Ein stiller, aber trotzdem sehr intensiver Roman
Auch wenn Armut und Kargheit aus allen Ritzen der Alm pfeifen, so hat Theres doch ein gutes, wenn auch entbehrungsreichen Leben. Um all die hungrigen Mäuler zu stopfen, muss sie eben manchmal zum Gewehr ...
Auch wenn Armut und Kargheit aus allen Ritzen der Alm pfeifen, so hat Theres doch ein gutes, wenn auch entbehrungsreichen Leben. Um all die hungrigen Mäuler zu stopfen, muss sie eben manchmal zum Gewehr greifen und eine Gams oder ein Tier des Waldes erlegen. Aber ist sie deswegen auch eiskalt, wenn es darum geht, ein Menschenleben auszulöschen ? Die Dörfler:innen sind sich jedenfalls einig - wer wildert, schießt auch auf Menschen und das Urteil scheint so gut wie gesprochen. Aber Inspektor Anders Schmidt will sich nicht der Meinung der Geiferer und Tratschmäuler anschließen und versucht, Licht ins Dunkel zu bringen...
Sophie Reyer dreht das Rad der Zeit ganz weit zurück und entführt ihre Leser:innen nach Tirol zu Beginn des letzten Jahrtausends. Sie zeigt in aller Deutlichkeit, wie einfach und karg das Leben der Menschen zu dieser Zeit gewesen ist und mit welchen Mitteln sie versucht haben, manchmal mehr schlecht als recht ihr (Über-)Leben zu gestalten.
Und so einfach wie das Leben auf der Alm ist, so einfach sind auch die Charaktere, ohne dies böse oder abwertend zu meinen. Sie sind eben mit dem zufrieden, was sie haben und versuchen das Beste daraus zu machen. Theres selbst stellt keine großen Ansprüche an das Leben, ist immer geradeheraus und versucht, ihrer Familie das Leben auf der Alm so angenehm wie möglich zu gestalten.
Dass sie dabei "anders" ist, ist ein gefundenes Fressen für die Dörfler:innen und somit blühen Klatsch und Tratsch. Die Leserinnen sehen Theres aufwachsen, älter und reifer werden und lernen sie so sehr intensiv kennen. Die Schicksalsschläge, die das Leben für sie bereit hält, fordern mir manchmal Mal einiges ab. Ich muss gegen den ein oder anderen Kloß im Hals ankämpfen und kann auch nicht verhindern, dass mal ein Tränchen fließt.
Inspektor Andres Schmidt ist eher ein unauffälliger, ruhiger Typ, der auf den ersten Blick gerne übersehen wird. Und doch krempelt er die Ärmel hoch , dreht jeden vermeintlichen Hinweis auf Theres' Schuld solange, bis er die Wahrheit kennt. Seine ruhige Art bringt die erhitzten Gemüter wieder zum Abkühlen - das hätten viele ihm gar nicht zugetraut.
Die Schreibende wickelt ihre Leser:innen regelrecht um den Finger, wenn sie ihnen von der Erhabenheit der Bergwelt, der Schönheit der einzigartigen Natur und dem Leben in und mit ihr erzählt. Es sind die leisen, intensiven Töne und die großartigen Bilder, die Reyer mit Worten malt, die das Buch so besonders machen und dafür sorgen, dass die Grenze zwischen Fiktion und historischen Ereignissen komplett verschwimmt.
Kein Krimi der herkömmlichen Art, sondern eher ein Sittengemälde mit starken Figuren und einem Einblick in die Sagenwelt.