Kein strahlender Rubin
Szilárd Rubin (1927-2010) war ein ungarischer Schriftsteller, der erst kurz vor seinem Tod mit seinen Hauptwerken Ruhm auch außerhalb Ungarns erntete. „Die Wolfgrube“ ist keines dieser Hauptwerke, sondern ...
Szilárd Rubin (1927-2010) war ein ungarischer Schriftsteller, der erst kurz vor seinem Tod mit seinen Hauptwerken Ruhm auch außerhalb Ungarns erntete. „Die Wolfgrube“ ist keines dieser Hauptwerke, sondern ein Kabinettsstück über sechs Grundschulfreunde, die sich 15 Jahre nach dem Schulabschluss wiedertreffen und feststellen müssen, dass einiges gleich, aber vieles anders geworden ist. Haller wurde Arzt, Schwabik Apotheker, Decsi Biochemiker, Vértes Dichter, Baksay Journalist und Beke wurde Polizist und Offizier der ungarischen Spionageabwehr. Dass er diese beiden Beruf für das Treffen der Freunde würde gebrauchen können, konnte vorher keiner ahnen.
Außer dem Leser, denn schon auf den ersten Seiten erfahren wir, welcher Schulfreund durch einen westlichen Geheimagenten ausgetauscht wurde. Auch zwei andere Schulfreunde haben geheime Machenschaften am Laufen, wie sich im Laufe des Treffens herausstellt. Die Zusammenkunft wird durch drei Frauen bereichert - eine Ehefrau, eine Assistentin und eine Tänzerin, hinter der alle Männer her sind. Bei dem harmlosen Gesellschaftsspiel „Mord im Dunkeln“ kommt es zu einem echten Mord, und Beke muss nun ermitteln. Der sympathische Ermittler deckte einige Geheimnisse auf, die sich die Freunde einander nicht zugetraut hätten. Dennoch ist Ermittlung so verworren, der Tathergang so kompliziert, dass man kaum mitkommt und die Auflösung am Ende nur hinnehmen kann. Und obwohl es nur zehn handelnde Personen sind, gehen die Figuren einem ständig durcheinander.
Neben der Handlung aber ist die der Darstellung innewohnende Betrachtung der ungarischen Gesellschaft in der „Wolfsgrube“ verborgen, und hier gibt Rubin Einblicke in ein Ungarn der 1960er Jahre, das dem westlichen Leser unbekannt ist. In den sich auseinandergelebten Freunden erkennt man die zerfallende ungarische Gesellschaft wieder, die sich kaum traut, alles öffentlich zu sagen, die vieles im Verbogenen abhandelt und vor Ohrenbläsern und Denunzianten auf der Hut ist. Auch der Nachhall des Zweiten Weltkrieges und der zweifelhaften Rolle Ungarns im Krieg klingt in Rubins Roman an.
Kurzum: „Die Wolfsgrube“ gehört zurecht nicht zu Rubins wichtigsten Werken, besticht aber immerhin durch politische Raffinesse und einen gerade am Anfang humorvoll beschwingten Tonfall.