Bittersüß
„Noch hat sie alle Chancen der Welt, bis zum letzten Atemzug.“ (S. 100)
Die Zwillingsschwestern Sarah und Sophie sind auf das Engste miteinander verbunden. Lieben einander, verstehen sich blind, haben ...
„Noch hat sie alle Chancen der Welt, bis zum letzten Atemzug.“ (S. 100)
Die Zwillingsschwestern Sarah und Sophie sind auf das Engste miteinander verbunden. Lieben einander, verstehen sich blind, haben sich auch als längst erwachsene Frauen mit eigenen Familien und alltäglichen Pflichten ihre eigene, nur ihnen beiden zugängliche Welt kindlicher Phantasie bewahrt, sorgsam gehütet in ihrer gemeinsamen Leidenschaft, dem Puppenspiel. Die eine ersinnt Geschichten voller Zauber, die andere fertigt die Puppen, zusammen erwecken sie ihre verträumten Erzählungen zum Leben. Bis die Realität auf das denkbar Grausamste in ihr Leben einbricht.
Bei Sarah wird Lupus erythematodes diagnostiziert, der körperliche Verfall setzt beinahe augenblicklich ein. Krankenhausaufenthalte und Phasen daheim wechseln einander ab, so rasch, dass die Gefühle kaum damit Schritt halten können. Angst und Hoffnung, Sorge und Freude, das Herz wärmende Erinnerungen und die Seele gefrierende Arztvisiten bestimmen fortan das Leben Sophies wie aller Familienmitglieder. Und niemand weiß, wie lang …
Ich habe selten einen Roman gelesen, in dem ein so bedrückendes Thema so einfühlsam und erschütternd und gleichzeitig so warmherzig und heiter in Worte gefasst wurde. Sibylle Schleichers Ich-Erzählerin Sophie nimmt ihre Leser*innen mit auf eine Reise, die vom ersten Schritt an von dunklen Wolken überschattet ist, und doch bricht sich immer wieder ein unbeugsamer Sonnenstrahl durch das tiefe Grau. Wer je einen geliebten Menschen während einer schweren Krankheit begleitet hat, wird sich in jeder Zeile, in jedem Wort, in jedem einzelnen Gefühl wiederfinden: im Schock und in der Ungläubigkeit, der Ohnmacht und Wut, aber auch in der schier unversiegbaren Hoffnung und Liebe und dem unbändigen Wunsch, ein Wunder zu bewirken. „
Die Puppenspielerin“ ist kein Buch, das man verschlingen, sondern eines, das man wohldosiert auf sich wirken lassen sollte – um der Geschichte dieser beiden Zwillingsschwestern den Raum zu geben, den sie verdient.
Wenn es das Adjektiv „bittersüß“ nicht schon gäbe – für diesen Roman müsste man es erfinden.