Cover-Bild Als die Tauben verschwanden
19,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Kiepenheuer & Witsch
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 432
  • Ersterscheinung: 14.08.2014
  • ISBN: 9783462046618
Sofi Oksanen

Als die Tauben verschwanden

Roman
Angela Plöger (Übersetzer)

Finnland ist Gastland der Frankfurter Buchmesse und Sofi Oksanen ihr Star

Der Roman folgt dem Schicksal dreier Esten während des Zweiten Weltkriegs und danach: Roland, einem prinzipientreuen estnischen Freiheitskämpfer, seinem machthungrigen, skrupellosen Cousin Edgar und dessen Frau Juudit, die sich in einen deutschen Offizier verliebt. Ein meisterhaft komponierter Roman über Machtstreben, Liebe und Verrat.Estland zur Zeit der deutschen Besatzung: Während sich Roland versteckt hält, weil er immer noch an die estnische Befreiung glaubt, versucht Edgar ins Zentrum der Machthaber vorzustoßen. Seine Frau Juudit verliebt sich in einen hohen deutschen Offizier, nicht ahnend, dass ihr Mann über genau diesen Offizier die Karriereleiter emporklettern möchte. Nach dem Krieg werden die Karten neu gemischt, Estland steht unter der Besatzung der Sowjets, und wieder ist es Edgar, der hofft, seiner Vergangenheit zum Trotz auch bei den Kommunisten eine herausragende Rolle zu spielen. Intrigen und Legenden, Verrat und Heimtücke, Liebe und Familie – Sofi Oksanen hat einen Roman geschrieben, der sich durch die meisterliche Konstruktion wie ein Thriller liest und dessen Figuren, allen voran Edgar, man nicht mehr vergisst.Die internationale literarische Sensation des Jahres.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.12.2017

Ein Wendehals erster Güte

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ist der Este Edgar Parts, der das Fähnchen stets nach dem Wind hängt - mal ist er ein aufrechter Este, dann arbeitet er den deutschen nationalsozialistischen Besatzern während des 2. Weltkriegs auf übelste ...

ist der Este Edgar Parts, der das Fähnchen stets nach dem Wind hängt - mal ist er ein aufrechter Este, dann arbeitet er den deutschen nationalsozialistischen Besatzern während des 2. Weltkriegs auf übelste Weise zu, nämlich als Aufseher im KZ, um dann schließlich als aufrechter Genosse dem Sowjetregime zu dienen. Ist das denn so einfach möglich? Nein, natürlich nicht und anders als sein deutscher Seelenverwandter Diederich Heßling - Heinrich Manns Untertan - kommt er auch nicht ganz unbeschadet davon, sondern wird wie so viele seiner Landsleute nach Sibirien verschickt. Aber danach fällt er in seinem Vaterland Estland wieder auf die Füße!

Edgar Parts kennt im wahrsten Sinne des Wortes keine Verwandten - selbst seine durchaus verehrte Ziehmutter wird von ihm ausgenutzt, sein Cousin Roland, ein wahrhaft aufrechter Este, der an seiner Überzeugung verzweifelt und seine Frau Juudit, deren zeitweiliges kleines privates Glück sich als überaus vergänglich erweist, sind für ihn nur Mittel zum Zweck. Und leider hat dieser ausgesprochene Unsympath doch immer wieder den richtigen Riecher und leider auch Erfolg mit seinen unlauteren Methoden, die einzig und allein dazu dienen, ihn heil durchkommen und gut dastehen zu lassen.

Dicht ist die Handlung in diesem klugen und überaus anspruchsvollen Roman, die Autorin Oksanen hat akribisch recherchiert und stellt den Leser vor zahlreiche Fragen. Die Handlung ist sehr akkurat in den jeweiligen zeitlichen Kontext eingebettet, sowohl Figuren als auch Orte, Ereignisse etc. entsprechen dem jeweiligen Zeitgeist, was durchaus mit sich bringt, dass dem Leser vieles fremd ist. Ich betrachte mich eigentlich als nicht ganz unbeleckt, was die Geschichte Estlands betrifft, doch ist die Autorin derart tief in das große Ganze eingetaucht, dass historisch Reales auch in Form von Nebendarstellern und -schauplätzen detailliert eingearbeitet wurde und das betrifft nicht nur die estnische, sondern gleichermaßen die deutsche und sowjetische, ja, man könnte sagen, die europäische Geschichte.

Für mich war dieser Roman außerordentlich bereichernd, da ich das angefügte, in seinen Erläuterungen gelegentlich etwas knapp gehaltene Glossar immer wieder durch eigene Internet-Recherchen ergänzt habe - somit ist mein Bild von den Ereignissen in Nordeuropa während des zweiten Weltkrieges und in den Folgejahren nun um einiges runder. Wer das Angebot der Autorin annimmt und alle Erzählstränge, alle Andeutungen aufgreift, der wird zwar geraume Zeit mit dem Roman zu tun haben, sich aber keinen Augenblick langweilen.

Auch ein Verzeichnis der Hauptfiguren ist angefügt, das aus meiner Sicht jedoch ausgesprochen unvollständig ist und dadurch zumindest bei mir für einige Verwirrung gesorgt hat.

Zuletzt ein Wort zur Sprache - man könnte meinen, dies sei ein rein historischer Roman, doch ist es auch ein poetisches Werk von hohem literarischen Anspruch, der bis in die Übersetzung hineinreicht. Ein Buch, das aufgrund seiner sehr speziellen Thematik sicher nicht für jeden von Interesse ist, das aber denjenigen, die zu den inhaltlichen Wendungen einen Draht haben, sicher sehr viel bringen wird.