Ein Mord in den Vier- und Marschlanden?
Rein zufällig bin ich auf die Bücher der Autorin gestoßen (wofür es gut ist, wenn die Kasse ausfällt und man warten muss). Tatsache ist, dass es Unmengen von Hamburg-Krimis gibt, die zumeist in bekannten ...
Rein zufällig bin ich auf die Bücher der Autorin gestoßen (wofür es gut ist, wenn die Kasse ausfällt und man warten muss). Tatsache ist, dass es Unmengen von Hamburg-Krimis gibt, die zumeist in bekannten Stadtteilen angesiedelt sind. Jedoch ist dies der erste Krimi, der quasi direkt vor meiner Haustür spielt. Allein diese Tatsache war für mich das must read des ersten Teils.
Karlo Kohlberg ist Inhaber des Vierländer Hofes - ein kleines Hotel, dass er gemeinsam mit der wuseligen Erne führt. Während Karlo ein Zugezogener - also ein Stadtmensch - ist, ist Erne in den Vierlanden aufgewachsen. Erne ist ein quirliger, liebenswerter Mensch. Sie hat das Herz auf dem rechten Fleck, auch wenn sie Karlo hin und wieder mal nervt - eben mit dieser Art. Ich mochte Erne und wahrscheinlich wäre sie eine Figur, die noch viel mehr über die Vier- und Marschlande erzählen könnte. Für mich passt sie in diese Region und ich hatte ein ziemlich genaues Bild vor Augen.
Auch Karlo ist ganz eindeutig ein Sympathieträger, allerdings hätte ich ihn mir älter vorgestellt. Irgendwo wurde erwähnt, dass er Mitte 30 sei und dieses Alter passt auch zur Geschichte. Vielleicht liegt es an seinem Hobby im Chor zu singen oder in seiner doch recht guten Freundschaft zum Pastor der Gemeinde, dass ich ihn älter geschätzt hätte. Karlo ist ein gutmütiger Mensch, der sehr darauf bedacht ist, sich “auf dem Dorf” einzuleben. Das gelingt ihm auch, finde ich, aber bisweilen sind es genau seine Fragen oder die Dialoge mit den Dorfbewohnern, die dem Buch sein Amüsement geben.
Eines Tages kehrt im Vierländer Hof ein italienischer Gast ein. Man nimmt ihn zunächst kaum wahr, aber Erne ist total aufgeregt, als er nach einigen Tagen nicht zum Frühstück erscheint. Schließlich war er jeden Morgen pünktlich. Und so redet Erne so lange auf Karlo ein, bis dieser sich breitschlagen lässt und auf eigene Faust versucht herauszufinden, wo Flavio Mantova abgeblieben ist.
Und hier beginnt eine Geschichte, die gespickt ist mit viel Lokalkolorit. Der Kriminalfall mag dabei eher nebensächlich sein, eben wie in einem guten Cosy üblich, aber der Leser erfährt unglaublich viel über diese Gegend und die Menschen darin. Die Autorin zeichnet ein wunderschönes Bild und ich habe sogar teilweise die Örtlichkeiten wiedererkannt, von denen sie schrieb. Sie versteht es wirklich gut zu beschreiben, statt zu sagen, das ist da und da. Und selbst wenn der Vierländer Hof ein fiktives Hotel ist, so glaube ich schon, dass es ein Haus in der Realität gibt, in dem dieses Hotel untergebracht sein könnte.
Besonders gefallen hat mir ihre Art, die Menschen reden zu lassen. Es ist eine Mischung aus Platt und Hochdeutsch. Der Charme dessen ist, dass jeder versteht, was gesprochen wird, man sich aber dennoch vorstellen kann, wie es sich anhört, wenn die Menschen miteinander reden. Es macht Spaß ihnen zuzuhören.
Ebenfalls eine gelungene Mischung ist der Umstand, dass die Autorin nicht nur einen Kriminalfall aufklärt, sondern gleichzeitig Geschichte und Gegenwart miteinander verbindet. So erzählt sie aus der Zeit des 3. Reiches und bleibt dann wieder in der Gegenwart. Inwieweit die Erzählungen der Vergangenheit in der Historie recherchiert sind, vermag ich nicht zu beurteilen, aber es klingt authentisch und könnte so gewesen sein.
Ein bisschen schade fand ich, dass Kommissar Spannich gar nicht so schrecklich ist, wie es der Klappentext vermuten lies. Er mag vielleicht ein bisschen träge sein und vielleicht hat er auch ein gewisses Maß an Überheblichkeit, aber wirklich unsympathisch ist er mir nicht. Vielleicht liegt diese Einschätzung aber auch nur daran, dass ich selbst ein Stadtmensch bin. Gern hätte ich etwas mehr über ihn erfahren, aber er bleibt mehr oder weniger außen vor, taucht nur hin und wieder mit dem erhobenen Zeigefinger auf, mehr leider nicht. Insofern lernt man ihn eigentlich auch nicht wirklich kennen.
Durch die Kürze des Romans ist es vielleicht auch nicht so einfach, den Figuren besonders viel Tiefe zu verleihen. Jedoch reicht es auf jeden Fall, dass ich mir den zweiten Teil besorgen werde um herauszufinden, ob es noch einmal so weiter geht und ich dann eventuell noch etwas mehr über liebgewonnenen Protagonisten erfahre.
Fazit: Alles in allem ein lockerer Roman, der dem Leser - auch ohne Ortskenntnis - die wunderschönen Vier- und Marschlande näher bringt, der sympathische Charaktere und eine nicht all zu schnell zu durchschauende Story mitbringt. Mir hat die Geschichte Spaß gemacht und ich kann sie durchaus empfehlen. 4 von 5 Sternen