Kurzweiliger Roman, der die Sklaverei in den Südstaaten der USA realistisch abbildet und mit interessanten Charakteren punktet
Zusammenfassung:
„Die Erfindung der Flügel“ beschreibt die Geschichte von Sarah und Angelina Grimké, Töchter eines Plantagenbesitzers und Richters aus Charleston zu Beginn des 19. Jahrhunderts, auf ihrem ...
Zusammenfassung:
„Die Erfindung der Flügel“ beschreibt die Geschichte von Sarah und Angelina Grimké, Töchter eines Plantagenbesitzers und Richters aus Charleston zu Beginn des 19. Jahrhunderts, auf ihrem ungewöhnlichen und unkonventionellen Lebensweg und ihren Bemühungen, der Sklaverei in den Südstaaten ein Ende zu setzen. Gleichermaßen greift der Roman die Geschichte von Sarahs Kammerzofe Handful auf, und wie sie als Sklavin einer reichen Südstaaten-Familie lebt und behandelt wird. Während Sarah und Angelina Grimké reale Charaktere sind, ist Handfuls Geschichte Fiktion.
Meinung:
Anders als viele andere Romane, die in den Zeiten der Sklaverei in den Südstaaten spielen, greift „Die Erfindung der Flügel“ auch Perspektiven der versklavten afroamerikanischen Bevölkerung auf und schafft es dadurch, nicht zu romantisieren. Während in Erzählungen à la „Vom Winde verweht“ der Sklave als liebenswertes Familienmitglied, ähnlich einem Haustier, beschrieben wird, treten in dieser Geschichte Bestrafungen, das Gefühl der Gefangenschaft und das Elend der Sklaven in den Vordergrund. Damit gibt der Roman die Sklaverei deutlich realistischer wieder, als viele Romane, die in einer ähnlichen Zeit spielen.
Dass Sarah und Angelina Grimké historisch belegte Personen sind, während Handful größtenteils dem Gedankengut der Autorin entspringt, fällt beim Lesen nicht auf. Alle Charaktere sind außerordentlich fundiert und glaubwürdig dargestellt. Sarah ist insbesondere daher eine interessante Person, weil sie kontinuierlich gegen die gesellschaftlichen und politischen Konventionen ankämpft, ihre Ambitionen jedoch meist zerstört werden. Ihre Enttäuschung und Resignation werden insbesondere in den ersten Teilen des Buchs sehr glaubhaft und authentisch dargestellt. Die Autorin schafft keine typische Romanheldin, die trotz aller Barrieren alles erreichen kann, sondern eine Frau, die mit den Widernissen ihres Daseins zu ihrer Zeit kämpfen muss – und dabei auch verliert. Ebenso interessant sind die Charaktere auf der anderen Seite der Geschichte: Handful und ihre Mutter Charlotte. Insbesondere Charlotte kämpft auf ihre Weise gegen die Sklaverei und gibt ihr rebellisches Wesen an ihre Tochter Handful weiter.
Die Beziehung zwischen Sarah und Handful zeigt eine interessante Entwicklung. Geht man zu Beginn des Romanes davon aus, dass sich zwischen den beiden eine tiefe Freundschaft entwickelt, so ist die Beziehung erstaunlich unstet. Je nach Lebenslage verändert sich die Beziehung zwischen den beiden, geprägt von den gesellschaftlichen Konventionen, unter denen Sarah agiert. Diese Wechsel, und die Ab- oder Zunahme der Intensität der Beziehung zwischen Handful und Sarah macht einen Großteil der Spannung im Roman aus.
Die Handlung des Romans ist wenig vorhersehbar und nimmt im Laufe der Geschichte einige interessante und überraschende Wendungen. Selbst im letzten Teil des Romans war ich mir als Leserin nicht im Klaren darüber, wo die Geschichte hinführen wird. So ist durchweg nicht absehbar, ob die Geschichte glücklich, traurig oder offen endet.
Bei den Ausführungen der Autorin kommen lediglich Emotionen kurz. Obwohl die Autorin traurige und bewegende Schicksale findet, liest sich der Roman sehr sachlich. An dieser Stelle merkt man deutlich, dass die Geschichte der Grimké-Schwestern auf der Recherche historischer Daten beruht. Der Roman vermochte mich auf emotionaler Ebene nicht richtig zu packen, sondern hat eher den Charakter eines unterhaltsamen und kurzweiligen Sachbuchs.
Der Schreibstil der Autorin liest sich gut und flüssig. Zeitweilens benutzt sie Worte, die im historischen, besonders auch im religiösen Kontext sehr stimmig, aber nicht unbedingt intuitiv zu verstehen sind. Dem historischen Charakter des Buchs wird sie dadurch jedoch gerecht.
Fazit:
Ein spannender Roman mit hochinteressanten Protagonisten und Nebencharakteren, der die Leidensgeschichte der Sklaverei in den Südstaaten weitaus realistischer schildert, als viele vorangegangene Romane und durch seine Unvorhersehbar punktet. Die Geschichte könnte lediglich emotional packender sein. Dennoch empfehle ich „Die Erfindung der Flügel“ unbedingt weiter.