Die Bienenfrau
Inhalt:
Sue Hubbell war eine amerikanische Biologin, welche 2018 verstorben ist. Nachdem sie als Bibliothekarin gearbeitet hatte und tief beeindruckt von dem Dichter Henry Thoreau («Walden») war, beschloss ...
Inhalt:
Sue Hubbell war eine amerikanische Biologin, welche 2018 verstorben ist. Nachdem sie als Bibliothekarin gearbeitet hatte und tief beeindruckt von dem Dichter Henry Thoreau («Walden») war, beschloss sie 1972, zusammen mit ihrem Mann ein neues Leben fernab von Konsum und Hektik zu beginnen. Die beiden fanden schliesslich eine abgelegene Farm im Südosten Missouris in den Ozark Mountains. Da sie weder genügend Ahnung von Viehzucht noch von Landwirtschaft hatten, entschieden sie sich für die Bienenzucht. Sue Hubbells Buch «Leben auf dem Land» nimmt uns mit auf eine Reise mit den Bienen, durch ein ganzes Jahr hindurch, von einem Frühling bis zum nächsten. Dabei lernen wir eine Menge über die geflügelten Honigsammler – und ganz nebenbei auch über uns selber und unseren Platz im Universum.
Meine Meinung:
Sue Hubbells Erzählung erschien als Buch in Amerika zum ersten Mal im Jahr 1986. Beim Diogenes Verlag wurde die erste Ausgabe 2016 gedruckt. Die vorliegende Edition ist eine 2021 erschienene Neuausgabe in der Diogenes Deluxe Reihe. Sie ist etwas kleinformatiger, mit Lesebändchen und einfach wunderschön anzusehen (und prima überall in der Handttasche mit hinzunehmen). Jedem Kapitel ist eine kleine gezeichnete Biene vorangestellt.
«Leben auf dem Land» ist unglaublich informatives Buch, aus dem auf jeder Seite die Liebe der Verfasserin zur Natur, zu ihren Bienen, zu der gesamten Schöpfung zu spüren ist. Mit viel Zuneigung, leisem Humor und grosser (im Lauf der Jahre durch Lesen und praktische Erfahrung erworbener) Kenntnis lässt uns Sue Hubbell teilhaben an ihrem Leben in der Natur. Wir lernen nicht nur Bienen kennen, sondern auch verschiedenste Schlangen, Falter, Milben, Frösche, Vögel und all die Pflanzen, welche sie für ihre Entwicklung benötigen. Hubbell zeigt uns, wie alles miteinander zusammenhängt, seinen Sinn hat und unseres Schutzes, aber auch immer wieder der Vorsicht bedarf. Oftmals verhält sich alles ganz anders als in den Lehrbüchern beschrieben, denn die Natur hat ihre eigenen Gesetzmässigkeiten. Manche Tiere sind originelle Individualisten ihrer Spezies, und vieles wird für uns Menschen wohl für immer geheimnisvoll bleiben.
Die Bienen und ihr Honig sichern Sue Hubbell knapp den Lebensunterhalt. Darüber hinaus gehender Luxus besteht in guten Freunden, einem erfrischenden Bad im Fluss, handfesten und verlässlichen Nachbarn und der glücklichen Bewahrung vor schweren Unfällen. Das Leben und Arbeiten auf der Farm bringt «die Bienenfrau», wie sie die Nachbarn liebe- und auch respektvoll nennen, oftmals an ihre körperlichen Grenzen. Seitdem ihr Mann sie verlassen hat, muss sie alles alleine bewerkstelligen und bekommt nur selten Hilfe, etwa wenn der Honig verarbeitet oder das Dach der Farm neu gedeckt werden muss. Und so schimmert gelegentlich etwas von der Sehnsucht nach einem menschlichen Gefährten, von Einsamkeit inmitten unzähliger Tiere, von Nachdenklichkeit und Melancholie durch ihre munteren Erzählungen hindurch. Auch das macht den besonderen Charme dieses Buchs aus. Es ist unterhaltsam und interessant zu lesen ohne je oberflächlich zu wirken und fragt auch nach dem Sinn unseres Daseins. Die Originalausgabe trägt darum auch den Titel «A Country Year. Living the Questions».
Fazit:
«Leben auf dem Land» ist ein zeitloses Buch, das vom Leben mit der Natur handelt und seine Leserinnen und Leser bescheiden und ehrfürchtig angesichts der Wunder der Schöpfung werden lässt. Tier- und Pflanzenfans kommen dabei auf jeden Fall auf ihre Kosten. Aber auch alle, welche offen für die Fragen des Lebens sind und Trost in der Natur finden, werden sich daran erfreuen können. Es ist ein Werk zum Immerwiederlesen.