andere, die schreiben bereits mit dem Gedanken an ein (Lese-)Publikum. Saul Friedländers eher analytisch als persönliches ...

Es gibt Tagebuchschreiber, die halten ihre persönlichsten Gedanken nur für sich fest - und andere, die schreiben bereits mit dem Gedanken an ein (Lese-)Publikum. Saul Friedländers eher analytisch als persönliches Tagebuch "Israel im Krieg" gehört eindeutig in die zweite Kategorie. Der renommierte Historiker weiß um die historische Tragkraft der Ereignisse, über die er, ausgehend vom 7. Oktober, schreibt. Und er hat von Anfang an den Gedanken, seine Beobachtungen, Analysen, Eindrücke in Bezug auf das zuvor veröffentlichte Tagebuch zur Innenpolitik Israels im Streit um die Justizreform fortzusetzen, denkt an eine Veröffentlichung beider Texte in einem Band.

Was Friedländers Tagebuch etwa von dem vor wenigen Wochen veröffentlichten Tagebuch Dror Mishanis unterscheidet - das Persönliche wird stark zurückgenommen, Friedländer beobachtet die Entwicklung in seiner Heimat mit dem Blick eines Wissenschaftlers, weniger eines Betroffenen. Der Ansatz ist distanziert, buchstäblich: Friedländer lebt in den USA, die Stimmung in Israel kann er also nicht so unmittelbar spüren, er verfolgt die israelischen Medienberichte, beobachtet und analysiert.

Persönlich wird - neben dem Erschrecken über die Details, die nach und nach zu den Massakern und den Lebensumständen der Geiseln bekannt werden, dem Mitgefühl mit dem Leid der Menschen in Gaza - vor allem die zunehmend antisemitische Stimmung in den USA und in Europa kommentiert. Das gilt insbesondere für die Entwicklung an den US-Hochschulen, lehrte doch Friedländer jahrelang an der UCLA. Zugleich wendet sich Friedländer, der nicht nur ein bekannter Holocaust-Forscher ist, sondern selbst ein Überlebender, dessen Eltern in Auschwitz ermordet wurden, energisch gegen eine Relativierung oder Instrumentalisierung der Schoah im Zusammenhang mit Hamas-Terror und Gaza-Krieg.

Immer wieder gerät das Tagebuch zur Abrechnung mit politischen Fehlern der Regierung Netanjahu, die die Gefahr durch die Hamas herunterspielte, auch wenn das nicht das Versagen der Sicherheitsdienste am 7. Oktober und in seinem Vorfeld entschuldigt. Kritisch setzt sich Friedländer insbesondere mit den ultranationalistischen Mitgliedern der Regierungskoalition auseinander, alle voran Polizeiminister Itamar Ben-Gvir ("der böse Clown") und Finanzminister Smotrich, mit den radikalen Siedlern und ihrem Beitrag an der Eskalation im Westjordanland. Immer wieder denkt er über ein Szenario für die Zeit nach dem Krieg nach und plädiert dabei nachdrücklich für eine zwei-Staaten-Lösung.

Das Tagebuch endet im Frühjahr 2024, vieles, worüber Friedländer zu diesem Zeitpunkt noch als mögliches Risiko nachdenkt, hat sich seitdem verschärft, etwa der Krieg gegen die Hisbollah und die Konfrontation mit dem Iran. Friedländers Schlussfolgerung bleibt aktuell: "Das einzige Licht am Ende dieses Tunnels ist die Möglichkeit, einen ziellosen Krieg zu beenden und damit die Geiseln zu retten, die noch gerettet werden können, der Zivilbevölkerung in Gaza Erleichterung zu verschaffen und schlussendlich die Idee eines palästinensischen Staates zu akzeptieren."