Feministische Pflichtlektüre - unbedingt lesen!
Wahrscheinlich wäre „Caliban und die Hexe“ noch immer auf meinem Haufen ungelesener Bücher, hätte es nicht einen Vortrag dazu gegeben. Ich wünschte, ich könnte in diese Rezension alles Wissen packen, das ...
Wahrscheinlich wäre „Caliban und die Hexe“ noch immer auf meinem Haufen ungelesener Bücher, hätte es nicht einen Vortrag dazu gegeben. Ich wünschte, ich könnte in diese Rezension alles Wissen packen, das Silvia Federici in diesem Buch zu offerieren hat!
Wo Marx Thesen über den Kapitalismus Lücken hinterlassen haben, besonders aus weiblicher Sicht, füllt Federici auf. Sie beginnt bei den Bauernaufständen, die vom 15. bis zum 17. Jhd. immer wieder die Vorherrschaft höherer Stände und Klerus herausgefordert haben. Sie benennt die Pest als einen signifikanten Faktor, durch den die herrschende Klasse den Wert von Arbeitskraft erkannt hat, den als zusammen mit Boden als Kapital sich anzueignen galt. Seit Jahrhunderten kollektiv genutzte Acker-, Wald- und Landflächen wurden den Menschen durch Privatisierung genommen. Die kapitalistische Gesellschaft wurde geschaffen, und wer sich der aufkommenden Lohnarbeit nicht unterordnen wollte, wurde arbeits- und obdachlos. Vor allem gegen Verarmung revoltierende Frauen wurden nach dem Teile-und-Herrsche-Prinzip zur Zielscheibe, von Häretikerinnen über Prostituierten bis zu Grundbesitzerinnen. Die Hexenverfolgung als geschlechtlicher Genozid (80% der als Hexen Angeklagten waren Frauen) erreichte seinen Höhepunkt in der Mitte des 16. Jhd. bis Mitte des 17. Jhd. mit 40.000 bis 60.000 Opfern und war mitnichten ein Kapitel des „dunklen“ Mittelalters, sondern fällt in die Zeitspanne, die wir als Renaissance kennen. Die Folterkammern und Scheiterhaufen, auf denen die Angeklagten starben, waren (Zitat a.d. Buch) „die Orte, an denen die bürgerlichen Ideale der Weiblichkeit und Häuslichkeit erfunden wurden“. Klerus und Weltlichkeit begannen, sowohl den weiblichen Körper als auch den weiblichen Geist als etwas Schändliches zu sehen, das es mit Gesetzen und Geboten im Zaum zu halten galt. In jenem Zuge wurden Frauen auch aus Professionen verbannt, die sie bis dahin Jahrhundertelang ausgeübt haben wie jene der Hebamme. Netzwerke von Frauensolidarität wurden zerstört, altes weibliches Wissen ging verloren.
Das Buch möchte ich allen empfehlen, die sich für Feminismus interessieren. „Caliban und die Hexe“ sammelt einfach so fundamentales Wissen, wie gestern auf dem Vortrag auch gesagt wurde, es gar nicht im Geschichtsunterricht gelehrt wird.
Übrigens: Wer sich für eine romanhafte Thematisierung zu Hexenprozessen interessiert, dem lege ich von Herzen nahe, Jarka Kubsovas „Marschlande“ zu lesen, ein Buch, in dem eine Bäuerin enteignet und als Hexe angeklagt wird.