Cover-Bild Die Terranauten
13,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Hanser, Carl
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 09.01.2017
  • ISBN: 9783446255593
T.C. Boyle

Die Terranauten

Roman
Dirk van Gunsteren (Übersetzer)

In einem geschlossenen Ökosystem unternehmen Wissenschaftler in den neunziger Jahren in den USA den Versuch, das Leben nachzubilden. Zwei Jahre lang darf keiner der acht Bewohner die Glaskuppel von „Ecosphere 2“ verlassen. Egal, was passiert. Touristen drängen sich um das Megaterrarium, Fernsehteams filmen, als sei es eine Reality-Show. Eitelkeit, Missgunst, Rivalität – auch in der schönen neuen Welt bleibt der Mensch schließlich doch, was er ist. Und es kommt, wie es kommen muss: Der smarte Ramsay verliebt sich in die hübsche Dawn – und sie wird schwanger. Kann sie das Kind austragen? T.C. Boyles prophetisches und irre komisches Buch, basierend auf einer wahren Geschichte, berührt die großen Fragen der Menschheit.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.01.2017

Big Brother im Gewächshaus

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„Die Terranauten“ von T.C. Boyle basiert auf einem wahren Ereignis, wobei die Figuren allerdings frei erfunden sind.

Es ist eine Charakterstudie über ein Forschungsteam, was sich über einen Zeitraum von ...

„Die Terranauten“ von T.C. Boyle basiert auf einem wahren Ereignis, wobei die Figuren allerdings frei erfunden sind.

Es ist eine Charakterstudie über ein Forschungsteam, was sich über einen Zeitraum von zwei Jahren in ein künstliches Biotop einsperren lässt. Man muss sich dabei eine riesige Kuppel vorstellen und in dieser eine Atmosphäre geschaffen wurde. Dort werden viele Tiere angesiedelt und die verschiedenen Klimazonen nachempfunden. So hat man auf diesem beschränkten Raum Wüste, Steppe, Regenwald und Ozean in einem. Es ist quasi eine Miniaturwelt wo nur acht Personen leben. Anlass ist herauszufinden, ob so ein künstlich erschaffenes Biotop sich selbst erhalten kann. Dies ist wichtig, wenn es um das Ansiedeln auf neuen Planeten, wie dem Mars, geht. Im Vordergrund steht zunächst die Wissenschaft, aber dieses Projekt entwickelt sich immer mehr zur voyeuristischen Seifenoper à la Big Brother. Denn die Personen werden natürlich rund um die Uhr durch Kameras überwacht. Dass die anfängliche Euphorie ganz schnell umschwenkt, ist wohl nur klar. Aus geselligem Miteinander wird nervenaufreibende Selbstdarstellung. Man spürt die in jedem Kapitel wie die Luft immer dünner wird und das nicht bloß im übertragenem Sinne. Es gibt Hass, Zwietracht und Neid. Das sind doch die besten Zutaten für einen aufregenden Roman.

Es macht riesigen Spaß die Geschichte aus der Sicht von drei Personen zu erleben. Diese Figuren könnten gar nicht unterschiedlicher sein und erzählen die Ereignisse sehr subjektiv. So wankt man zwischen Zustimmung und Unverständnis. Die Protagonisten sind voller Ecken und Kanten und es kracht oft gewaltig. Das macht die Situation so realistisch und man meint, dass sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen haben.

Ein kleines Manko, ist für mich, das Ende – winzig kleiner Spoiler – es ist für mich nicht ganz abgeschlossen. Es lässt aber enorm viel Spielraum für Interpretationen. Man kommt sich bei diesem Buch ständig wie ein Beobachter vor und genießt es an den inneren Konflikten der Erzähler teilzunehmen. Alles ist geprägt von tiefen Emotionen und genau so etwas möchte ich gern lesen.

„Die Terranauten“ ist für mich ein rundum gelungener Ausflug in eine fremde Welt. Unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 18.03.2017

Ecosphere 2 - Leben hinter Glas

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Nichts rein, nichts raus. 4 Männer und 4 Frauen, 2 Jahre lang eingeschlossenen in einem autarken Ökosystem namens Ecosphere 2 (E2). Was als wissenschaftliche Sensation gedacht war, wir schnell überschattet ...

Nichts rein, nichts raus. 4 Männer und 4 Frauen, 2 Jahre lang eingeschlossenen in einem autarken Ökosystem namens Ecosphere 2 (E2). Was als wissenschaftliche Sensation gedacht war, wir schnell überschattet von Hunger, Neid und Fernsehteams, die jeden Schritt der Terranauten überwachen. Als Dawn dann auch noch schwanger wird, ist von der anfänglichen guten Gruppendynamik nicht mehr viel vorhanden...

T. C. Boyles neuer Roman "Die Terranauten" ist angelehnt an das Projekt "Biosphere 2", welches in den 90er Jahren wirklich in Arizona stattgefunden hat. Viele der im Buch genannten Probleme ähneln denen des realen Experiments, welches nach 2 Versuchen als gescheitert erklärt wurde.

Zu Beginn des Romans stellt Boyle den wissenschaftlichen Aspekt in den Vordergrund, weshalb bereits auf den ersten 100 Seiten einige Längen auftreten, in denen zum Beispiel die Wasserversorgung/-aufbereitung von E2 erklärt wird.

Im weiteren Verlauf verändert sich das Buch immer weiter in eine Art Charakterstudie, fast die gesamte Handlung rückt in den Hintergrund, wichtiger sind die 3 Protagonisten Dawn, Ramsey & Linda, aus deren Sicht die Geschichte abwechselnd erzählt wird. Während Dawn und Ramsey zu den Terranauten gehören und sich somit in E2 befinden, ist Linda draußen, sie wurde nicht für die Mission ausgewählt und ist dementsprechend sehr neidisch auf die Bewohner von E2, besonders auf Dawn, ihre (ehemals?) beste Freundin.

Alle 3 Personen sind auf ihre eigene Art unsympatisch, Linda ist unglaublich neidisch und hinterlistig, Dawn eitel und Ramsey ist einfach ein Arschloch. Alle 3 (und auch ihre Mitterranauten) sind unglaublich selbstsüchtig und denken nur an sich selbst. Was die anderen davon halten ist ihnen einfach völlig egal.

"Bis jetzt war ich machtlos, machtlos und zurückgestellt, bloß eine Fußnote in der Geschichte der Terranauten, aber jetzt habe ich etwas, auf dem ich aufbauen, aus dem ich vielleicht Kapital schlagen kann." (Linda Ryu, S. 163)

Die anderen handelnden Personen (und davon gibt es sehr viele! Die Mitteranauten, Mitarbeiter von Mission Control...) bleiben leider allesamt sehr blass und tauchen größtenteils eigentlich nur mit Namen und vielleicht noch Beruf auf. Zusätzlich dazu tragen viele Personen seltsame Spitznamen und mal werden sie mit dem einen, mal mit dem anderen Namen genannt (Dawn zB. heißt auch Eos bzw E.) und manche konnte ich bis zum Ende nicht wirklich zuordnen. (Wer ist denn bitte GM?) Das Ganze fand ich persönlich einfach ziemlich verwirrend.

Zu meiner allgemeinen Verwirrung trug übrigens auch T.C. Boyles - vielgelobter - Schreibstil bei. Ich persönlich empfand diesen an einigen Stellen mehr als holprig, verbunden mit vielen hypotaktischen Sätzen, die den Lesefluss nicht besser machen.

Alles in allem ist "Die Terranauten" ein faszinierendes Werk, das einen an vielen Stellen zum Nachdenken über den eigenen Charakter anregt. Besonders im Vordergrund befindet sich der psychologische Aspekt der Geschichte, der Leser sollte also auch Interesse daran mitbringen, sonst wird man vermutlich recht lange und müsehlig an dem Buch lesen. "Die Terranauten" ist also kein Buch für jedermann, bekommt aber trotzdem eine Lesemepfehlung von mir, denn mir hat es, trotz der Schwächen recht gut gefallen.

"In siebenundzwanzig kurzen Tagen werde ich in der größen Diätklinik der Welt leben, essen und atmen." (Linda Ryu, S. 542)