Die Thematik geht an die Nieren
Max bekommt einen neuen, sehr mysteriösen Fall - er soll zwei chinesische Touristinnen suchen, die während eines Aufenthaltes im Berner Oberland plötzlich spurlos verschwinden. Die Ehemänner machen mit ...
Max bekommt einen neuen, sehr mysteriösen Fall - er soll zwei chinesische Touristinnen suchen, die während eines Aufenthaltes im Berner Oberland plötzlich spurlos verschwinden. Die Ehemänner machen mit Nachdruck deutlich, dass auf keinen Fall die Polizei bei der Suche nach den Vermissten eingeschaltet werden soll. Doch wie sucht man nach zwei jungen Frauen, die anscheinend nicht gefunden werden wollen ? Max und Fede verfolgen erste Hinweise und diese führen sie in die Jungfrauenregion, nicht ahnend, dass sie schon bald in ein böses Spiel auf Leben und Tod verwickelt sind...
In ihrem neuen Roman "Interlaken" packt Silvia Götschi ein ganz heißes Eisen und ein absolutes Tabu-Thema an - Kindesmisshandlung und sexueller Missbrauch. Sie geht dabei äußert sensibel vor und trotzdem lassen die geschilderten Szenen den Leser lange nicht zur Ruhe kommen, denn die Bilder brennen sich tief ins Herz ein und sorgen für innere Aufruhr. Manchmal muss ich tatsächlich das Buch zur Seite legen und innehalten, da ich das Gelesene erst verarbeiten muss, um dann im Kapitel fortzufahren. Es sind Szenen, die mich fassungslos und ohnmächtig das Schicksal der Geschändeten erleben lassen, mich aber auch wütend und zornig machen, weil das alles unter dem Deckmäntelchen der Verschwiegenheit passiert. Es fällt schwer, hier die Grenze zwischen Wahrheit und Fiktion zu ziehen, da die Schreibende wirklich alle Register ihres Könnens zieht. Hut ab, dass sich die Autorin an dieses heikle Thema heranwagt und daraus einen spannenden Krimi strikt.
Die Jungfrauenregion ist sonst eher ein Ort der Erholung, der die Seele frei und das Herz weit macht, doch in diesem Krimi schlägt die Grausamkeit mit all ihren Facetten zu und und raubt der idyllischen Bergwelt die Unschuld.
Die Schreibende nutzt die lange in China vorherrschende Ein-Kind-Politik und den Geheimbund der Freimaurer als Grundgerüst für ihre Erzählung, um daraus einen sehr spannenden und komplexen Fall entstehen zu lassen, bei dem nicht nur der Ermittler Max von Wirth, sondern auch der Leser bald nicht mehr weiß, wem man noch trauen kann.
Geniesst man mit Max noch den Augenblick des Schwebens während dem Paragliding, zieht Götschi auch in diesem himmlischen Moment den Schwarzen Peter aus der Tasche und beendet mit einem lauten Knall - im wahrsten Sinne des Wortes - das gemütliche Dahingleiten.
Es geht Schlag auf Schlag und der Leser wird von einem Ereignis zum Nächsten getrieben, ermittelt aufgeregt mit und versucht die Mosaiksteinchen zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen, das eine grausame Wahrheit offenbart.
Mir sind manche Details einfach zu qualvoll und zu ausführlich dargestellt, sodass ich die grausamen Bilder lange nicht aus dem Kopf bekommen habe - ich ziehe daher für mich persönlich einen Stern ab. Ich finde es aber wichtig und richtig, dass Silvia Götschi hier den Geschändeten eine Stimme gibt, um von ihrem Leid zu erzählen, damit wir nicht wegschauen, sondern genauer hinsehen.