Cover-Bild Ein ganz normales Pogrom
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Klett-Cotta
  • Themenbereich: Geschichte und Archäologie - Geschichte
  • Genre: Sachbücher / Geschichte
  • Seitenzahl: 244
  • Ersterscheinung: 18.06.2018
  • ISBN: 9783608981049
Sven Felix Kellerhoff

Ein ganz normales Pogrom

November 1938 in einem deutschen Dorf

Im November 1938 geht im ganzen Deutschen Reich die Saat des Hasses auf. In Hunderten Gemeinden demütigen Einwohner ihre jüdischen Nachbarn. Sven Felix Kellerhoff zeigt am Beispiel des rheinhessischen Weindorfes Guntersblum, wie der Hass wucherte, ausbrach und welche Folgen er hatte.

Das heutige Bild des Novemberpogroms 1938 wird von den Vorgängen in Berlin und einigen anderen großen Städten wie München oder Essen dominiert. Doch das eigentlich Schockierende an den antisemitischen Übergriffen der »Reichskristallnacht« war, dass sie anders als frühere organisierte Pogrome tatsächlich reichsweit und bis in die Provinz hinein stattfanden. Die Novemberpogrome sind die Zäsur zu einer neuen Qualität und Intensität der Verfolgung. Gerade der Blick in ein ganz normales Dorf macht die erschreckende Normalität des Judenhasses greifbar und unmittelbar einsichtig. Hier kannten sich Opfer und Täter tatsächlich, lebten eng zusammen. Sven Felix Kellerhoff erzählt von den ergreifenden Schicksalen der Betroffenen in Guntersblum. Er zeigt, wie das Gift des Antisemitismus sich ausbreitete, wie die Situation ab 1933 eskalierte, was im November 1938 genau geschah und wie die Vergangenheit den Ort bis heute nicht loslässt.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.07.2018

Ein ganz normales Dorf

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Es war einmal ein ganz normales Dorf, irgendwo in Deutschland. So könnte dieses Buch beginnen, steht das beschriebene Weindorf Guntersblum in Rheinhessen, nämlich für viele Dörfer und Städte in der Weimarer ...

Es war einmal ein ganz normales Dorf, irgendwo in Deutschland. So könnte dieses Buch beginnen, steht das beschriebene Weindorf Guntersblum in Rheinhessen, nämlich für viele Dörfer und Städte in der Weimarer Republik.
Die seit Jahren subtil gestreute Saat des Judenhasses geht im November 1938 buchstäblich explosionsartig auf. Im gesamten Deutschen Reich (Österreich inklusive) brennen Synagogen, werden Juden misshandelt und deren Wohnungen zerstört und geplündert. Wie es zu den Ausschreitungen, von den Machthabern zynisch und euphemistisch „Reichskristallnacht“ genannt, gekommen ist, versucht der Autor an Hand von Guntersblum nachzuvollziehen. Bislang hat der geneigte Leser ja den Eindruck, dass die Pogrome eine Erscheinung in den großen Städten sind, doch diese (Irr)Meinung wird mit diesem Buch widerlegt.
Beginnend mit der Urkatastrophe des verlorenen Ersten Weltkriegs und den damit verbundenen Reparationszahlungen erzählt Historiker Kellerhoff, wie sich antisemitische Verschwörungstheorien in den Köpfen der Leute manifestieren und den Nationalsozialisten in die Hände spielen.
Ab 1933 werden jüdische Mitbürger schikaniert. Viele verlassen Deutschland, doch die Mehrheit bleibt. Wo sollten sie auch hingehen? Geschäfte und Beziehungen im Stich lassen?
Gerade anhand von Guntersblum zeigt sich, wie perfide das System funktioniert, da hier ja jeder jeden und seine Vermögensverhältnisse kennt. Die Anonymität der Großstadt, die anfangs ein wenig Schutz bieten könnte, fehlt hier natürlich.
Kellerhoff kann aufgrund von alten Dokumenten und Fotos die systematische Vertreibung (und Ermordung) der jüdischen Familien genau nachvollziehen.
Sehr interessant ist auch der Mangel an Unrechtsbewusstsein nach dem Krieg. Man schiebt die Schuld hin und her, leidet an kollektivem Gedächtnisverlust. Guntersblum ist einfach Deutschland im Kleinen.
Wiedergutmachung und Herausgabe des gestohlenen Eigentums? Meistens Fehlanzeige, langwierige Prozesse und nur teilweise Rückerstattung oder Schadenersatz. So manche Familie wird de facto ein zweites Mal betrogen.

Fazit:

Ein höchst interessantes Buch, das es wert ist ein zweites Mal gelesen zu werden, um die besonderen Details zu entdecken. Gerne gebe ich 5 Sterne.