Cover-Bild Das Glück meines Bruders
14,99
inkl. MwSt
  • Verlag: C.H.Beck
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 28.07.2017
  • ISBN: 9783406711824
Stefan Ferdinand Etgeton

Das Glück meines Bruders

Roman

In einem beschwingten, fein ausgehörten Ton erzählt dieser Roman, angesiedelt in Belgien und Holland, Südhessen und Bochum, die paradoxe und komisch-berührende Geschichte zweier Brüder, von denen der gesündere am Ende eher der Verlorene ist, während der beschädigte sein Glück findet.
Botho und Arno van Dijk machen einen letzten Abstecher ins belgische Doel, wo ihre Großeltern lebten und sie viele Feriensommer und Weihnachtsfeste ihrer Kindheit und Jugend verbracht haben. Sie möchten das vor dem Abriss stehende Haus noch einmal erleben und Botho hofft außerdem, seine Jugendliebe Lenie wiederzusehen. Beschwingt erzählt dieser Roman die paradoxe und komisch-berührende Geschichte zweier Brüder, von denen der gesündere am Ende eher der Verlorene ist, während der beschädigte sein Glück findet. Melancholisch und unterhaltsam, furios und liebevoll – „Das Glück meines Bruders“ von Stefan Etgeton.

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Veröffentlicht am 28.08.2017

Wenn die Herkunft ein verlassener Ort ist

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Die beiden Brüder Arno und Botho kehren nach vielen Jahren für einen Urlaub in das kleine flämische Dorf Doel zurück. Dort wohnten die Großeltern und dort haben sie viele Sommer- und Weihnachtsferien ihrer ...

Die beiden Brüder Arno und Botho kehren nach vielen Jahren für einen Urlaub in das kleine flämische Dorf Doel zurück. Dort wohnten die Großeltern und dort haben sie viele Sommer- und Weihnachtsferien ihrer Kindheit verbracht.
Inzwischen ist Doel ein fast verlassener Ort. Denn der nahe gelegene Hafen von Antwerpen soll vergrößert werden und das Dorf wird dafür aufgegeben.


Wirkt am Anfang der Geschichte noch vieles wie eine Rückkehr ins Paradies der Kindheit, so wird im Laufe der Geschichte doch immer klarer, dass die Kindheit nicht so schön und problemlos war, wie es auf den ersten Blick scheint. Das Dorf ist nicht so malerisch wie gedacht - das Atomkraftwerk ist gleich nebenan. Und in der Kindheit gab es Lieblosigkeit, zu viel Alkohol und Gewalt..


Als die Erinnerungen vehement werden, kehren die Brüder daher eher plötzlich wieder in den Alltag zurück, den sie sich seit der Kindheit aufgebaut haben. Und es wird sichtbar, wie unterschiedlich die Beiden versucht haben, den Dämonen der Kindheit zu entgehen. Arno wirkt ein wenig kindlich-zurückgeblieben, hält es auf keiner Arbeitsstelle länger aus und war lange Alkoholabhängig. Jetzt scheint er jedoch auf einem guten Weg, er hat einen neuen Job und vor allem eine neue Freundin. Sie wirkt wie sein Fels in der Brandung, sein Anker. Und mit ihr will er eine Familie gründen.


Doch kurz vor der Heirat bekommt die Freundin Bedenken. Und flüchtet sich zu Botho. Dieser hat einen ganz anderen Weg gewählt als Arno. Er ist früh aus der provinziellen Enge geflohen, hat Zivildienst gemacht, das Abitur nachgeholt und studiert und arbeitet jetzt - wie die Freundin seines Bruders - als Lehrer. So ganz angekommen in seinem Leben als "Akademiker" ist er jedoch nicht. Sowohl seine Eltern als auch Arno machen ihn immer wieder auf seine Herkunft aus einfachen Verhältnissen aufmerksam. Und Botho fühlt sich wie im falschen Leben. Er hat auch kaum Freunde und keine richtigen Liebesbeziehungen. Nur seine Jugendfreundin Lenie, die aus Doel stammte, ist immer noch in seinem Kopf. Aber genau wie Doel ist Lenie Vergangenheit und nicht mehr so, wie es/sie einmal war.


Auf Anraten der Freundin seines Bruders setzt sich Botho nun mit seiner Jugend auseinander. Wie wird und kann es weitergehen mit Arno, Botho und der Freundin von Arno?


Dieses Buch besteht aus sehr unterschiedlichen Teilen, die m.E. nicht immer harmonieren. Im ersten Teil fällt vor allem der Schreibstil auf. Die Sätze sind sehr lang, eine Aneinanderreihung von Nebensätzen, dies steigert das Tempo der Erzählung, alles wirkt irgendwie atemlos - wie Kinder eben auch alles "schnell" erleben. In der Gegenwart ist die Schreibweise anders, ruhiger, eher philosophisch und es gibt eine Reihe von schönen und skurrilen Begebenheiten: Eine alte Frau, die stirbt und alle kommen sitzen zusammen in ihrem Wohnzimmer. Ein alter Mann, der immer noch einen Laden führt im fast verlassenen Dorf - aber kaum noch rechnen kann. Eine Familie, die immer noch in das Dorf zum Urlaub kommt, obwohl die Gegend alles andere als landschaftlich schön ist - und das Atomkraftwerk gut sichtbar neben dem Dorf aufragt. Dieser Teil war berührend und schön - wenn auch die Problematik der Kindheit immer deutlicher wurde. Als dann eine tragische Wahrheit ans Licht kommt, fahren die Brüder nach Deutschland zurück.


Und es beginnt ein Teil, in dem die Brüder versuchen, sich im Leben zurecht zu finden. Was sie schon lange versuchen. Meist so, dass Botho sich um Arno kümmert. Aber ist Botho wirklich fähig, sich um einen anderen Menschen zu kümmern? Fehlt ihm nicht das Fundament im Leben?
In diesem Teil wird die Problematik einer Einsamkeit aufgrund der Herkunft thematisiert. Es gab wohl wenig Liebe in der Familie. Und wenig Bildung. Und Botho hat sich durch Abitur und Studium von der Familie entfernt - was Arno und die Eltern ihm vorwerfen. Arno vergräbt sich lieber in einer Art Paranoia und fühlt sich ständig übervorteilt. Beiden fehlt ein gesundes Fundament an Selbstbewusstsein, um wirklich im Leben bestehen zu können.


Im letzten Teil wird das Geschehen m.E. eher absurd, Assoziationen zu Nihilismus und Existentialismus kamen bei mir auf. Hier fiel es mir als Leser eher schwer, die Protagonisten zu verstehen oder ihr Handeln nachzuvollziehen.
Aber vielleicht ist es verständlich, wenn man bedenkt, wie einsam und labil ein Mensch auf Grund mangelnder Fundamente wird.


Ein sehr anspruchsvolles Buch mit einer sehr interessanten Sprache. Das man vielleicht mehrmals lesen sollte, um es zu Verstehen.